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RA Digital - 05/2016

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226 Zivilrecht

226 Zivilrecht RA 05/2016 PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch der K gegen B gem. §§ 280 I, 241 II BGB I. Schuldverhältnis II. Schuldhafte Pflichtverletzung III. Ersatz des immateriellen Schadens gem. § 253 II BGB IV. Ergebnis B. Anspruch der K gegen B aus § 823 I BGB LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B gem. §§ 280 I, 241 II BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 400,- € gem. §§ 280 I, 241 II BGB haben. Beförderungsvertrag als Werkvertrag gem. § 631 BGB Gerichte dürfen ein Urteil auf eine einschlägige Anspruchsgrundlage stützen und müssen nicht wie Jura-Studierende die nicht einschlägigen Ansprüche mit Begründung ablehnen. Im Gutachten hätte hier zwingend die Haftung wegen eines Werkmangels gem. §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB vor dem Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB geprüft werden müssen. Das LG Trier hat die Frage, ob ein Werkmangel gem. § 633 BGB besteht, in Rn. 39 des Urteils sehr kurz aufgeworfen, aber mit dem Hinweis auf die Nebenpflichten ausdrücklich unbeantwortet gelassen. Klar gestellt hat es nur, dass aus dem Verkehrsvertrag mit der SPNV Nord keine Pflichtverletzung der B aufgrund der fehlenden funktionsfähigen Toilette folgt. Allgemeine Rücksichtnahmepflichten gem. § 241 II BGB I. Schuldverhältnis K und B haben einen Beförderungsvertrag geschlossen. Dabei könnte es sich um einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB oder um einen Dienstvertrag gem. § 611 BGB handeln. Abgrenzungskriterium ist der bei dem Werkvertrag geschuldete Erfolg, d.h. die Herbeiführung eines vereinbarten, gegenständlich fassbaren Arbeitsergebnisses. Bei einer Fahrt mit der Regionalbahn liegt der Schwerpunkt auf der Beförderung zum Zielort, geschuldet wird also ein Erfolg. Es ist mithin von einem Werkvertrag auszugehen (§ 631 I, II Alt.2 BGB: „ein durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg“). II. Schuldhafte Pflichtverletzung Weiterhin müsste das Fehlen einer funktionsfähigen Toilette im Personennahverkehr eine Pflichtverletzung i.S.d. § 241 II BGB sein. „[37] Sie folgt vorliegend nicht aus dem Verkehrsvertrag zwischen der Beklagten und dem SPNV Nord nebst Leistungsbeschreibung - unabhängig davon, dass dieser nur im Verhältnis der dortigen Vertragspartner und damit nicht zur Klägerin Wirkung entfaltet. Zwar ist dort vorgegeben, dass eine Toilette erreichbar sein muss. Der Beklagten wird aber auch eine Frist von 24 Stunden zur Beseitigung auftretender Störungen eingeräumt. Dass die streitgegenständliche Toilette länger als 24 Stunden außer Funktion war, ist nicht ersichtlich. Die explizit eingeräumte Frist belegt zudem die jederzeitige und allgemein bekannte Gefahr von Funktionsstörungen in öffentlich zugänglichen Toilettenanlagen.“ Jura Intensiv Das Schuldverhältnis verpflichtet den Vertragspartner aber auch im Allgemeinen gem. § 241 II BGB auf die Rechte, Rechtgüter und Interessen des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Umfang und Inhalt der Nebenpflichten sind abhängig vom Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs. „[41] Schutzpflichten bestehen dahingehend, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners ergibt sich bei einem Vorliegen von Schutzpflichten aus der sonderverbindungsspezifischen Einwirkungsmöglichkeiten der anderen Seite bei gleichzeitig reduzierten Abwehrmöglichkeiten des Vertragspartners. Es hat eine Interessen- und Inhaltsverzeichnis

