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RA Digital - 05/2020

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248 Referendarteil:

248 Referendarteil: Zivilrecht RA 05/2020 Voraussetzungen für die Geltendmachung als Verzugsschäden sind - ähnlich gelagert wie in den Herausforderungsfällen - die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit. Weitere Standard-Situation: Die Geltendmachung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß §§ 823 ff. BGB Sonderfall: Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aufgrund von Gewährleistungsrechten Sonderfall: Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag sowie aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzungen 2. Anspruch als Verzögerungsschaden Die in der beruflichen Praxis als Standardsituation zu bezeichnende Konstellation besteht in der Geltendmachung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten als Verzögerungsschaden gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB. Hier ist besonders auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 286 BGB zu achten. Der Schuldner, folglich die Gegenseite, muss sich mit der Erfüllung des seitens des Mandanten begehrten Anspruches in Verzug befinden. Wird danach der Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der außergerichtlichen Interessen des Mandanten in dieser Angelegenheit beauftragt, sind diese Rechtsverfolgungskosten grundsätzlich erstattungsfähig, wenn diese erforderlich und zweckmäßig sind. 37 Dies ist aus Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Gläubigers zu beurteilen. 38 Zu bejahen ist dies bezüglich der Kosten für alle Maßnahmen, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Mandanten, seinen Anspruch vorprozessual oder prozessual zu verfolgen, als sachdienlich zum Zweck der Rechtsverfolgung anzusehen sind. 39 Erforderlich ist somit die Bejahung einer psychischen Kausalität, welche Ihnen aus den Herausforderungsfällen bekannt ist. 40 3. Anspruch aus unerlaubter Handlung Sollen vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten gerichtlich geltend gemacht werden und liegen die Voraussetzungen des Verzugs nicht vor, liegen in der Praxis zumeist Fälle vor, aus denen sich der Anspruch aus den § 823 I BGB, § 823 I, II i. V. m. einem Schutzgesetz oder § 826 BGB ergeben. Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Mandatierung eines Rechtsanwaltes (s. o.) ist hier im gleichen Umfang zu prüfen. Typischerweise fallen hierunter Verkehrsunfälle, denn diese sind hiervon – grundsätzlich – erfasst, 41 da §§ 7, 18 StVG zwar lex specialis zu §§ 823 ff. BGB sind, aber ebenfalls als Ansprüche aus unerlaubter Handlung zu qualifizieren sind. 42 4. Anspruch aus Gewährleistungsrechten Weiter kann sich der Anspruch aus Gewährleistungsrechten ergeben. Gemäß § 439 II BGB hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen. Die beispielhafte Auflistung im Gesetz ist nicht abschließend. Auch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zum Zwecke der Durchsetzung einer Ersatzlieferung fällt beim Verbrauchsgüterkauf hierunter. 43 5. Sonderfälle: GoA und vorvertragliche Pflichtverletzungen Eine weitere denkbare Ermächtigungsgrundlage kann sich aufgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag aus §§ 677 ff. BGB ergeben 44 . Der BGH hat – in Bezug auf § 683 BGB – hier entschieden, dass derjenige, der einen Wettbewerbsverstoß begangen hat, einem Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs die notwendigen Aufwendungen für eine vorprozessuale Abmahnung erstatten muss. Maßgebliche rechtliche Erkenntnis in diesem Fall war folglich, dass der Verein – zumindest auch – im Interesse der Gegenseite wohl gehandelt haben soll, sodass sowohl das „auch-Fremde“-Geschäft als auch der Fremdgeschäftsführungswille zu bejahen war. Jura Intensiv Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten kann sich ebenfalls aus vorvertraglichen Pflichtverletzungen gemäß §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB ergeben. 45 37 St. Rspr.: BGH, Urteil vom 04.05.2011 - VIII ZR 171/10 Rn 24 m. w. N. 38 St. Rspr.: BGH, Hinweisbeschluss vom 31. 