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RA Digital - 05/2018

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238 Zivilrecht

238 Zivilrecht RA 05/2018 B hatte sich für „Sofort kaufen“ zum festgelegten Preis entschieden. Deshalb darf hier auf die üblichen Probleme des Vertragsschlusses bei der Internetauktion nicht eingegangen werden. I. Anspruch entstanden Durch die Abgabe des Gebotes im Wege des Sofortkaufs der bei eBay durchgeführten Internetauktion ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen - Angebot und Annahme – gem. §§ 145, 147 BGB über den Flügel unter Vereinbarung der Gegenleistung von 2.300 € zustande gekommen. „II.1.1 Der Kaufvertrag ist nicht wirksam von B angefochten worden. Zwar hat B in der E-Mail vom 24.02.2016 mitgeteilt, er habe sich getäuscht und trete vom Kauf zurück, darin ist jedoch mangels Darlegung eines Anfechtungsgrundes gem. §§ 119 ff. BGB keine wirksamer Anfechtung zu sehen.“ K steht daher gegen B ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises i.H.v. 1.500 € gem. § 433 II BGB zu. Mangels Rechtsmangels und wirksamer Fristsetzung scheidet ein Rücktritt vorliegend aus. Das Gericht meint eine leistungsbezogene Nebenpflicht und keine Rücksichtspflicht i.S.d. § 241 II BGB. Gem. § 326 II 1 BGB behält K grds. seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung. Anders ist es, wenn er es gem. § 326 II 2 BGB unterlassen hat, den Flügel im Wege eines adäquaten Ersatzkaufs weiter zu veräußern. II. Anspruch erloschen Der Anspruch darf nicht erloschen sein. 1. Wirksamer Rücktritt B könnte wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sein. Dies setzt voraus, dass B ein Rücktrittsrecht zustand. „1.2 Mangels Vorliegens eines Sachmangels sind weder die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB noch die Voraussetzungen eines Rücktritts wegen Verletzung vertraglicher Pflichten durch K gem. §§ 324, 241 BGB bzw. § 323 I BGB gegeben. So hat B vorliegend nicht substantiiert dargelegt, in welcher Form der K etwaige vertragliche Nebenpflichten dadurch verletzt haben sollte, dass er Maße und Gewicht des Flügels nicht mitgeteilt hat. Zwar mag eine solche vertragliche Nebenpflicht bestehen, jedoch wäre Voraussetzung eines Rücktrittsrechts gem. § 323 BGB, dass B dem K diesbezüglich eine Frist gesetzt hätte. Dies ist vorliegend nicht erfolgt und wird von B auch nicht behauptet.“ Jura Intensiv 2. Entfallen der Leistungspflicht gem. § 326 I BGB Die Leistungspflicht des B könnte gem. § 326 I BGB entfallen sein, nachdem dem K die Übergabe des Flügels am 03.03.2016 durch Weiterveräußerung an Z gem. § 275 I BGB unmöglich geworden ist. „II.3. Zwar behält der Verkäufer gem. § 326 II 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Käufer als Gläubiger das Leistungshindernis weit überwiegend zu vertreten hat, jedoch muss sich K vorliegend gem. § 326 II 2 BGB in vollem Umfang anrechnen lassen, dass er es böswillig unterlassen hat, den Flügel im Wege eines adäquaten Ersatzverkaufs weiter zu veräußern. Dabei erfordert böswilliges Unterlassen keine Schädigungsabsicht, es genügt, dass der Schuldner eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit kennt und vorsätzlich auslässt. II.3.1. Der Schuldner, der nach § 275 von einer synallagmatischen Leistungspflicht frei wird, behält den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger das Leistungshindernis weit überwiegend zu vertreten hat. Vorliegend hat B sich per E-Mail vom 24.2.2016 unberechtigt vom Vertrag zu einem Zeitpunkt losgesagt, in dem die Erfüllung des Kaufvertrages dem K noch möglich gewesen wäre, sodass diese unberechtigte Abkehr vom Vertrag die Verantwortlichkeit des Käufers i.S.d. § 326 II 1 BGB begründet. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2018 Zivilrecht 239 II.3.2. Im Hinblick auf den bestehenden Kaufpreisanspruch muss K sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er gem. § 326 III 2 BGB infolge Befreiung von der Leistung zu erwerben böswillig unterlässt, wobei ausreichend ist, dass der Schuldner eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit kennt und vorsätzlich auslässt. Die Anwendung dieses Grundsatzes führt zu einem vollständigen Entfallen des Kaufpreisanspruches: II.3.2. a) Vorliegend hat K bei der Veräußerung des Flügels zu einem Kaufpreis von lediglich 800,- € an den Z schon einen anderen Verkaufsweg gewählt. So muss sich der Verkäufer bei der Durchführung eines Deckungsverkaufs nach Möglichkeit an den Bedingungen des gescheiterten Geschäfts orientieren. K hat sich trotz Zumutbarkeit vorliegend nicht des ursprünglichen Veräußerungsweges über die Verkaufsplattform eBay, die die Möglichkeit einer deutschlandweiten Reichweite des Kaufangebotes bietet, bedient, sondern hat das zufällig an ihn durch den Z herangetragene Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages weit unter dem ursprünglich erzielten Kaufpreis umgehend angenommen. Gerade bei einem nicht alltäglichen und großen Gegenstand wie einem Flügel erhöht eine große Reichweite des Verkaufsangebotes die Verkaufschancen. Dieser Chance hat K sich bewusst begeben, indem er quasi das erstbeste Angebot für den Deckungsverkauf angenommen hat. II.3.2. b) K hat keinerlei Anstrengungen unternommen, einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Dass ihm dies jedoch möglich gewesen wäre, ergibt sich aus Folgendem: Der streitgegenständliche Flügel wurde innerhalb von zwölf Tagen zwei mal über die Internetplattform eBay zum Verkauf angeboten und beide Male konnte ein Kaufpreis von 2.300 € erzielt werden. Daraus ergibt sich zum einen, dass es möglich war, den Flügel zeitnah zu einem solchen Preis zu veräußern. Darüber hinaus hat dies auch Indizwert hinsichtlich des Marktwertes des Flügels. Denn offensichtlich waren zwei Käufer innerhalb weniger Tage bereit, einen Kaufpreis i.H.v. 2.300 € für den angebotenen Flügel zu leisten. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum K gehalten gewesen wäre, den offensichtlich unter Wert erfolgten Deckungsverkauf an Z am 03.03.2016 zu tätigen, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen, den Flügel über den ursprünglichen Veräußerungsweg anzubieten. II.3.2. c) Bei lebensnaher Betrachtung spricht auch nichts dafür, dass K im Falle eines Verkaufs ohne die Möglichkeit der Schadloshaltung beim ursprünglichen Käufer den Flügel am 03.03.2016 an den Z zu einem Kaufpreis von 800,- € veräußert hätte. Vielmehr ist in diesem Fall davon auszugehen, dass der Kläger den Versuch unternommen hätte, erneut einen bestmöglichen Preis unter Benutzung der deutschlandweiten Internetverkaufsplattform eBay zu erzielen.“ Jura Intensiv Das Gericht meint natürlich § 326 II 2 BGB, nicht Absatz 3. K darf nicht das erstbeste Angebot annehmen. Die größere Reichweite einer deutschlandweiten Versteigerung hätte die Verkaufschancen erhöht. Innerhalb von zwölf Tagen wurden zwei weitere Flügel derselben Art für 2.300 € veräußert. Dies spricht dafür, dass es sich um den Marktwert des streitgegenständlichen Flügels gehandelt hat. K hat nicht einmal versucht, den Flügel über eBay zu verkaufen. K hat nach mithin bei dem Deckungsverkauf i.S.d. § 326 II 2 BGB „böswillig“ eine erfolgsversprechende Verkaufsform unterlassen und stattdessen das zufällig an ihn herangetragene, weit unter dem bislang erzielten Kaufpreis liegende Angebot des Z angenommen, sodass er den ihm dadurch entstandenen Schaden i.H.v. 1.500 € Kaufpreisdifferenz in vollem Umfang selbst zu tragen hat. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises i.H.v. 1.500 € gem. § 433 II BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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