RA 05/2016 Zivilrecht 227 Güterabwägung stattzufinden, in die neben der Gefährdung der Rechtsgüter auch der Risikobeseitigungsaufwand der anderen Partei, die Kalkulierbarkeit der auferlegten Pflicht und die Eigenverantwortung einfließen.“ Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe erscheint eine Verpflichtung zum Vorhalten einer funktionsfähigen Toilette im Personennahverkehr im vorliegenden Fall fraglich. „[43] Denn der öffentliche Personennahverkehr ist durch seine Funktion gekennzeichnet, überwiegend den Beförderungsbedarf im Regionalverkehr über geringere Strecken und kürzere Fahrzeiten zu befriedigen. Auch der Personennahverkehr entlang der Mosel bis Trier und die eingesetzte Regionalbahn ist auf eine kurze Taktung an insgesamt 30 Unterwegsbahnhöfen ausgelegt. Auch wenn die Gesamtfahrzeit über die volle Strecke geringfügig unter 2 Stunden beträgt, liegt die Besonderheit der Leistung - im Unterschied zum ebenfalls auf der Moselstrecke Regionalexpress mit wenigen Halten und weiteren Entfernungen - im Angebot der Beförderung über kurze Strecken. Die im Personennahverkehr eingesetzte Regionalbahn hält fahrplanmäßig nach 2 bis 6 Minuten an den Haltestellen. Angesichts dieser kurzen Intervalle und Wegstrecken verliert der Aspekt des Vorhaltens von Möglichkeiten des Toilettengangs erheblich an Bedeutung.“ Neben den Schutzpflichten können sich aus einem Schuldverhältnis allerdings auch Aufklärungspflichten ergeben. Zu prüfen bleibt damit, ob B die K auf die nichtfunktionsfähige Toilette hinweisen musste. „[47] Aufklärungspflichten bestehen hinsichtlich sämtlicher Umstände, die für den Vertragsschluss der anderen Partei erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Erforderlich ist ein Informationsgefälle, dessen Erkennbarkeit und Entscheidungserheblichkeit. Zuletzt muss auch im Bereich der Aufklärungspflichten eine Interessenabwägung durchgeführt werden. [48] Das Informationsgefälle hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Toiletten in der eingesetzten Regionalbahn und die Entscheidungserheblichkeit für die Klägerin (Dauer der Fahrtstrecke) sind offensichtlich. Da die Beklagte in ihren Bahnen auf der Moselstrecke regelmäßig Toiletten zur Verfügung stellt, durfte die Klägerin grundsätzlich auch vom Vorhandensein einer funktionstüchtigen Toilette ausgehen. Im Rahmen der Interessenabwägung fällt auf Seiten der Beklagten der Kalkulierbarkeit von Funktionsstörungen keine durchschlagende Bedeutung zu. Aufklärung und Information können zeitnah mit geringerem organisatorischem Aufwand (z.B. Durchsagen am Bahnhof, Mitteilungen an Informationstafeln am Bahnhof oder in den Zügen) erfolgen.“ Jura Intensiv III. Ersatz des immateriellen Schadens gem. § 253 II BGB Letztlich kann die Frage einer Nebenpflichtverletzung aus dem Beförderungsvertrag in Form unterlassener Hinweise auf die defekte Toilette jedoch dahinstehen: „[51] Eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) kann für immaterielle Schäden unter den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB dann gefordert werden, wenn aufgrund einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten wäre. Der Verletzte soll so einen Ausgleich für erlittene Ob es eine generelle Verpflichtung zum Vorhalten einer funktionsfähigen Toilette im Personennahverkehr gibt, erscheint dem LG Trier fraglich: Es gibt viele Haltestellen, mit kurzen Fahrzeiten, um kurze Entfernungen zurückzulegen. Prüfungsmaßstab: Verletzung von Aufklärungspflichten als Verstoß einer aus § 241 II BGB folgenden Nebenpflicht Explizite Bejahung der Verletzung einer Nebenpflicht gem. § 241 II BGB kann dahinstehen Inhaltsverzeichnis

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