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RA Digital - 06/2017

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306 Nebengebiete RA 06/2017 Der Kl. behauptet, dass der Bekl. im Jahre 2011 eine Vielzahl von Zahlungen zulasten des Geschäftskontos der beiden Gesellschaften veranlasst habe, die ohne Vertragsgrundlage oder sonstige Rechtfertigung erfolgt seien. Es handele sich dabei um Lastschriften und Barabhebungen, um privat veranlasste Kostenübernahmen, um rechtsgrundlose Gehaltszahlungen sowie um rechtsgrundlose Zahlungen an die P GmbH. Der Kl. behauptet weiter, dass der Bekl. im gesamten Zeitraum 2011 faktischer Geschäftsführer der beiden GmbHs gewesen sei. Die Geschäftsführung durch die Ehefrau des Bekl. sei ausschließlich auf Weisung und Veranlassung des Bekl. durchgeführt worden, eigenständige Geschäftsführungsentscheidungen habe die Ehefrau nicht getroffen. Jede einzelne derjenigen Maßnahmen, welche Gegenstand der Klage seien, seien entweder durch den Bekl. selbst oder auf dessen Veranlassung erfolgt. Das Gleiche gelte für die formale Geschäftsführerin A, die gar keine Kenntnis von den Geschäften der GmbHs gehabt habe und bis zu ihrer Amtsniederlegung im guten Glauben und nur auf Zuruf des Bekl. agiert habe. Der Kl. behauptet schließlich, dass die C GmbH und die O GmbH, vertreten durch den Kl. in seiner Eigenschaft als gem. § 181 BGB befreiter Geschäftsführer, sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche am 29.12.2014 an den Kl. abgetreten habe. Die Abtretung sei zum Zwecke der treuhänderischen Geltendmachung für Rechnung der beiden Gesellschaften erfolgt. Der Kl. beantragte zuletzt, den Bekl. zu verurteilen, an ihn 272.649,02 Euro zu zahlen. Der Bekl. bestreitet, im gesamten Zeitraum 2011 faktischer Geschäftsführer der beiden Gesellschaften gewesen zu sein. Im Zeitraum 2006 – 2010 sei vielmehr der verstorbene Onkel des Kl., faktischer Geschäftsführer gewesen. Nach der Bestellung seiner Ehefrau bzw. von A als Geschäftsführerin seien beide als solche tätig geworden. Für eventuelle Fehlhandlungen seiner Ehefrau und von A könne er nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der Bekl. bestreitet, die vom Kl. behaupteten Lastschriften, Barabhebungen, privat veranlasste Kostenübernahmen Gehaltszahlungen und Zahlungen an die P GmbH vorgenommen zu haben. LÖSUNG Jura Intensiv I. Dem Kl. stehen gegen den Bekl. keine Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung und darüber hinaus auch keine Bereicherungsansprüche gem. §§ 812 ff. BGB zu. Die Lösung beginnt sofort mit einem „Klassiker“: § 280 I BGB und Vertrag mit Schutzwirkung Voraussetzungen für Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: 1 Leistungsnähe zwischen dem Dritten und dem Schuldner, 2. Vorliegen eines Einbeziehungsinteresses, 3. Erkennbarkeit der Drittbezogenheit, 4. Schutzbedürftigkeit des Dritten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 328 Rn 13 ff.). 1. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags (hier: Treuhandvertrag) mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier zugunsten der C GmbH und der O GmbH) scheidet aus. Voraussetzung für das Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist (… - siehe neben -) Vorliegend fehlt es nach Auffassung des Gerichts insbesondere am Einbeziehungsinteresse sowie an der Schutzbedürftigkeit. Ersteres setzt voraus, dass der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten mitverantwortlich ist und ihm Schutz und Fürsorge schuldet. Dies ist der Fall, wenn zwischen dem Dritten und dem Gläubiger eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag besteht, wie etwa in familienrechtlichen, mietvertraglichen oder arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen. Daran fehlt es jedoch. Der Kl. ist im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Gesellschafter der beiden GmbHs Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2017 Nebengebiete 307 gewesen (vgl. dazu unter Nr. 2), so dass eine Rechtsbeziehung, geschweige denn mit personenrechtlichem Einschlag, nicht besteht. Aber auch eine Schutzbedürftigkeit der beiden GmbHs ist zu verneinen. Diese haben nämlich ausreichende eigene Ansprüche gegen den Bekl. Es kommen insoweit sowohl vertragliche Ansprüche aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Bekl. als auch gesetzliche Ansprüche gem. § 43 GmbHG und §§ 823 ff. BGB in Betracht. 2. Auch ein Schadensersatzanspruch des Kl. nach § 43 II GmbHG bzw. wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Bekl. besteht nicht. Eine Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG sowie auch eine Haftung gem. § 280 I BGB setzt ein pflichtwidriges Geschäftsführerverhalten voraus (v). Dieses liegt jedoch nicht vor. Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 II GmbHG bzw. gem. § 280 I BGB scheidet schon deshalb aus, weil der Bekl. im streitgegenständlichen Zeitraum Alleingesellschafter der beiden GmbHs war. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Bekl. 99 % der Gesellschaftsanteile jeweils nur treuhänderisch gehalten hat. Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten ist nur der Treuhänder. Seine Beziehungen zum Treugeber sind rein schuldrechtlicher Natur. An einer Pflichtverletzung i.S.d. § 43 II GmbHG fehlt es grundsätzlich dann, wenn die Gesellschaftsversammlung den Geschäftsführer zu dem – später beanstandeten – Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten – etwa aus §§ 30, 64 GmbHG – verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43 II GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens. Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat (...) und auch dann, wenn der Geschäftsführer bewusst für das Gesellschaftsvermögen nachteilige Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift. Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Ein-Personen- Gesellschaft bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt (herrschende Meinung, vgl. nur BGH, NJW 1993, 193). Jura Intensiv Dazu wurde jedoch vom Kl. trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts nicht ausreichend vorgetragen. (...) Die o.g. Grundsätze gelten im Übrigen auch für den Zeitraum, in welchem nicht mehr der Bekl. formaler Geschäftsführer der C GmbH und der O GmbH war, sondern seine Ehefrau sowie A. Soweit man die Behauptung des Kl. als wahr unterstellt, dass der Bekl. als faktischer Geschäftsführer gehandelt habe, kann die Beurteilung nicht anders ausfallen als für den formalen Geschäftsführer. Soweit man davon ausgeht, dass der Bekl. nicht mehr Geschäftsführer war, scheidet eine Geschäftsführerhaftung gem. § 43 II GmbHG ohnehin aus. (...) § 43 II GmbHG ist die einzige „rein gesellschaftsrechtliche“ Anspruchsgrundlage. Sie sollte aber jedem Schwerpunkt-Studenten und jedem Referendar bekannt sein. Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn 17 Es kommt nun ein entscheidender Gedanke, auf den man – aus Sicht des JPA – aber auch selbst kommen kann: Wenn der (die) Gesellschafter dem Geschäftsführer eine Weisung erteilt, dann haftet der Geschäftsführer dem Gesellschafter nicht für Schäden, die als Folge der Befolgung der Weisung eintreten; vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner, GmbHG, § 43 Rn 33; sowie BGH, NJW 2010, 64.Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 33 GmbHG oder gegen § 64 GmbHG verstößt. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt. Hierzu hatte der Kläger aber nicht ausreichend vorgetragen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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