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RA Digital - 05/2018

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232 Zivilrecht

232 Zivilrecht RA 05/2018 Umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien: Einen Ausgleich für die lange Bindung und die damit verbundene Einschränkung der Dispositionsfreiheit konnte das Gericht nicht feststellen. Keine Darlegung, warum 6 Jahre Bindung nötig waren B hatte die sekundäre Darlegungslast, weil K keinen Einblick in die Kalkulationsgrundlagen hatte. Dieser genügte B allerdings nicht. Gem. § 307 I BGB war die Klausel unwirksam. Gem. § 306 I, II BGB muss deshalb auf die gesetzlichen Regeln abgestellt werden. An dieser Stelle wird die Natur des Vertrages – Miet- oder Dienstvertrag relevant. B hat gem. §§ 306 I, II, 620 II, 621 Nr. 3 BGB wirksam zum Ende des Monats Juli 2015 gekündigt gegenseitigen Rechte und Pflichten. Zu prüfen ist, ob die Vertragsdauer im Allgemeinen eine billige Regelung darstellt oder ob sie das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten zu Lasten des Vertragsgegners in treuwidriger Weise verschiebt. II.2.b) bb) (2) (a) Auf Seiten des B hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Vertragskunden durch eine Laufzeit von sechs Jahren erheblich eingeschränkt wird und dies insbesondere im Falle einer erforderlich werdenden kurzfristigen Geschäftsaufgabe mit schwerwiegenden Nachteilen für ihn verbunden ist. Es hat ferner darauf hingewiesen, dass der Fernüberwachungsvertrag keine Regelungen enthalten, die einen angemessenen Ausgleich für die lange vertragliche Bindung darstellen könnte, wie etwa günstigere (Preis-) Konditionen oder besondere außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten. II.2.b) bb) (2) (b) Auf Seiten der K hat das Berufungsgericht bemängelt, dass nicht dargelegt worden sei, dass die lange Vertragslaufzeit von 72 Monaten erforderlich sei, um als Anbieter von Fernüberwachung der in Rede stehenden Art wirtschaftlich arbeiten zu können. Insbesondere habe K ihre Kalkulation nicht - hinreichend - offen gelegt. Auch dies lässt jedenfalls im Ergebnis einen Rechtsfehler nicht erkennen. II.2.b) bb) (2) (b) (aa) Zwar trägt im Individualrechtsstreit der Vertragspartner des Verwenders, hier also B, der sich auf die Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 I 1 BGB beruft, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung. Da dem Vertragspartner jedoch regelmäßig der Einblick in die Kalkulationsgrundlagen des Verwenders fehlt und ihm deshalb der Vergleich mit den maßgeblichen typischen Verhältnissen am Markt erschwert ist, ist es Angelegenheit des Verwenders, die sein Angebot bestimmenden Daten offenzulegen und ihre Marktkonformität darzustellen.“ Dieser sekundären Darlegungslast hat K nicht genügt. K kann sich daher gem. § 307 I 1 BGB nicht auf die vereinbarte Vertragslaufzeit von 72 Monaten berufen. Gem. § 306 I, II BGB finden die Regelungen in § 620 II, 621 Nr. 3 BGB Anwendung. Danach ist die Kündigung, wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist, spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats zulässig. B hat den Fernüberwachungsvertrag damit am 09.07.2015 wirksam zum Ende des Monats Juli 2015 gekündigt. Jura Intensiv B. Ergebnis K kann daher von B gem. § 611 I BGB nur die für den Monat Juli 2015 noch offene Vergütung verlangen. FAZIT Bei gemischten Verträgen kommt es darauf an, in welchem Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Maßgeblich ist dabei seine inhaltliche Ausgestaltung. Unter Bezugnahme darauf stellt der BGH klar, dass Fernüberwachungsverträge mit der Lieferung, Installation und Instandsetzung der Überwachungsgeräte zwar auch Elemente der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung enthalten. Dieser mietvertragliche Aspekt tritt jedoch hinter das dienstvertragliche Element der eigentlichen Überwachung der Geschäftsräume des Kunden zurück. Dies hat zur Folge, dass Fernüberwachungsverträge insgesamt dem Dienstvertragsrecht zu unterstellen sind. