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RA Digital - 06/2019

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294 Zivilrecht

294 Zivilrecht RA 06/2019 LÖSUNG A. Ansprüche K gegen B I. Anspruch aus § 1004 I BGB entstanden K könnte gegen B einen Anspruch auf Zurückschneiden der Äste gem. § 1004 I BGB haben. 1. Eigentum des Anspruchsstellers K ist Eigentümerin des Grundstücks. Beeinträchtigung des Eigentums Definition des Zustandsstörers, Palandt/Herrler, BGB, § 1004 Rn 19 vgl. dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007, 8 U 77/06; OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011, 4 U 18/10 2. Beeinträchtigung des Eigentums in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes Ferner muss das Eigentum in anderer Weise verletzt sein als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes. Hier ist K im Besitz des Grundstücks. Ihr Eigentum wird durch herüberragende Äste des Grenzbaumes verletzt. Dass es sich um eine Beeinträchtigung handelt, belegt die nachbarrechtliche Norm des § 910 BGB, nach der der Beeinträchtigte zur Selbstvornahme berechtigt ist und insgesamt die Ausnahmevorschrift des § 910 II BGB, welcher in der Nichtbeeinträchtigung eine darzulegende Ausnahme sieht. 3. Der Anspruchsgegner muss Störer sein Die Beeinträchtigung durch die über die Grundstücksgrenze ragenden Äste muss vom Störer stammen. Zustandsstörer ist der Eigentümer einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht. Dies ist bei B bezüglich des Teiles des Grenzbaums der Fall, der auf seinem Grundstück steht. 4. Keine Pflicht zur Duldung gem. § 1004 II BGB Der Anspruch aus § 1004 I BGB wäre ausgeschlossen, wenn K zur Duldung der Beeinträchtigung gem. § 1004 II BGB verpflichtet wäre. [10] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der herüberragenden Äste nach § 1004 Absatz 1 BGB allerdings voraus, dass dadurch die Benutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt ist. Fehlte es an einer solchen Beeinträchtigung, müsste die Klägerin das Herüberragen nach § 1004 Absatz 2 BGB dulden. Das folgt aus § 910 Absatz 2 BGB, der auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Absatz 1 BGB Ob der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muss, hat der Senat bislang offengelassen. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Jura Intensiv Es steht fest, dass die Beeinträchtigung nicht unerheblich ist und die Beseitigung nicht außer Verhältnis zur Störung steht. Folglich besteht keine Duldungspflicht, und steht K damit ein Anspruch aus § 1004 I BGB auf Beseitigung der Äste dem Grunde nach zu. Einrede der Verjährung erhoben II. Anspruch verjährt gem. § 214 BGB Der Anspruch aus § 1004 I BGB könnte gem. § 214 BGB verjährt sein. B hat die Einrede der Verjährung erhoben. Fraglich ist aber, ob Verjährung eingetreten ist. Es steht fest, dass K das Herüberragen der Äste mindestens vier Jahre lang hingenommen hat. Deshalb könnte gem. §§ 195, 199 I BGB der Anspruch verjährt sein. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2019 Zivilrecht 295 Dies setzt aber voraus, dass sich die Verjährung nach §§ 195, 199 BGB richtet. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Sondervorschrift des § 902 BGB einschlägig wäre. [13] Nach ständiger Rechtsprechung des Senats findet die Vorschrift des § 902 Absatz 1 Satz 1 BGB, wonach Ansprüche aus eingetragenen Rechten nicht der Verjährung unterliegen, auf den Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB keine Anwendung. Sie erfasst nur die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts, jedoch nicht die der Abwehr von Störungen bei dessen Ausübung dienenden Ansprüche. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik fest. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Anwendung oder Nichtanwendung der Vorschrift des § 902 Absatz 1 Satz 1 BGB ist deren Zweck, den Bestand der im Grundbuch eingetragenen Rechte dauerhaft zu sichern. Unverjährbar sind deshalb alle Ansprüche, die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts selbst dienen und sicherstellen, dass die Grundbucheintragung nicht zu einer bloßen rechtlichen Hülse wird. Geht es dagegen nur um eine Störung in der Ausübung des Rechts, welche die dem Grundstückseigentümer zustehende Rechtsmacht (§ 903 BGB) unberührt lässt, steht der Schutzzweck des § 902 Absatz 1 Satz 1 BGB der Möglichkeit der Verjährung eines auf Beseitigung der Störung gerichteten Anspruchs nicht entgegen. [14] Unabhängig von dem der Verjährung unterliegenden Anspruch aus § 1004 BGB steht dem Eigentümer eines Grundstücks das Selbsthilferecht des § 910 BGB zu, wonach er die von einem Nachbargrundstück herüberragenden Zweige abschneiden und behalten kann [15] Eine andere Beurteilung der Verjährung folgt nicht aus der Rechtsprechung des Senats, wonach eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht kommt, wenn eine einheitliche Dauerhandlung vorliegt, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhält und die die Verjährungsfrist deshalb gar nicht in Gang setzt, oder wenn es sich um wiederholte Störungen handelt, die jeweils neue Ansprüche begründen. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der von herüberragenden Ästen ausgehenden Störung nicht; die gegenteilige Ansicht des Landgerichts Krefeld trifft nicht zu. Der Anspruch auf Beseitigung der Störung entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeeinträchtigung § 910 Absatz 2 BGB) infolge des Wachstums der Äste einsetzt. Nimmt der Nachbar den störenden Zustand länger als drei Jahre hin, kann er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens, der durch die Verjährung geschaffen werden soll, nicht mehr verlangen. Durch den kenntnisabhängigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 BGB ist er vor einem unerwarteten Rechtsverlust geschützt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 106). [16] Einschlägig ist die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Absatz 1 BGB, die nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei Erhebung der Klage im März 2017 abgelaufen war. Jura Intensiv Danach hätte sich B erfolgreich auf Verjährung berufen. Eine andere Beurteilung wäre nur möglich, wenn sich die Verjährung ausnahmsweise nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 26 III NRG BW richten würde. [17] Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste aus § 1004 Absatz 1 BGB ist, wie das Berufungsgericht richtig sieht, nicht nach § 26 Abs. 3 NRG BW unverjährbar. Nach dieser Kritik an dieser Rechtsprechung äußern BeckOGK/Spohnheimer, BGB, § 1004 Rn 240.1 ff.; Staudinger/ Gursky, BGB, § 902 Rn 9). Unter § 902 BGB fallen Ansprüche, die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts dienen. Unverjährbar nach § 902 BGB ist der Anspruch, den das eingetragene dingliche Recht jeweils zur Verwirklichung seines dinglichen Wesensgehalts gewährt, wie z.B. der Vindikationsanspruch (§ 985) oder aus Miteigentum folgende Mitbesitzansprüche. Die Unverjährbarkeit des Berichtigungsanspruchs folgt aus § 898 BGB. Die negatorischen Ansprüche (§§ 1004, 1027, 1065, 1090 Abs. 2, 1133 ff) unterliegen hingegen grundsätzlich der Verjährung, und zwar im Fall des § 1004 I 1 mit Fristbeginn, Münch.Komm./ Kohler, BGB, § 902 Rn 5. LG Krefeld, MDR 2018 990 Palandt/Herrler, BGB, § 1004 Rn 45 Ausnahme, falls sich Verjährung nach § 26 III NRG BW richtet © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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