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RA Digital - 05/2017

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RA 05/2017 Referendarteil: Zivilrecht 243 II.2. Auch unter Berücksichtigung dieser aus der Verletzung der Dokumentationspflicht folgenden Beweiserleichterungen kann der Kläger hier aber nicht mit Erfolg Schadenersatzansprüche geltend machen. Grundsätzlich hat der Versicherungsmakler bei der Vermittlung einer Krankenversicherung nach bestehenden Vorerkrankungen zu fragen, den Kunden darüber aufzuklären, dass er Vorerkrankungen wahrheitsgemäß anzugeben hat und auf die Gefahren einer Falsch- bzw. fehlerhaften Beantwortung der Gesundheitsfragen hinzuweisen. Wie sich aber bereits aus dem Versicherungsantragsformular und dem insoweit unstreitigen Parteivortrag ergibt, ist die Beklagte dieser Beratungspflicht nachgekommen und waren dem Kläger durch die vorherigen Beratungen anlässlich seiner früheren Versicherungswechsel diese Umstände bekannt. Sowohl die Fragen wie die Antworten des Klägers hierauf sind schriftlich dokumentiert. Der Kläger hat das ausgefüllte Antragsformular auch unterschrieben.“ Schließlich kann der Kläger auch keine Ansprüche aus dem behaupteten fehlenden Hinweis der Beklagten auf die Praxis der C... herleiten, alle Risiken mindestens doppelt so hoch zu bewerten und bei Falschauskünften den Vertrag anzufechten. Zutreffend hieran ist, dass bei einem Versicherungswechsel erhöhte Beratungsanforderungen an den Versicherungsmakler gestellt werden, weil der Kunde typischerweise mit einer besonderen Erwartungshaltung in die Vertragsverhandlungen eintritt, sich bestehende Anwartschaften sichern und seinen Versicherungsschutz durch einen Wechsel nicht verschlechtern möchte. Einen Hinweis auf eine tatsächlich oder vermeintlich besonders strenge Anfechtungspraxis des Versicherers schuldet der Versicherungsmakler jedoch nicht. Mit dem Verweis auf den in den Antragsunterlagen enthaltenen Hinweis, die Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, ist dem Aufklärungsbedarf des Versicherungsnehmers regelmäßig Genüge getan. Weitere Auskünfte in dieser Richtung obliegen dem Makler erst dann, wenn der Versicherungsnehmer durch eine entsprechende Frage seinen gesteigerten Beratungsbedarf offenlegt. Ob der Makler zu einer Aufklärung über die Risikobewertungspraxis des Versicherers bezüglich gesundheitlicher Vorschäden verpflichtet ist, kann dahinstehen. Eine solche Beratung setzt jedenfalls voraus, dass dem Makler infolge der Angaben des Versicherungsnehmers ein erhöhtes Risiko offengelegt wird. Dies war hier jedoch nicht der Fall, weil der Kläger die konkrete und auch auf das Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung bezogene Frage der Beklagten, wovon nach dem Antragsformular und dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen ist, nicht zutreffend beantwortet hat. Ein etwaiger Verstoß hätte sich hier bei einer wahrheitsgemäßen Beantwortung der Gesundheitsfragen, zu der der Kläger verpflichtet und auf die er (s.o.) hingewiesen worden war, überdies auch nicht ausgewirkt. Der Versicherungswechsel wurde erst zum 01.01.2014 wirksam, weshalb der Kläger bei einer für ihn ungünstigen Bewertung seiner Gesundheitsrisiken die Möglichkeit gehabt hätte, von dem Wechsel abzusehen und bei der A... in seinem bisherigen Versicherungsvertrag zu verbleiben. Eine solche Pflicht kann auch nicht mit dem Hinweis des Klägers auf das Risiko von Deckungslücken begründet werden, über die der Versicherungsmakler regelmäßig beraten muss. Denn die Beklagte hat den Kläger unstreitig auf die Möglichkeit hingewiesen, erst 2013 zu entscheiden, ob der Vertrag bei Jura Intensiv Pflichten eines Versicherungsmaklers bei Krankenversicherungen im Hinblick auf die Gesundheitsfragen/ Vorerkrankungen Beratungsanforderungen bei Versicherungswechsel Prölss/Martin, VVG, § 61 VVG, Rn 28 Beratung über Umgang mit Gesundheitsrisiken setzt voraus, dass diese dem Makler offengelegt werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

