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RA Digital - 05/2017

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RA 05/2017 ZIVILRECHT Zivilrecht 225 Problem: Kein Fristversäumnis bei unterlassener Hinweispflicht durch den Reiseveranstalter Einordnung: Reiserecht BGH, Urteil vom 21.02.2017 X ZR 49/16 EINLEITUNG § 651d I BGB gewährt dem Reisenden bei Vorliegen eines Reisemangels entsprechend § 638 BGB verschuldensunabhängig eine Herabsetzung des Reisepreises. Aufgrund der Besonderheiten des Reiserechts tritt die Minderung kraft Gesetzes ein. § 651d II BGB setzt allerdings voraus, dass der Reisende es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Mangel anzuzeigen. Ob ein Verschulden des Reisenden entfällt, wenn der Reiseveranstalter den ihm obliegenden Hinweis auf die Anzeigepflicht (vgl. § 6 II Nr. 7 BGB-InfoV) unterlassen hat, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung des BGH. SACHVERHALT Der Kläger (K) bucht am 15.01.2014 bei der beklagten Reiseveranstalterin (B) für sich, seine Ehefrau sowie ihre zwei Kinder vom 30.07. bis zum 13.08.2014 eine Reise in die Türkei zum Preis von 4.022 €. Die an K übermittelte zweiseitige Reisebestätigung enthält in der Fußzeile jeder Seite folgenden Text: „Die Reisebedingungen wurden anerkannt und sind Vertragsinhalt. Wegen der Obliegenheiten der Kunden bei Leistungsmängeln wird auf Ziff. 12 und 14 der Reisebedingungen hingewiesen.“ Die Schriftgröße ist deutlich kleiner gewählt als im übrigen Vertragstext. Unmittelbar im Anschluss hieran sind in gleicher Schrifttype und -größe zudem die Adresse der B, die Kontaktdaten des Kundenservice und der Reisebüro- Hotline abgedruckt. Am Urlaubsort werden die Reisenden nicht wie gebucht in einem von B als „Familienzimmer im Wohngebäude mit separatem Schlafzimmer (teilweise mit Schlafsofa)“ beschriebenen Zimmer, sondern in einem mit einem Doppelbett, einem Einzelbett und einem ausziehbaren Sessel ausgestatteten Zimmer ohne Trenntür zwischen den Schlafbereichen untergebracht. Am 09.08.2014 beanstanden die Reisenden gegenüber der Reiseleitung die Ausstattung des ihnen zugewiesenen Zimmers, Schimmelbefall im Badezimmer sowie abgelöste Fliesen im Pool. Am 10.08.2014 können sie in ein Familienzimmer umziehen. Auf die von K mit Schreiben vom 17.08.2014 und 04.09.2014 verlangte Minderung des Reisepreises, zahlt B einen Betrag i.H.v. 500,- €, den K als Teilzahlung auf den geltend gemachten Anspruch akzeptiert. Darüber hinaus macht er wegen der nicht vertragsgerechten Ausstattung des ersten Zimmers und des Zustandes des dazu gehörenden Badezimmers sowie wegen Mängeln an der Hotelanlage eine weitere – der Höhe nach angemessene – Minderung des Reisepreises i.H.v. 1.080 € geltend. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSÄTZE Hat der Reiseveranstalter den Reisenden nicht ordnungsgemäß auf seine Obliegenheit hingewiesen, ihm einen Reisemangel anzuzeigen, wird vermutet, dass der Reisende die Mangelanzeige nicht schuldhaft versäumt hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 12.06.2017, Az. X ZR 87/06, NJW 2007, 2549). Anmerkung: Auf § 6 BGB-InfoV wird hingewiesen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

226 Zivilrecht RA 05/2017 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Rückzahlung von 1.080 € gem. § 651d I 2 BGB i.V.m. §§ 638 IV, 346 I BGB I. Reisevertrag gem. § 651a BGB II. Reisemangel gem. § 651c I BGB III. Kein Ausschluss d. Minderung, § 651d II BGB IV. Bemessung des Minderungsbetrags B. Ergebnis LÖSUNG Beim Reisevertrag muss die Minderung nicht erklärt werden, denn der Reisepreis mindert sich kraft Gesetz.Voraussetzungen für die Minderung des Reisepreises Beim Reisevertrag verpflichtet sich der Schuldner, eine Gesamtheit von Reiseleistungen zu erbringen, z.B. Hin- und Rückflug sowie Beherbergung im Hotel. Definition des Reisemangels gem. § 651c I BGB Möglicherweise erfolgte die Anzeige des Reisemangels am 09.08.2014 schuldhaft zu spät. A. K gegen B auf Rückzahlung von 1.080 € gem. § 651d I 2 BGB i.V.m. §§ 638 IV, 346 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 1.080 € aus § 651d I 2 BGB i.V.m. §§ 638 IV, 346 I BGB haben. „II.1. Nach § 651c I BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ist die Reise i.d.S. mangelhaft, mindert sich gem. § 651d I BGB für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 III BGB.“ I. Reisevertrag gem. § 651a BGB K und B schlossen am 15.01.2014 einen Pauschalreisevertrag gem. § 651a I BGB für eine zweiwöchige Reise vom 30.07.2014 bis zum 13.08.2014 in die Türkei. II. Reisemangel gem. § 651c I BGB Weiterhin müsste ein Reisemangel i.S.d. § 651c I BGB vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die tatsächlich erbrachten Reiseleistungen von den vertraglich zu erbringenden Leistungen abweichen. Eine solche Abweichung liegt vor, wenn die Reiseleistungen ganz oder teilweise nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht werden. Jura Intensiv „II.1. Das den Reisenden zunächst zur Verfügung gestellte Zimmer weist nicht die nach dem Vertrag zugesagte Ausstattung auf, das Badezimmer der beiden von den Reisenden bewohnten Zimmer ist von Schimmel befallen und die abgelösten Fliesen im Pool konnten zu Schnittverletzungen führen. Darin liegt ein Reisemangel.“ III. Kein Ausschluss der Minderung gem. § 651d II BGB Schließlich dürfte die Minderung vorliegend nicht ausgeschlossen sein. Gem. § 651 II BGB tritt die Minderung des Reisepreises nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen. Vorliegend zeigte K die seit Reisebeginn bestehenden Mängel der Reiseleitung erst am 09.08.2014 an und bezog daraufhin am 10.08.2014 ein Familienzimmer. Zu prüfen ist, ob K für den vorherigen Zeitraum eine Minderung des Reisepreises verlangen kann. „II.2.a) Nach der Rspr. des BGH wird, wenn der Reiseveranstalter seine Pflicht zum Hinweis auf die in § 651g I BGB normierte Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Reisevertrag nicht erfüllt hat, widerleglich vermutet, dass die Fristversäumung des Reisenden entschuldigt ist.“ Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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