RA 05/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 263 Der Kläger hat in seinen Schriftsätzen in beiden Klageverfahren verschiedene Anträge formuliert. In einem Erörterungstermin vom 19.10.2016 sind zwei Feststellungsanträge protokolliert worden. Nachfolgend hat der Kläger in einem Schriftsatz vom 18.01.2017 einen weiteren Antrag und schließlich mit Schriftsatz vom 30.01.2017 folgende Feststellungsanträge angekündigt: Für das Verfahren 6 A 227/16: 1. Es wird beantragt, festzustellen, dass der ruhende Fahrradverkehr (Parken, Abstellen) vor dem Grundstück A-Straße in der straßenrechtlich gewidmeten Fußgängerzone ohne Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig ist; 2. In einer gewidmeten Fußgängerzone vor dem Grundstück A-Straße rechtswidrig abgestellte Fahrräder können vor den zuständigen Behörden regelmäßig aus der Fußgängerzone entfernt werden. Für das Verfahren 6 A 290/17: 1. Es wird beantragt, festzustellen, dass regelmäßig vor dem Grundstück A-Straße im öffentlichen Verkehrsraum stehende, mit plakativer Werbegrafik versehene Fahrzeuge rechtswidrig dort abgestellt oder geparkt sind, soweit sie ohne erkennbaren Verkehrszweck und ohne die für den Fall erforderliche Sondernutzungserlaubnis ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke der Werbung dort abgestellt sind; 2. Im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Haus A-Straße ohne die erforderliche Sondernutzungsgenehmigung rechtswidrig abgestellte Werbefahrzeuge können von den zuständigen Behörden regelmäßig aus dem dortigen Verkehrsraum entfernt werden. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Anregung des Gerichts (siehe § 86 Abs. 3 VwGO) beantragt festzustellen, dass das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Fußgängerzone rechtswidrig ist. Hinsichtlich der Anträge zu 1. zu 6 A 290/17 sowie jeweils zu 2. zu beiden Verfahren hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung könne der Klage nicht stattgegeben werden. Das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Braunschweiger Fußgängerzone sei nicht per se rechtswidrig. Im Rahmen der Widmung könne der Verkehr in Fußgängerbereichen zwar grundsätzlich beschränkt werden, positiv für bestimmte Benutzungsarten wie zum Beispiel den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Fahrrädern oder zu Fuß, oder negativ durch den Ausschluss bestimmter Benutzungsarten. Das Abstellen von Fahrrädern stelle jedoch weder eine Benutzungsart noch einen Benutzungszweck dar. [...] Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer in Fußgängerbereichen regele die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO zu § 1 Abs. 1 StVO regele und lenke die StVO den öffentlichen Verkehr. Damit regele sie auch den Fahrradverkehr, was sich aus der ausdrücklichen Erwähnung von Fahrrädern und Radfahrern in einer Reihe von Vorschriften ergebe. Straßenverkehrsrechtlich dürften Fahrräder in Fußgängerzonen jedoch grundsätzlich abgestellt werden. [...] Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sei das Abstellen von Fahrrädern in der Fußgängerzone kein widmungswidriger ruhender Fahrzeugverkehr. [...] Auch das Abstellen von Fahrrädern, Kraftfahrzeugen und Anhängern Jura Intensiv Die Darstellung der Anträge war aufgrund der zahlreichen Anträge sowie der Verbindung der beiden Verfahren kompliziert. Um Fehler durch Verkürzungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, Schritt für Schritt vorzugehen und die Anträge – wie hier – wörtlich wiederzugeben. Der Hinweis auf § 86 III VwGO ist falsch, da in den Tatbestand keine Rechtsausführungen gehören. Zudem erneut falsche Zeitform (der endgültige Klageantrag ist im Indikativ Präsens darzustellen: „beantragt der Kläger ...“). Teilklagerücknahme: Prozessgeschichte, daher Indikativ Perfekt Antrag der Beklagten: Indikativ Präsens Vorbringen: Konjunktiv Präsens © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
264 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 05/2017 mit Werbung im öffentlichen Straßenraum sei nicht automatisch straßenrechtswidrig. Hier müsse im Einzelfall geprüft werden. Diene ein Fahrzeug in erster Linie der Fortbewegung bzw. ein Anhänger in erster Linie Transportzwecken, sei das Abstellen straßenrechtlich zulässig. Sobald jedoch die Reklame den alleinigen oder auch nur den überwiegenden Zweck bilde, falle das Abstellen nicht mehr unter den Gemeingebrauch. Dann handele es sich um eine unerlaubte Sondernutzung, gegen die mit verhältnismäßigen Mitteln vorgegangen werde. Dies habe die Beklagte in der Vergangenheit auch wiederholt getan, wenn sie habe feststellen können, dass die Reklame überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlicher Zweck gewesen sei. [...]“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Prozessvorspann: Teilklagerücknahme: Beschluss (vgl. § 92 III 1 VwGO) geht im Urteil auf. Ergebnissatz zu aufrechterhaltenem Klageantrag Zulässigkeit der Feststellungsklage Feststellungsinteresse Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn 23 Subsidiaritätsgrundsatz Die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage wäre in der Klausur eingehender zu prüfen, zumal hier auch eine a.A. gut vertretbar gewesen wäre. In der Klausur sollten im Rahmen der Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht nur Ausführungen zu Feststellungsinteresse und Subsidiaritätsgrundsatz, sondern auch zur Klagebefugnis erfolgen. Diese erscheint hier nämlich ebenfalls fraglich. „Soweit der Kläger die Klage hinsichtlich der die Werbefahrzeuge und die Entfernung betreffenden Anträge zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellungsantrags hat die Klage keinen Erfolg. Die Feststellungsklage ist zulässig. Dem Kläger steht ein Feststellungsinteresse zur Seite. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. § 43 VwGO verlangt anders als § 256 ZPO nicht ein rechtliches, sondern nur ein berechtigtes Interesse, das jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art einschließt. Die von dem Kläger vorgetragene mögliche Beeinträchtigung seiner geschäftlichen Belange als Miteigentümer der Gewerbeimmobilie Sch.-straße 42/43 genügen den Anforderungen an ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die Klage scheitert auch nicht an dem Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Durch eine Gestaltungsoder Leistungsklage kann der Kläger seine Rechte nicht in der gleichen Weise verfolgen. Jura Intensiv Eine Verpflichtungsklage auf Tätigwerden in den Fällen, die der Kläger beanstandet, kann nicht aussichtsreich erhoben werden. Dafür ist die Verweildauer der Fahrzeuge zu kurz, so dass der Kläger auf den einstweiligen Rechtsschutz verwiesen werden müsste. Der Kläger wird als Anlieger auch nicht selbst Adressat belastender Maßnahmen der Beklagten. Ihm bleibt nur die Feststellungsklage, um sein Rechtsschutzziel effektiv zu verfolgen. Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Abstellen von Fahrrädern vor dem Grundstück A-Straße in der Fußgängerzone rechtswidrig ist. In Abgrenzung zu den weiteren ursprünglich von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen, die u. a. Werbefahrzeugen betreffen, geht es insofern allein darum, ob die Rechtsordnung Passanten verbietet, Fahrräder in dem Fußgängerbereich der Braunschweiger Innenstadt abzustellen. Das ist nicht der Fall. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
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