Aufrufe
vor 2 Jahren

RA Digital - 05/2021

  • Text
  • Antragstellerin
  • Anspruch
  • Recht
  • Urteil
  • Beschluss
  • Verlags
  • Ifsg
  • Inhaltsverzeichnis
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

256 Öffentliches Recht

256 Öffentliches Recht RA 05/2021 nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Hat der Bund eine Sachmaterie abschließend normiert, entfällt somit die Gesetzgebungsbefugnis der Länder (sog. Sperrwirkung). Sperrwirkung hängt von Identität der Regelungsmaterien und nicht von den verfolgten Zielen ab. Abschließende bundesgesetzliche Regelung in §§ 556-561 BGB? Ja, abschließende bundesgesetzliche Regelung Auch keine Öffnungsklauseln für die Länder § 556d II BGB ändert nichts. Danach entscheiden die Länder zwar über die Anwendbarkeit der Mietpreisbremse, dürfen aber inhaltlich nicht von den BGB-Vorschriften abweichen. „[92] […]Ob die bundesgesetzliche Regelung abschließend ist, ist materienund nicht zielbezogen zu bestimmen, sodass es für eine möglicherweise verbleibende Gesetzgebungskompetenz der Länder allein auf die Identität der Regelungsmaterien ankommt, nicht hingegen auf die konkrete – gegebenenfalls abweichende – Zielsetzung des Landesgesetzgebers. […]“ Eine abschließende bundesrechtliche Regelung könnte mittels der Mietpreisbestimmungen der §§ 556 bis 561 BGB erfolgt sein. „[149] Spätestens mit dem Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz) vom 21. April 2015 hat der Bund die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum bundesrechtlich abschließend geregelt. In den vergangenen sechs Jahren hat er mit vier, teils umfangreichen Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in den Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen. [150] Schon Regelungsintensität und Häufigkeit dieser bundesgesetzlichen Nachsteuerung legen nahe, dass es sich bei den §§ 556 ff. BGB um eine umfassende und abschließende Regelung handelt. Die §§ 556 ff. BGB enthalten außerdem keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften ermöglichen würden. Das ausdifferenzierte Regelungssystem und der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzrecht machen vielmehr deutlich, dass der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte. […] [159] Die abschließende Regelung der Miethöhe durch die §§ 556 ff., 556d ff. BGB wird auch nicht durch die in § 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung der Länder in Frage gestellt. Sie ändert nichts an der durch die abschließende bundesgesetzliche Regelung bewirkten Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber aus Art. 72 Abs. 1 GG. […] Durch eine Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB werden zwar die Regelungen über die Mietpreisbremse räumlich konkretisiert. Die Verordnungsermächtigung eröffnet den Ländern aber keinen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, sondern erschöpft sich darin, die auf Ebene des Bürgerlichen Gesetzbuchs detailliert ausgestaltete Mietpreisbremse nach Maßgabe der in den einzelnen Ländern bestehenden Verhältnisse zur Anwendung zu bringen. Zweck der Verordnungsermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB ist es allein, angesichts der Heterogenität der lokalen Mietwohnungsmärkte den insoweit sachnäheren Ländern die Festlegung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu überlassen. […] Die Länder können daher nur innerhalb des engen bundesgesetzlich vorgegebenen Rahmens regelnd tätig werden und sind darauf beschränkt, die Vollziehbarkeit der bundesgesetzlichen Regulierung für ihren Bereich sicherzustellen. […] Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2021 Öffentliches Recht 257 [164] § 1 in Verbindung mit § 3, § 4, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 bis Abs. 4, § 7 MietenWoG Bln betrifft – wie die §§ 556 ff. BGB – das individuelle, auf privatautonomer Grundlage