244 Referendarteil: Zivilrecht RA 05/2017 der A... nicht doch weitergeführt wird. Von der Gefahr einer Deckungslücke entsprechend den von der Rechtsprechung bislang entschiedenen Fällen kann somit keine Rede sein. Die Schweigepflichtentbindung bewirkt keine Pflicht des Maklers zu Nachforschungen über den Gesundheitszustand des Versicherten. Hier folgt nun das klassische Argument in einem solchen Verfahren: „dies hätte nicht angegeben werden müssen“. Dies erscheint manchmal als Schutzbehauptung, gibt es aber in der Realität so wirklich! Achten Sie bei der Beweiswürdigung auf eine präzise Terminologie: Die vorgetragenen Tatsachen sind glaubhaft oder unglaubhaft, die Zeugen, welche die Tatsachen vortragen, sind glaubwürdig oder unglaubwürdig. Gerichte bevorzugen es, die Beweiswürdigung auf die Glaubhaftigkeit der Tatsachen zu stützen. Die Glaubhaftigkeit der Tatsachen bezieht sich immer auf die jeweilige Aussage. Tatsachen sind glaubhaft, wenn sie lebensnah, nachvollziehbar, frei von Widersprüchen und ohne Begünstigungstendenz vorgetragen werden. Gegen die Glaubhaftigkeit der Tatsachen spricht, wenn nicht plausibel erkennbar wird, warum beim Zeugen detaillierte Erinnerungen an banale Ereignisse bestehen. Dies ist nicht lebensnah. Die Beklagte war auch nicht etwa aufgrund der ihr erteilten Schweigepflichtentbindungserklärung verpflichtet, bei dem Internisten des Klägers nach dem Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung nachzufragen. Eine solche Verpflichtung bestand schon deshalb nicht, weil die Vorsorgeuntersuchung Gegenstand des Gesprächs vom 19.11.2011 gewesen ist. Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag beider Parteien hat die Beklagte den Kläger nach dem Ergebnis gefragt. In dem Fragebogen, den der Kläger unterschrieben hat, findet sich auch der Hinweis auf die Vorsorgeuntersuchung und weiterhin der Vermerk „Ohne Befund“. Die Beklagte hatte keinen Anlass, an der Auskunft des Klägers zu zweifeln, denn dass der Kläger hiervon abweichend einen Vitamin D- Mangel und die daher notwendige Medikamenteneinnahme mitgeteilt hat, konnte er nicht beweisen. Ohne Erfolg macht der Kläger weiterhin geltend, dass die Beklagte hafte, da der Kläger ihr, anders als es im Antragsformular schriftlich dokumentiert aufgeführt wird, im Beratungsgespräch den vom Arzt festgestellten Vitamin D- Mangel und die daher erforderliche Medikamenteneinnahme mitgeteilt habe, die Beklagte dies aber mit der falschen Auskunft nicht aufgenommen habe, das sei nicht anzeigepflichtig und müsse nicht angegeben werden. Die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gem. § 280 I BGB wegen einer falschen mündlichen Auskunft sind vom Kläger nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen. Diesen Beweis hat er nicht geführt. Die vom Kläger benannte Zeugin N. ist weder glaubwürdig noch ist ihre Aussage glaubhaft. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin ist dabei nicht entscheidend auf das Näheverhältnis der Zeugin abzustellen, es handelt sich vorliegend um die Lebensgefährtin des Klägers, sondern vielmehr auf den Gesamteindruck, den das Gericht von der Zeugin im Verlauf ihrer Zeugenaussage gewonnen hat. Insbesondere der Umstand, dass sie einerseits mit ihrem Lebensgefährten über das Beweisthema, andererseits aber nicht über Details gesprochen haben will, spricht demnach entscheidend gegen ihre Glaubwürdigkeit. Hier drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass dies so nicht gewesen sein kann. Jura Intensiv Die Aussage ist nach Ansicht des Gerichts auch nicht glaubhaft, da das Telefonat 3 1/2 Jahre zurücklag, die Zeugin auf das Telefonat nicht vorbereitet war, nur den Kläger hören konnte, durch die Essenszubereitung im Küchenbereich abgelenkt war, während das Telefonat im Wohnzimmerbereich stattfand. Es erscheint dem Gericht äußerst unwahrscheinlich, dass sich die Zeugin mehrere Jahre nach einem für sie unwichtigen Gespräch, das sie nur am Rande verfolgt haben kann, so gut erinnert, ohne dass besondere Gründe für die Detailtreue der Erinnerung bestehen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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