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RA Digital - 06/2016

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290 Zivilrecht

290 Zivilrecht RA 06/2016 Problem: Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags Einordnung: Verbraucherrecht LG Freiburg, Urteil vom 04.05.2016 5 O 27/16 LEITSATZ Ein Verbraucher handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er das infolge unzureichender Belehrung fortbestehende Widerrufsrecht nach § 495 BGB ausübt, um das bei vorzeitiger Ablösung eines Verbraucherdarlehens anfallende Vorfälligkeitsentgelt zu ersparen. EINLEITUNG Rund 80% der zwischen Oktober 2002 und Juni 2010 geschlossenen Immobilienkreditverträge enthalten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Kreditnehmer können die Verträge daher auch heute noch widerrufen. Da die Zinsen stark gesunken sind, können auf diese Weise viele tausend Euro eingespart werden. Ferner kann die dem Darlehensnehmer gem. § 490 II 3 BGB obliegende Vorfälligkeitsentschädigung gespart oder gar zurückgefordert werden. Doch bald ist damit Schluss. Auf Wunsch der Banken und Sparkassen beschloss der Bundestag, dass am Dienstag, den 21.06.2016, um 24:00 Uhr das Widerrufsrecht für bis zum 10.06.2010 geschlossene Immobilienkreditverträge mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung erlischt. Höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs, wenn der Kreditnehmer den Kredit jahrelang bedient hat. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Am 05.03.2008 schließen der Kläger (K) und die Beklagte (B-Bank) einen Vertrag über ein Darlehen i.H.v. 120.000 € zur Finanzierung einer Eigentumswohnung. Der schriftliche Darlehensvertrag enthält die Angaben nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB. Die ihm beigefügte Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt: 1. Widerrufsrecht: Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (…) 2. Widerrufsfolgen: Finanzierte Geschäfte: Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstückgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zur-Verfügung-Stellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen (…). Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Zivilrecht 291 Im Zuge der Veräußerung der finanzierten Eigentumswohnung und der vorzeitigen Ablösung des Darlehens erklärt K mit Anwaltsschreiben vom 27.03.2015 den Widerruf des Darlehensvertrags. Die B-Bank tritt dem entgegen und stellt gem. § 490 II 3 BGB ein Vorfälligkeitsentgelt von 11.805,64 € in Rechnung, das K unter Vorbehalt bezahlt und unter Fristsetzung bis zum 15.05.2016 zurückverlangt. Einen Teilbetrag von 5.900 € möchte er nun geltend machen. Die B-Bank ist der Meinung, der Widerruf sei verspätet. Zumindest aber stehe der Ausübung des Widerrufs der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. K hätte die Befristung seines Widerrufsrechts aufgrund der Belehrung zweifelsfrei erkennen können, davon aber keinen Gebrauch gemacht, weil er das Darlehen zur Finanzierung der Eigentumswohnung benötigte. Zudem habe er die Darlehensverbindlichkeiten sieben Jahre lang bedient, ohne erkennen zu lassen, den Vertrag übereilt geschlossen zu haben oder sich von ihm lösen zu wollen. Zum Widerruf habe er sich vielmehr erst nach der Veräußerung der Immobilie entschlossen, um die durch das stark gefallene Zinsniveau erhöhte Vorfälligkeitsentschädigung einzusparen. Zudem sei das Widerrufsrecht verwirkt. Zu Recht? LÖSUNG A. Anspruch des K gegen die B-Bank gem. §§ 495 I, 357 I BGB a.F. i.V.m. § 346 I BGB K könnte gegen die B-Bank einen Anspruch auf Rückzahlung des Vorfälligkeitsentgelts i.H.v. 5.900 € gem. §§ 495 I, 357 I BGB i.V.m. § 346 I BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 05.03.2008 geltenden Fassung (fortan: BGB a.F.) haben. I. Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags K und die B-Bank haben einen Darlehensvertrag i.H.v. 120.000 € zur Finanzierung einer Eigentumswohnung geschlossen. K handelte dabei als Privatmann und Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Die B-Bank als Kreditgeber ist Unternehmer gem. § 14 BGB. Mithin liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 I BGB vor. Die Schriftform des § 492 I BGB ist gewahrt. Zudem enthält der Vertrag die nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a.F. vorgeschriebenen Angaben. Jura Intensiv II. Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrags Der Verbraucherdarlehensvertrag müsste widerrufen worden sein. 1. Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts Gem. § 495 I BGB steht dem Darlehensnehmer bei Verbraucherdarlehensverträgen ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. 2. Widerrufserklärung durch K Mit Anwaltsschreiben vom 27.03.2015 hat K den Widerruf des Darlehensvertrags erklärt und das nach damaliger Rechtslage nötige Textformerfordernis nach §§ 355 I 2 a.F., 126b BGB eingehalten. 3. Fristgerechter Widerruf Fraglich ist, ob er noch rechtzeitig erfolgte. Dazu dürfte die zweiwöchige Widerrufsfrist gem. § 355 II 1 BGB a.F. noch nicht abgelaufen sein. Dies ist der Fall, wenn K nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Typischerweise verläuft ein solcher Fall wie folgt: Das Darlehen hat eine feste Zinsbindung bis zu einem festen Fälligkeitstermin. Zu diesem Zeitpunkt tilgt man entweder die Restschuld oder verlängert das Darlehen zu den marktüblichen Zinsen. Wird vorher an einen Dritten verkauft, zahlt dieser den Kaufpreis auf das Notaranderkonto. Der Notar benutzt das Geld zur Ablösung der Restschuld und der Grundschulden und kehrt den Rest aus. Hier stellte die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung. Um diese zu vermeiden, widerriefen die Kläger den Vertrag. Weil der Notar aber die Zustimmung der Bank zur Ablösung der Grundschuld braucht und diese nur zustimmt, wenn sie die Vorfälligkeitsentschädigung kassiert hat, zahlten die Kläger unter Vorbehalt. Seit dem 13.06.2014 ist die Ausübung des Widerrufsrecht und seine Rechtsfolgen in den §§ 355, 356, 357 BGB geregelt. Da es sich bei dem vorliegenden Verbraucherdarlehensvertrag um einen sog. Altvertrag handelt, war auf ihn gem. Art. 229 § 32 I EGBGB die alte Rechtslage anzuwenden. Die damalige Anspruchsgrundlage war § 357 I BGB a.F. i.V.m. § 346 I BGB, weil auf das Rücktrittsrecht verwiesen wurde. Nach neuem Recht wäre die richtige Anspruchsgrundlage §§ 355 III, 357a I BGB. Inhaltsverzeichnis

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