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RA Digital - 06/2016

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302 Referendarteil:

302 Referendarteil: Zivilrecht RA 06/2016 Hier war in tatsächlicher Hinsicht nichts mehr streitig, weshalb es vertretbar war, die Rechtsansichten der Kläger vor den Anträgen darzustellen. Hierdurch wurde die streitige Frage transparent. Kläger begehren zweimal Zahlung von 885 € Konsequent werden auch die Rechtsansichten der Beklagten dargelegt. Eigentlich gelten hier die Besonderheiten der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft: Zahlung könnte nur an die Gesamthand verlangt werden. Der BGH löst dies elegant. Zum Nachweis genügte hier die Vorlage des Testaments und der Eröffnungsvermerk. Ein Erbschein musste nicht vorgelegt werden. BGH, Urteil vom 07.06.2005, XI ZR 311/04 mwN. Eine bestimmte Form des Nachweises könnte in den AGB festgelegt werden. Allerdings fehlte es hier an Vortrag zu entsprechendem AGB-Inhalt. 1.770 €. Außer den bei der Beklagten geführten Konten gehörte zum Nachlass nur noch ein Guthaben bei einer anderen Bank, die jedoch die Vorlage eines Erbscheins nicht verlangte. Nach Einschaltung der Kundenbeschwerdestelle bei dem Rheinischen Sparkassen- und Giroverband gab die Beklagte die Konten zugunsten der Kläger frei. Eine Übernahme der Kosten der Erbscheinserteilung lehnte sie entgegen dem Schlichtungsvorschlag mit Schreiben vom 16.05.2014 ab. Die Kläger halten die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Nebenpflichtverletzung für verpflichtet, die Gerichtskosten für den Erbschein zu erstatten. Die Kläger beantragen, jeweils an sie 885 € zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte meint, ihr Vorgehen sei berechtigt, um sich zuverlässig gegen die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Bei einem handschriftlichen Testament bestehe die Möglichkeit der Fälschung. Zudem sei für sie nicht erkennbar gewesen, ob einer der Kläger nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil gefordert habe. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist begründet. Den Klägern steht gegen die Beklagte aus § 280 I BGB ein Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins zu. Da die Kläger die einzigen Mitglieder der Erbengemeinschaft sind, ist davon auszugehen, dass sie sich jeweils konkludent ermächtigt haben, abweichend von § 2039 BGB die Zahlung von jeweils der Hälfte der Schadensersatzsumme an sich zu fordern. Jura Intensiv [16] Die Kläger sind als testamentarische Erben ihrer Mutter gemäß §§ 1922 I, 2032 BGB in die Kontoverträge mit der Beklagten eingetreten. Die Beklagte hat gegen die ihr obliegende vertragliche Leistungstreuepflicht verstoßen, indem sie die Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hat. Aus der Leistungstreuepflicht folgt die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie zum Nachweis der Erbenstellung der Kläger zu Unrecht die Vorlage des handschriftlichen Testaments nebst Eröffnungsvermerk nicht hat ausreichen lassen und dadurch die mit der Erteilung des Erbscheins verbundenen Kosten unnötigerweise verursacht hat. [17] Die Kontoverträge zwischen der Erblasserin und der Beklagten enthielten unstreitig keine Vereinbarung darüber, in welcher Art und Weise nach dem Tode des Vertragspartners dessen Rechtsnachfolge nachzuweisen ist. Eine etwaige entsprechende Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch einer der gesetzlich gesondert geregelten Fälle, in denen der Erbe die Rechtsnachfolge grundsätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen hat, wie beispielsweise in § 35 I 1 GBO, liegt nicht vor. Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Referendarteil: Zivilrecht 303 [18] Abgesehen von diesen Sonderregelungen ist der Erbe nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern hat auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen. Dazu gehören neben dem öffentlichen Testament auch das eigenhändige Testament oder im Falle gesetzlicher Erbfolge Urkunden, aus denen sich diese ergibt. [19] Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Bank bei einem eigenhändigen Testament auch nicht regelmäßig auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen. Zwar hat die Bank ein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB zu kommen. Daraus folgt aber nicht, dass sie einschränkungslos oder auch nur im Regelfall die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann. [20] Eine solche Sichtweise würde die Interessen des (wahren) Erben, der im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt ist, über Gebühr vernachlässigen. Bei den Anforderungen an den Nachweis der Rechtsnachfolge ist auch den berechtigten Interessen des oder der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen. Ihnen ist regelmäßig nicht daran gelegen, in Fällen, in denen das Erbrecht unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen werden kann, das unnütze Kosten verursachende Erbscheinsverfahren anstrengen zu müssen. Daran, auch in klaren Erbfolgefällen allein zur Erlangung des Gutglaubensschutzes der §§ 2366, 2367 BGB regelmäßig auf einem Erbschein bestehen zu können, hat die Bank kein schutzwürdiges Interesse. Die widerlegliche Vermutung, dass in der Regel ein eröffnetes öffentliches Testament - entsprechend der Regelung in § 35 I 2 GBO - als ausreichender Nachweis für die Rechtsnachfolge anzusehen sein wird, gilt für ein eigenhändiges Testament nach §§ 2247, 2267 BGB nicht. Denn auch wenn nach § 2231 BGB ein notarielles Testament und ein privatschriftliches Testament erbrechtlich gleichwertig sind, knüpft das Gesetz daran im Hinblick auf ihre Nachweiskraft abgestufte Wirkungen. Jura Intensiv Soweit das Gesetz dies vorsieht, genügt lediglich eine beglaubigte Abschrift des öffentlichen Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls (§ 348 I 2 FamFG) zum Nachweis der Erbfolge oder der Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers, so beispielsweise nach § 35 I 2, II GBO zur Grundbuchberichtigung. Dies rechtfertigt es, dem eröffneten öffentlichen Testament auch im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen. Das beruht darauf, dass das öffentliche Testament grundsätzlich nur durch einen Notar errichtet werden kann (§ 2231 Nr. 1 BGB, § 20 BNotO). Es wird grundsätzlich in besondere amtliche Verwahrung genommen (§ 34 I 4 BeurkG), ist öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO und begründet vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs und gegebenenfalls der darin bezeugten weiteren Tatsachen (§ 418 I ZPO). Dem eigenhändigen Testament kann dagegen im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine solche Vermutungswirkung zum Nachweis der Erbfolge nicht beigelegt werden. Im Vergleich zum öffentlichen Testament sind beim eigenhändigen oder privatschriftlichen Testament Keine Pflicht zum Nachweis durch Erbschein BGH, Urteil vom 10.12.2004, V ZR 120/04 und vom 07.06.2005, XI ZR 311/04 BGH, Urteil vom 07.06.2005, XI ZR 311/04, und vom 08.10.2013, XI ZR 401/12, jeweils mwN BGH, Urteil vom 07.06.2005, XI ZR 311/04, und vom 08.10.2013, XI ZR 401/12 mwN; a.A. Palandt- Weidlich, BGB, § 2353 Rn 76 Widerlegliche Vermutung, dass ein eröffnetes öffentliches Testament ein ausreichender Nachweis der Rechtsnachfolge ist, BGH, Urteil vom 07.06.2005, XI ZR 311/04 Die Unterschiede zwischen einem öffentlichen Testament und einem privatschriftlichen Testament rechtfertigen es, das öffentliche in der Regel als ausreichenden Nachweis anzuerkennen und das privatschriftliche dann, wenn an ihm keine Zweifel bestehen dürfen. Inhaltsverzeichnis

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