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RA Digital - 05/2017

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RA 05/2017 Öffentliches Recht 255 [143] Dennoch liegt hierin keine Inkonsequenz in Bezug auf das von den Gesetzgebern verfolgte Ziel der Bekämpfung der Glücksspielsucht, da der Betrieb der Spielbanken und die Erlaubnis zur Aufstellung von Spielautomaten in eigener Weise an den in § 1 GlüStV benannten Zielen, insbesondere der Bekämpfung der Glücksspielsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und der Begrenzung und Kanalisierung des Spieltriebs (§ 1 Nr. 2 GlüStV), ausgerichtet sind. Für Spielbanken sind umfangreiche Spielerschutzvorschriften vorgesehen. […] [144] Im Hinblick auf den Angebotsumfang der Spielbanken ist überdies gesetzlich geregelt, dass dieser sich nicht an fiskalischen Interessen orientieren darf, sondern gemäß § 2 Abs. 2 GlüStV an die Ziele des § 1 GlüStV gebunden ist. Dementsprechend sieht § 20 Abs. 1 GlüStV zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV eine Begrenzung der Anzahl der Spielbanken in den Ländern vor. […] So ist das Spiel in Spielbanken aufgrund der begrenzten Zahl der Standorte […] aus dem Alltag herausgehoben, während das Spiel in Spielhallen schon aufgrund der großen Verfügbarkeit und der wesentlich zahlreicheren Standorte Bestandteil des alltäglichen Lebens ist. […] Nach den vorliegenden Untersuchungen fällt die vom kleinen Spiel an Spielautomaten in Spielbanken ausgehende Suchtproblematik sehr viel geringer aus als beim Spiel an Geldspielgeräten in Spielhallen.“ Somit liegt kein Verstoß gegen das Kohärenzgebot vor. bb) Verhältnismäßigkeitsprinzip Die umstrittenen Vorschriften könnten aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzen. (1) Verbundverbot und Abstandsgebot Verbundverbot und Abstandsgebot dienen generell der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und verfolgen damit legitime Ziele. „[134] Näher wird das Verbundverbot damit begründet, dass Mehrfachspielhallen aufgrund des gesteigerten Angebots an Geldspielgeräten in engem räumlichen Verbund ein wesentliches Element zur Steigerung der Spielsucht darstellten und durch sie ein „Las-Vegas-Effekt“ eintrete, der erhebliche Anreize für ein nicht mehr bewusst gesteuertes Weiterspielen biete. […] Jura Intensiv [135] Zweck des Abstandsgebots zu anderen Spielhallen ist die Herbeiführung einer Begrenzung der Spielhallendichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen. Damit soll das Abstandsgebot […] [dazu] beitragen, dass ein Spieler auf dem Weg von einer Spielhalle zur nächsten „auf andere Gedanken“ kommt. […] [136] Die […] Regelung zum Abstand zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche dient der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht. […] üben gerade Spielhallen einen „Reiz des Verbotenen“ aus, der insbesondere auf Kinder und Jugendliche anziehend wirkt. [139] Gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche durfte der Gesetzgeber suchtpräventive Maßnahmen aufgrund ihrer höheren Beeindruckbarkeit für besonders dringlich halten, da der Anteil junger Spieler in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist und die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen diejenige mit dem größten Spieleranteil an Geldspielgeräten darstellt.“ Aber: Auch staatliche Spielbanken unterliegen gesetzlichen Beschränkungen Finanzielle Interessen des Staates bestimmen nicht das Spielangebot in den Spielbanken. Begrenzung der Anzahl der Spielbanken Geringere Suchtproblematik in Spielbanken Legitimer Zweck Verbundverbot: „Las-Vegas-Effekt“ Abstandsgebot: Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen Leichte Beeinflussbarkeit von Kindern und Jugendlichen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

256 Öffentliches Recht RA 05/2017 Geeignetheit = Zweckförderlichkeit Erforderlichkeit Inhaltliche Prüfung der 3-Stufen- Theorie Alternativlösung „Spielerkarte“? Nicht gleich geeignet Alternativlösung Zutrittsverbot für Minderjährige? Verhindert nicht den Werbeeffekt Angemessenheit Inhaltliche Prüfung der 3-Stufen- Theorie Prüfung der Eingriffsintensität Erhebliche Eingriffsintensität, da evtl. der Beruf aufgegeben werden muss. Da Verbundverbot und Abstandsgebot die Realisierung der gesetzlichen Ziele zumindest fördern, sind sie geeignet. Erforderlich ist eine Vorschrift, wenn es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt, um die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Die Drei-Stufen-Theorie verlangt in diesem Zusammenhang die Prüfung, ob das verfolgte Ziel durch einen Eingriff auf einer niedrigeren Stufe erreicht werden kann bzw. - wenn dies nicht möglich ist - ob auf derselben Stufe ein milderes Mittel zu Verfügung steht. „[153] Insbesondere stellen rein spieler- oder gerätebezogene Maßnahmen wie die [..] Spielerkarte kein gleich wirksames Mittel zur Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht dar. Die Länder durften insofern die Einschätzung der Suchtforschung und -beratungspraxis zugrunde legen, dass die Einschränkung des Angebots und die Reduzierung des Gesamtumsatzes bei Spielhallen aus suchtpräventiver Sicht ein vorzugswürdiges Mittel darstellen. […] [154] […] Zutrittsverbot für Minderjährige […] stellt kein gleichermaßen wirksames Mittel wie das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen dar, da der Werbe- und Gewöhnungseffekt dadurch nicht vermieden wird.“ Verbundverbot und Abstandsgebot sind demnach erforderlich. Sie müssen aber auch noch angemessen sein. Angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Norm, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs steht. Mit Blick auf die Drei-Stufen-Theorie bedeutet dies, dass die Rechtfertigungsanforderungen steigen, je höher die Eingriffsstufe ist. Um - wie hier - einen Eingriff in Gestalt einer objektiven Berufszugangsvoraussetzung rechtfertigen zu können, muss er zwecks Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten sein. Jura Intensiv „[156] Durch das Verbundverbot entfallen die Möglichkeit, größere Kapazitäten an Spielmöglichkeiten oder eine größere Vielfalt an Geräten vorzuhalten, und die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile. Ähnliche Belastungswirkungen ergeben sich durch die Abstandsgebote, denen […] nur begrenzt ausgewichen werden kann. Die Regelungen haben - gerade im Zusammenwirken mit bauplanungsrechtlichen Beschränkungen - eine deutliche Reduzierung der möglichen Spielhallenstandorte zur Folge. Eine kumulative Belastung entsteht insbesondere durch die gleichzeitige Geltung von Gerätehöchstzahlen je Spielhalle. Zusätzlich belastend wirken sich daneben weitere Neuregelungen aus (vgl. […] den Sachkundenachweis […], die Verlängerung der täglichen Sperrzeit […]). […] [157] Die Gesamtbelastung lässt es möglich erscheinen, dass nicht nur in Einzelfällen Spielhallenbetreiber ihren Beruf aufgeben müssen, zumal die Zahl der attraktiven Standorte durch das Abstandsgebot stark beschränkt wird. […] Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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