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RA Digital - 06/2017

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298 Referendarteil:

298 Referendarteil: Zivilrecht RA 06/2017 Rechtsansichten werden durch „meint“ gekennzeichnet. Sie sind im Tatbestand nur ausnahmsweise zulässig. Unter merkantilem Minderwert versteht man den trotz Reparatur der Sache anhaftenden verminderten Marktwert. Streitiges Parteivorbringen beginnt man mit „behaupten“. Es wird ebenso wie Rechtsansichten im Indikativ Präsens und in der indirekten Rede aufgrund der Neutralität im Konjunktiv Perfekt dargestellt. Hier ist ein VU ergangen. Die Ausführungen hierzu gehören in die Prozessgeschichte I. Zur Darstellung gehört: • der ursprüngliche Antrag • Terminsbestimmung • Säumnis im Termin • Ergehen des VU • Zustellung (Datum) des VU • Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs. Die Zeitform in der Prozessgeschichte I ist der Indikativ Perfekt. Klageanträge müssen immer so genau wie möglich formuliert sein. Bei Autos empfiehlt sich die Nennung der Fahrzeug-ID-Nr. (FIN). Der Kläger meint, der streitgegenständliche PKW sei aufgrund der manipulierten Software mangelhaft. Eine erfolgreiche Nachbesserung sei auch durch die Durchführung des Software-Updates nicht möglich, denn jedenfalls bleibe ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs bestehen, da der Wagen auch nach der Reparatur zu einer bemakelten Fahrzeuggruppe gehöre und die langfristigen Auswirkungen der vorzunehmenden Maßnahme völlig unbekannt seien. Er könne im Rahmen der Mangelgewährleistung die Lieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Serie verlangen, denn die Nachlieferung sei nicht unmöglich. Er behauptet, er habe sich bewusst aufgrund des geringeren Dieselverbrauchs für das streitgegenständliche Fahrzeug entschieden. Im Rahmen des Beratungsgespräches habe er dem Verkaufsberater der Beklagten, Herrn G, mitgeteilt, dass er ein Fahrzeug wünsche, bei dem der Spritverbrauch viel geringer als bei seinem bisherigen VW-Benzin-Fahrzeug sei und bei dem die Angaben des Herstellers zumindest annähernd zutreffend seien. Herr G habe ihm u.a. gesagt, dass die Angaben von VW in dem Prospekt zutreffen würden. Anstatt der ihm zugesagten 6,5 Liter/100 km bei kombinierter Fahrweise verbrauche das Fahrzeug aber 8,3 Liter/100 km. Auch biete VW das streitgegenständliche Fahrzeug derzeit in nahezu identischer Ausstattung an. Einzig der in seinem Fahrzeug verwendete mangelhafte Motor sei durch ein neues, den Anforderungen der Euro-6-Norm entsprechendes Aggregat ersetzt worden. Zudem habe sich lediglich die PS-Zahl verändert. Mit der am 14.06.2016 zugestellten Klage hat der Kläger nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 31.08.2016, zugestellt am 13.09.2016, ursprünglich angekündigt zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan, FIN: … Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Tiguan, FIN: … nachzuliefern. Jura Intensiv Das Gericht hat mit Verfügung vom 27.09.2016 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16.11.2016 bestimmt. Im Termin am 16.11.2016 hat der Klägervertreter keinen Antrag gestellt. Das Gericht hat daher die Klage auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil abgewiesen. Gegen dieses ihm am 22.11.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 06.12.2016, eingegangen bei Gericht per Telefax am gleichen Tag, Einspruch eingelegt. Der Kläger beantragt nunmehr, 1. das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 16.11.2016, 10 O 177/16, aufzuheben; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan, FIN: … Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Tiguan, FIN: … nachzuliefern. Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 16.11.2016 aufrechtzuerhalten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2017 Referendarteil: Zivilrecht 299 Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, eine Nachlieferung sei nach § 439 III BGB unverhältnismäßig, da sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Die Nachbesserung könne in max. 1 Stunde erfolgen und sei mit Kosten von allenfalls 100,00 Euro verbunden und habe für den Kläger keinerlei Nachteile oder negative Folgen für Kraftstoffverbrauch, Motorleistung, Abgaswerte oder Haltbarkeit. Hingegen würden die Kosten der Nachlieferung 34.505,00 Euro betragen. Im Übrigen sei der Mangel unerheblich. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Der zulässige Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg. Aufgrund des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 16.11.2016 ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch vom 06.12.2016 ist zulässig, denn er ist statthaft, weil er sich gegen ein echtes, technisch erstes Versäumnisurteil richtet und er ist form- und fristgemäß im Sinne der §§ 338ff. ZPO eingelegt worden. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen VW Tiguan aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB zu. Auf dieses der möglichen Mangelrechte hat der Kläger sich mit Ausübung seines Wahlrechts nach § 439 BGB mit anwaltlichem Schreiben vom 19.01.2016 beschränkt. Der PKW war dabei zum Zeitpunkt der Übergabe am 23.07.2010 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuerungsgerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne des § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB aufwies. Jura Intensiv „I.2. b) Nach § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB ist ein Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache verlangen kann. Maßgeblich ist die objektiv berechtigte Käufererwartung. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs … kann berechtigterweise davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der NOx-Ausstoß reduziert wird. (…) Dies führt im vorliegenden Fall zu einer Täuschung des Klägers über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der in Prospekten und Werbung veröffentlichen Messwerte mit den im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerten.“ Im Beklagtenvorbringen muss darauf geachtet werden, kein „spiegelbildliches Vorbringen“ aufzunehmen. Streitige Tatsachen werden jeweils bei der dafür beweisbelasteten Partei angeführt. Ist der Einspruch aus § 338 ZPO unzulässig, wird er durch Urteil gem. § 341 I 2 ZPO als unzulässig verworfen. Ist er zulässig, erfolgt gem. § 342 ZPO die Rückversetzung des Rechtsstreits in die Lage vor der Säumnis. Nach den kurzen Ausführungen zur Zulässigkeit des Einspruchs folgen die Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage. Achten Sie auf regionale Besonderheiten: In NRW würde die Einleitung lauten: „Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.“ Obersatz zum Ergebnis der Begründetheitsprüfung:Kein Anspruch auf Nachlieferung. Mit Ausübung des Wahlrechts beschränken sich die Mängelrechte auf das gewählte Recht. Ausführungen dazu, warum das Fahrzeug mangelhaft ist. BGH, Urteil vom. 29. 06. 2011, VIII ZR 202/10 Täuschung des Klägers über den Schadstoffausstoß des PKW © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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