01.2012 − VIII ZR 277/11 Rn 4 m. w. N. 39 OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.09.2013 – 23 U 9/13. 40 Ausführlich: Medicus, in JuS 2005, 289. 41 Ausnahme: „Der Geschädigte verstößt nur dann gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er einen Rechtsanwalt beauftragt, obwohl ein einfach gelagerter Sachverhalt vorliegt und die Haftung nach Grund und Höhe völlig klar ist.“. Dies ist aber eine absolute Sonderkonstellation. Hieran sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich ist ein aufgrund unerlaubter Handlung Verletzter stets berechtigt, seine rechtlichen Interessen mittels eines Rechtsanwalts wahrzunehmen. Gegenbeispiel: OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2011 - I-1 U 236/10. 42 BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15 43 BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 66/17 Rn 84 ff. 44 BGH, Urteil vom 15.10.1969 – I ZR 3/68. 45 BGH, Urteil vom 30.04.1986 - VIII ZR 112/85. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2020 NEBENGEBIETE Nebengebiete 249 Arbeitsrecht Problem: Kündigung im Kleinbetrieb Einordnung: Generalklauseln §§ 138, 242 BGB BAG, Urteil vom 05.12.2019 2 AZR 107/19 EINLEITUNG Sofern ein Betrieb nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, gilt das KSchG gem. § 23 I KSchG nicht. Der Arbeitgeber kann deshalb im Grundsatz frei kündigen. Jedoch kann die Kündigung unwirksam sein, wenn sie z.B. sittenoder treuwidrig ist. SACHVERHALT Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die Klägerin war bei der Beklagten, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 1. Juni 2016 als Nanny/Kinderfrau tätig. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 31. Mai 2017 befristet und mit der gesetzlichen Frist ordentlich kündbar. Neben der Klägerin war bei der Beklagten eine zweite Kinderfrau angestellt. Diese kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2017. Die Beklagte beabsichtigte, als Ersatz die Zeugin B einzustellen. Frau B war in der zweiten Hälfte des Monats Januar 2017 zusammen mit der Klägerin in der Wohnung der Beklagten tätig. Mit Schreiben vom 2. Februar 2017, das der Klägerin spätestens am 14. Februar 2017 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 15. März 2017. Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben, der hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung rechtskräftig stattgegeben wurde. Die noch streitbefangene ordentliche Kündigung hat die Klägerin für sitten- und treuwidrig gehalten. Zu den Kündigungen sei es gekommen, weil die Zeugin B der Beklagten wahrheitswidrig mitgeteilt habe, dass die Klägerin behauptet habe, die Beklagte sei nie zu Hause, schließe sich immer in ihrem Zimmer ein und esse, wenn sie einmal daheim sei, nur Schokolade mit ihrer Tochter. Die Beklagte habe sich deshalb von der Klägerin in ihrer Mutterrolle kritisiert und in ihrer Eitelkeit verletzt gefühlt, obwohl sie gewusst habe, dass diese Behauptungen im Kern wahr und deshalb von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Die Beklagte habe sich aus Rachsucht und um Mittel für eine Anstellung von Frau B freizumachen nicht mit einer ordentlichen Kündigung begnügen, sondern sich fristlos von der Klägerin trennen wollen. Da ihr bewusst gewesen sei, dass die vermeintlichen Äußerungen der Klägerin keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bildeten, habe die Beklagte weitere – wahrheitswidrige und die Vertraulichkeit verletzende – Äußerungen der Klägerin gegenüber Frau B sowie Kindesmissbrauch durch die Klägerin ersonnen und zum Beweis dieser frei erfundenen Kündigungsgründe im Prozess Frau B als Zeugin benannt. Damit sei das „Kündigungsverhalten“ der Beklagten mit der Folge sittenwidrig, dass „die gesamte Kündigung“ nichtig sei. Das Erfinden von Gründen, um die außerordentliche Kündigung zu stützen, schlage auf die hilfsweise erklärte Jura Intensiv LEITSATZ (DER REDAKTION) Eine Kündigung im Kleinbetrieb wird nicht rückwirkend sittenwidrig, weil der Arbeitgeber sie vor Gericht mit unwahren Behauptungen verteidigt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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