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2018 Zivilrecht 233 Problem: Abwehranspruch gegen Vogelkot von einer Hochspannungsleitung Einordnung: Unterlassungsanspruch OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.03.2018 12 U 165/17 EINLEITUNG Für den Unterlassungsanspruch gem. § 1004 I 2 BGB ist nach dem Gesetzeswortlaut die „Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen“ materielle Voraussetzung. Es muss in der Vergangenheit zu einer Beeinträchtigung gekommen sein, die auch in Zukunft droht. Dabei hat der Störer die Wahl, auf welche Weise er die Beeinträchtigung beendet. Die Vornahme einer bestimmten Handlung, um eine vorliegende Zustandsstörung für die Zukunft zu unterlassen, kann nicht verlangt werden. Anders verhält es sich jedoch ausnahmsweise, wenn tatsächlich oder praktisch nur eine bestimmte Abhilfemaßnahme die künftigen Beeinträchtigungen der gleichen Art verhindern kann. Vor diesem Hintergrund stellte sich vorliegend die Frage, ob der Kläger von der beklagten Betreiberin eines Hochspannungsnetzes die Errichtung eines Carports zur Abwehr von Vogelkot verlangen kann. Dabei galt es zudem die besonderen Vorschriften zu den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gem. §§ 1090 ff. BGB zu berücksichtigen. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Die Beklagte (B) betreibt das Höchstspannungsnetz in Baden-Württemberg. K führt seit zwei Jahren auf seinem Grundstück einen Betrieb zur Entwicklung und Fertigung von Segelflugzeugen und Motorseglern. Über das Grundstück verlaufen zwei von B betriebene Hochspannungsleitungen (380-Kilovolt- Leitung) mit einem dazugehörigen Strommast. Zu Lasten des Grundstücks der K ist in Abteilung II des Grundbuchs eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wegen Duldung und Unterhaltung von Stromversorgungskabeln sowie Telekommunikationskabeln für die B aufgrund Bewilligung vom 27.03.1996 eingetragen. Auf den beiden Hochspannungsleitungen, dem Strommast und dem Erdkabel lassen sich regelmäßig eine Vielzahl von Vögeln (mehrere hundert) je nach Jahreszeit nieder. Vor allem die Höhe des Strommastes begünstigt das Verhalten der Vögel. Der von ihnen ausgeschiedene Vogelkot fällt zwangsläufig auf das darunter befindliche Betriebsgelände der K und führt zu einer Verschmutzung der sich darauf befindenden Segelflugzeuge, Anhänger, Pkws, Parkbänke, des Hausdachs sowie weiterer Gegenstände. Die Vögel scheiden dabei unter anderem rote Beeren aus, einer extrem aggressiven Substanz, die die weißen Anhänger verfärbt und teilweise auch den Lack der Autos angreift. Bisher versuchte Vergrämungsmaßnahmen der B blieben erfolglos. K ist der Auffassung, dass sie durch den Vogelkot erheblich in der Ausübung ihres Eigentumsrechts beeinträchtigt werde. Allein die Reinigung der Flugzeuge koste sie im Jahr rund 12.000 €. Eine Ausweichmöglichkeit zum Abstellen der Segelflugzeuge, Anhänger und Pkw stehe ihr nicht zur Verfügung, da die Hochspannungsleitungen über dem gesamten Gelände verlaufen. K verlangt daher von B mithilfe der Errichtung eines Carports (Kosten: 150.000 €) zu verhindern, dass Vogelkot von den auf den Stromleitungen, dem Strommast und den sonstigen Leitungen sitzenden Vögeln herabfällt und das Grundstück Jura Intensiv LEITSATZ 1. Der Interessenkonflikt zwischen dem Berechtigten einer Dienstbarkeit zur Errichtung und Unterhaltung einer überirdischen Hochspannungsleitung und dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ist in §§ 1020 ff. BGB geregelt. Bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der Schonungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten sind im Einzelfall die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen. 2. Hier: Trotz erheblicher Beeinträchtigungen durch Vogelkot und Erfolglosigkeit von bisher versuchten Vergrämungsmaßnahmen ist der Dienstbarkeitsberechtigte nicht zur Vornahme einer kostenträchtigen Schutzmaßnahme in Form einer Überdachung (Carport) des unter der Leitung liegenden Platzes verpflichtet. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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