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RA Digital - 05/2016

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228 Zivilrecht

228 Zivilrecht RA 05/2016 Sinn und Zweck des Schmerzensgeldes gem. § 253 II BGB Schmerzen und Leiden erhalten und in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, um die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise auszugleichen. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld dem Verletzten Genugtuung dafür verschaffen, was ihm der Schädiger angetan hat.“ Vorliegend war die Gesundheit der Klägerin infolge des unterdrückten Harndrangs und dadurch verursachter Schmerzen und damit ein Rechtsgut i.S.d. § 253 II BGB beeinträchtigt. Prüfungsmaßstab und Abwägung im Rahmen des § 253 II BGB Etwas anders gilt aber für einen zweistündigen Harndrang anlässlich einer Reise mit dem IC ohne Zwischenhalt, AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.04.2002, Az.: 32 C 261/01-84 Es ist nun eine umfassende Abwägung aller für und gegen eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Beeinflussung der maßgeblichen Ereignisse am Hauptbahnhof in Trier vorzunehmen. „[52] Maßstab für eine Geldleistung nach § 253 Abs. 2 BGB ist die Billigkeit. Hierzu hat eine Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte stattzufinden. Dazu gehören insbesondere Art und Dauer der Schäden, die individuellen Umstände des Geschädigten und die Situation einschließlich der eigenen Mitwirkung des Geschädigten. Insbesondere die Mitwirkung von Geschädigten bzw. die Verursachung der Geschehensabläufe können sich mindernd auswirken oder gar zum vollständigen Ausschluss einer Entschädigung führen.“ In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld vollständig entfallen kann, wenn das Wohlbefinden des Verletzten nur kurzfristig und unerheblich beeinträchtigt worden ist. „[59] Bei einem quälenden Harndrang über einen Zeitraum von deutlich weniger als 2 Stunden liegt eine nur vorübergehende gesundheitliche Beeinträchtigung ohne Dauerfolgen vor, die - als solches und ohne das Geschehen am Bahnhof Trier - das Zuerkennen eines Schmerzensgeldes auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Position der Beklagten kaum rechtfertigen kann.“ Von entscheidender Bedeutung für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes ist somit das unkontrollierte Entleeren der Blase am Trierer Hauptbahnhof und die damit einhergehende, von K verspürte Scham und psychische Belastung. Jura Intensiv „[61] Die für die Zuerkennung von Schmerzensgeld maßgeblichen Geschehnisse am Bahnhof Trier stehen jedoch am Ende einer Entwicklung, die von der Klägerin selbstbestimmt, eigenverantwortlich und entscheidend beeinflusst wurde. [62] Die Klägerin hätte sich schon bei der Abfahrt in Koblenz angesichts ihres selbst beschriebenen, beim Einstieg in die Regionalbahn im Koblenzer Bahnhof vorhandenen leichten Harndrangs über die Funktionsfähigkeit der Zugtoilette erkundigen können. Hierfür hätte das Zugpersonal zur Verfügung gestanden. Sie hätte sich aber auch selbst Kenntnis über die Funktionsfähigkeit der Toiletten verschaffen können. Zwar durfte sie grundsätzlich vom Vorhandensein einer funktionstüchtigen Toilette ausgehen. Gleichwohl sind bekanntermaßen nicht nur Toiletten in Zügen, sondern auch sonstige öffentliche Toiletten oftmals kurz in ihrer Funktion eingeschränkt und der Klägerin stand eine fast zweistündige Fahrt bevor. [63] Sie hat sich aber auch in der Folge eigenverantwortlich dafür entschieden, die Fahrt nach Trier mit den absehbar erhöhten Gefahren fortzusetzen und die letztlich eingetretenen Folgen zu riskieren. Spätestens mit Einsetzen des von ihr selbst als quälend beschriebenen Harndrangs nach einer halben Stunde Fahrt musste ihr dieses Risiko deutlich bewusst Inhaltsverzeichnis