begründete Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter über ungebundenen Wohnraum. „Berliner Mietendeckel“ und bundesgesetzliche Mietpreisbremse regeln im Wesentlichen denselben Gegenstand, nämlich den Schutz des Mieters vor überhöhten Mieten für ungebundenen Wohnraum. [169] Dass die Berliner Regelung die von ihr vorgenommene Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Vermietern und Mietern über ungebundenen Wohnraum auch mit verwaltungs-, ordnungs- und strafrechtlichen Instrumenten abzusichern beziehungsweise durchzusetzen versucht (vgl. etwa § 5 Abs. 2 MietenWoG Bln), berührt ihren im Kern bürgerlich-rechtlichen Gegenstand nicht. […] Diese öffentlich-rechtliche beziehungsweise ordnungswidrigkeitenrechtliche Einkleidung ändert nichts daran, dass die Vorschriften des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin der Sache nach Regelungen der Rechtsverhältnisse zwischen Vermietern und Mietern darstellen und damit Teil des Privatrechts sind. […]“ IV. Kompetenz der Länder für das Wohnungswesen Gleichwohl könnte sich eine Regelungskompetenz der Länder möglicherweise aus ihrer Zuständigkeit für das Wohnungswesen ergeben, das im Zuge der sog. Föderalismusreform I im Jahr 2006 aus dem Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 18 GG gestrichen wurde. „[184] Jedenfalls im Zeitpunkt der Änderung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a.F. im Zuge der Föderalismusreform I des Jahres 2006 war die über fast sechs Jahrzehnte gewachsene Unterscheidung zwischen frei finanziertem und öffentlich-rechtlich gefördertem Wohnraum etabliert. Der Kompetenztitel für das Wohnungswesen umfasste vor allem die Mietpreisbindung staatlich geförderter Wohnungen, während eine entsprechende Regelung als Teil des sozialen Mietrechts für ungebundenen Wohnraum ausschließlich dem Kompetenztitel „bürgerliches Recht“ unterfiel. [185] Die Regelung der höchstzulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum war vom Kompetenztitel „Wohnungswesen“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a.F. daher nicht […] umfasst und konnte somit nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder übergehen. […]“ Jura Intensiv Regelungsmaterie des MietenWoG Bln und der §§ 556 ff. BGB sind identisch. Durchsetzung des Mietendeckels mit Instrumenten des öffentlichen Rechts und des Strafrechts ändert nichts, da es im Kern um privatrechtliche Rechtsverhältnisse geht. Zum Prüfungsaufbau: Das hätte alternativ schon im Rahmen der Prüfung des Art. 74 I Nr. 1 GG angesprochen werden können. Differenziere: „Wohnungswesen“ = staatlich geförderter Wohnraum = Kompetenz der Länder „Bürgerliches Recht“ = frei finanzierter, ungebundener Wohnraum = Kompetenz des Bundes (Art. 74 I Nr. 1 GG) Somit ergibt sich eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder nicht aus ihrer Zuständigkeit für das Wohnungswesen. Da die im MietenWoG Bln normierte Sachmaterie zudem wie gezeigt abschließend im Bundesrecht geregelt ist, besitzt das Land Berlin nicht die Kompetenz zum Erlass des MietenWoG Bln. FAZIT Es handelt sich um die zweite Entscheidung eines Verfassungsgerichts zur Verfassungskonformität eines landesrechtlichen Mietendeckels. Die Examensrelevanz der Thematik hat sich jüngst bereits in einem Klausurtermin gezeigt. Zu beachten ist, dass das BVerfG keine materiell-rechtliche Prüfung des Mietendeckels vorgenommen hat. Sollte der Bund es den Ländern per Öffnungsklausel im BGB gestatten, landesrechtliche Mietendeckel zu erlassen, könnte die Materie also erneut vor dem BVerfG landen. Vorher bereits VerfGH München, RA 2020, 533 NRW, 1. Examen, Termin Februar 2021, 2. Klausur; zudem wurde die Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) im gleichen Klausurtermin im Rahmen einer Ringtauschklausur in Bad.- Württ., Hessen, Rh.-Pfalz, Sachsen- Anhalt und Thüringen geprüft. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats