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RA Digital - 06/2016

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312 Öffentliches Recht

312 Öffentliches Recht RA 06/2016 Problem 1: Ausreichender Schutz durch § 126a GO BT? Problem 2: Abstrakte Klärung der Minderheitenrechte zulässig? Problem 3: Darf Mitwirkung des Bundestages an GG-Änderung separat erstritten werden, obwohl auch noch der Bundesrat zustimmen muss? Es ist äußerst strittig, ob i.R.d. Begründetheit des Organstreitverfahrens nur die Organrechte zu prüfen sind oder eine objektive Rechtskontrolle zu erfolgen hat (vgl. dazu eingehend Barczak/Görisch, DVBl. 2011, 332 ff.) Hier spielt der Streit keine Rolle, weil es ausschließlich um Organrechte geht. Dieser Grundsatz ist zweifellos anzuerkennen und daher in einer Klausur knapp abzuhandeln. „[77] […] jederzeit änderbar und stellen daher keine gesicherte Rechtsposition der parlamentarischen Opposition dar. [80] Auch der vom Antragsgegner ins Feld geführte Subsidiaritätsgedanke, wonach die Antragstellerin zunächst einen konkreten Antrag - etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - stellen müsse und erst gegen dessen etwaige Ablehnung das Bundesverfassungsgericht anrufen könne, vermag am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses nichts zu ändern. Es ist der Antragstellerin nicht zumutbar, im parlamentarischen Prozess zunächst den Versuch zu unternehmen, ein Minderheitenrecht auszuüben. Sie hat bereits in dessen Vorfeld ein erhebliches Interesse an der Klärung der verfassungsrechtlichen Rechtslage, da bereits die abstrakte Möglichkeit der Ausübung von Minderheitenrechten Vorwirkungen auf die oppositionellen Wirkungsmöglichkeiten haben kann. […] [81] Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hinsichtlich des Antrags zu 1 steht schließlich nicht entgegen, dass - wie der Antragsgegner vorträgt - eine Änderung der Verfassung nach Art. 79 Abs. 2 GG zwingend der Mitwirkung des Bundesrates bedarf. Mit dem Begehren festzustellen, dass der Antragsgegner ihren verfassungsändernden Gesetzentwurf hätte beschließen müssen, verfolgt die Antragstellerin ein im Organstreitverfahren statthaftes Verfahrensziel. Insoweit handelt es sich um einen abgrenzbaren Teilakt im Verfahren der Verfassungsänderung. Bei Ausbleiben der nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderlichen Zustimmung des Bundesrates könnte die Antragstellerin - einen entsprechenden verfassungskräftigen Anspruch unterstellt - im Übrigen ein eigenständiges Organstreitverfahren gegen diesen anstrengen.“ Mithin weist die Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auf. Ihre Anträge sind zulässig. B. Begründetheit der Anträge Die Anträge sind begründet, soweit durch das Verhalten des Antragsgegners die Organrechte der Antragstellerin verletzt werden. Jura Intensiv I. Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes Die Ablehnung des von der Antragstellerin eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes ist verfassungswidrig, wenn dadurch Organrechte des Bundestages, die die Antragstellerin im Wege der Prozessstandschaft geltend macht (s.o. die Ausführungen zur Antragsbefugnis), verletzt wurden. Das setzt voraus, dass der Bundestag dem Gesetzentwurf mehrheitlich hätte zustimmen müssen. Eine solche Pflicht könnte sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ergeben. 1. Herleitung des Grundsatzes effektiver Opposition Der Grundsatz effektiver Opposition wurzelt im Demokratieprinzip (Art. 20 I, II, 28 I 1 GG) und wird zusätzlich durch das Rechtsstaatsprinzip abgesichert (Art. 20 III, 28 I 1 GG). Das individuelle Recht zum parlamentarischen Opponieren folgt aus dem in Art. 38 I 2 GG normierten sog. freien Mandat. Um effektiv agieren zu können, darf die Opposition bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein. Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Öffentliches Recht 313 2. Reichweite des Grundsatzes Fraglich ist, ob dieser Grundsatz auch die Schaffung spezifischer Rechte für die Oppositionsfraktionen verlangt, wie dies die Antragstellerin fordert. a) Wortlaut des Grundgesetzes „[92] Das Grundgesetz schweigt bereits über den Begriff der Opposition. Schon gar nicht erkennt es Oppositionsfraktionen als spezifische Rechtsträger an. […] Die Qualifizierung der mit diesen besonderen Rechten ausgestatteten Minderheiten besteht in der Erreichung eines bestimmten Quorums an Mitgliedern des Bundestages; bei Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG liegt dieses Quorum bei einem Drittel, bei Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG jeweils bei einem Viertel. […] [93] Dieses Regelungskonzept orientiert sich an den politischen Kräfteverhältnissen im parlamentarischen Regierungssystem, da die parlamentarische Opposition in der Regel die parlamentarische Minderheit verkörpert, in sich aber […] nicht notwendig eine homogene Einheit darstellt, sondern in eine Mehrzahl oder sogar in eine Vielzahl von Gruppierungen […] aufgespalten sein kann. Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, die parlamentarischen Minderheitenrechte Abgeordneten, die bestimmte Quoren erfüllen, ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen, mithin die Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte nicht auf oppositionelle Akteure - wie etwa die Oppositionsfraktionen - zu beschränken.“ b) Freies Mandat, Art. 38 I 2 GG Gegen eine Bevorzugung der Oppositionsfraktionen könnte zudem das in Art. 38 I 2 GG verankerte freie Mandat sprechen. „[99] Die Zuweisung spezifischer Oppositionsrechte stellt eine Bevorzugung, mithin eine Ungleichbehandlung zugunsten der oppositionellen Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse gegenüber den die Regierung tragenden Abgeordneten und deren Zusammenschlüssen dar. […] Jura Intensiv Kernproblem: Muss es spezifische Rechte für die Oppositionsfraktionen geben? Wortlaut des GG sieht keine Besserstellung der Oppositionsfraktionen vor Ganz zentrales systematisches Argument Das BVerfG prüft Art. 38 I 2 GG wie den allg. Gleichheitssatz des Art. 3 I GG (Ungleichbehandlung, Rechtfertigung). [100] Von der Möglichkeit eines Opponierens im konkreten Einzelfall parlamentarischer Arbeit wird durch die Abgeordneten, die strukturell die Regierung stützen, wegen der Bindungen innerhalb der Koalitionsfraktionen in der politischen Praxis zwar vergleichsweise selten Gebrauch gemacht. Allein das Bestehen dieser Möglichkeit zwingt die Regierung aber immer wieder, für die eigene politische Position auch „in den eigenen Reihen“ zu werben, […]. [103] […] Zwar ist es bedenkenswert, wenn die Antragstellerin anführt, die politische Kontrolle durch die parlamentarische Opposition sei qualitativ zu unterscheiden von der Kontrolle der Regierung durch die Parlamentsmehrheit, welche keine öffentliche Kontrolle darstelle und nicht auf einen Regierungswechsel angelegt sei, sondern bei der es sich lediglich um Formen einer internen Kontrolle der Regierung in Fraktionsund Arbeitskreissitzungen handele. Eine Schlechterstellung der die Regierung tragenden Abgeordneten durch Einführung exklusiver Spezifische Oppositionsrechte führen zu einem „Zweiklassenrecht“: schwächer geschützte Regierungsabgeordnete und besser geschützte Oppositionsabgeordnete. Kann die regierungsinterne Kontrolle schwächen. Inhaltsverzeichnis

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