RA 05/2016 Zivilrecht 229 gewesen sein. Dabei standen ihr Handlungsalternativen zur Verfügung, die prekäre Situation zu beenden. Sie hätte bei kurzfristiger Unterbrechung der Fahrt und Verlassen des Zuges auf einem der 30 Unterwegsbahnhöfe die Möglichkeit zum Toilettengang nutzen können. [64] Eine derartige Unterbrechung war ihr in Ansehung des erkennbaren und konkreten Risikos des öffentlichen Entleerens der Blase letztlich auch zumutbar. Weder die persönlichen Umstände der Klägerin noch die Begleitumstände der Bahnreise lassen eine Unterbrechung der Fahrt unzumutbar erscheinen. [65] Entgegen der Darstellung der Klägerin handelt es sich - gerichtsbekannt - bei den größeren an der Fahrtstrecke gelegenen Bahnhöfen nicht um „Geisterbahnhöfe“. Der Klägerin standen insofern zumindest die auch als Halt im Regionalverkehr (Regionalexpress) genutzten Bahnhöfe in Treis-Karden, Cochem, Bullay oder Wittlich zur Verfügung. Es handelt sich keineswegs um abgelegene oder verlassene Einrichtungen. Sie grenzen an die örtliche Wohnbebauung mit Gastronomie an und sind als Umsteigebahnhof oder wegen der auch zumindest regional bekannten touristischen Erschließung auch an Sonntagen nicht menschenleer. [66] Zur maßgeblichen Reisezeit war auch keineswegs - wie vorgetragen - die Dunkelheit hereingebrochen. Anfang Oktober geht die Sonne - gerichtsbekannt - erst kurz nach 19:00 Uhr unter und somit zu einem Zeitpunkt nach Ankunft der Regionalbahn bzw. der nachfolgenden Bahn in Trier (18:36 bzw. 18.46 Uhr). [67] Darüber hinaus hätte ein Ausstieg an einem der bezeichneten Bahnhöfe letztlich nur zu geringfügigen Verzögerungen der Gesamtreisedauer geführt und der Aufenthalt an einem Unterwegsbahnhof wäre kurz geblieben. Die Regionalbahn sollte um 18:36 Uhr fahrplanmäßig in Trier einfahren, der nachfolgende Regionalexpress um 18:46 Uhr.“ Folglich trifft K für die Geschehnisse am Hauptbahnhof ganz überwiegende eine eigene Mitverantwortlichkeit, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung und Gesamtabwägung zu ihren Lasten geht. Jura Intensiv IV. Ergebnis K steht damit gegen B kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 400,- € gem. §§ 280 I, 241 II BGB zu. B. Anspruch der K gegen B gem. § 823 I BGB Unabhängig von der Frage, ob die defekte Toilette eine Sorgfaltspflichtverletzung der B darstellt, steht K daher auch kein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 823 I, 253 II BGB gegen sie zu. K trifft für die Geschehnisse am Hauptbahnhof in Trier eine überwiegend eigene Mitverantwortlichkeit, welche die Haftung der B vollständig ausschließt. Aus demselben Grund scheidet daher auch der deliktische Anspruch aus § 823 I BGB aus. FAZIT Ob sich aus dem Beförderungsvertrag oder sonstigen Vorschriften eine allgemeine Verpflichtung der Bahn ergibt, ihren Kunden in Regionalbahnen durchgängig eine funktionsfähige Toilette zur Verfügung zu stellen, hat das Landgericht Trier in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. Weil das LG die Revision zugelassen hat, könnte der BGH hierüber entscheiden. Im konkreten Fall verletzte die Bahn eine Aufklärungspflicht, doch begründete dieser Pflichtverstoß - nach Meinung des LG - hier keinen Schmerzensgeldanspruch. Denn die Klägerin und Geschädigte hatte die Folgen durch eigenverantwortliches Handeln überwiegend selbst verursacht. Inhaltsverzeichnis

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