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RA Digital - 07/2016

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374 Öffentliches Recht

374 Öffentliches Recht RA 07/2016 Ausnahmeregelung „rettet“ die Allgemeinverfügung nicht, da sie zu unbestimmt ist. [18] Das Aufenthaltsverbot für die Eintracht-Fans stellt sich aber vor allem als unverhältnismäßig im engeren Sinne dar. Der dadurch bewirkte Grundrechtseingriff betrifft in der Mehrheit Personen, die zwar Fans von Eintracht Frankfurt sind und als solche in Erscheinung treten, aber sich bisher nicht in gewalttätiger Weise betätigt haben und dies auch nicht beabsichtigen, so dass sie keine Verhaltensstörer […] sind. Die Allgemeinverfügung führt mithin zu Beeinträchtigungen des Grundrechts, ohne dass dies im Einzelfall mit dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Verhinderung von Straftaten und sonstigen Gefahren gerechtfertigt wäre. Auch das Ausmaß der Ausschreitungen in der Vergangenheit ist kein ausreichender Grund, die mit dem Verzicht auf eine Einzelfallprüfung verbundenen Nachteile für den Betroffenen zu rechtfertigen. Die Antragsgegnerin ist mithin darauf zu verweisen, durch entsprechende Einzelmaßnahmen gegen auffällig gewordene gewaltbereite Fans vorzugehen, […]. Es ist jedenfalls nicht angemessen, aufgrund der Gewaltbereitschaft einiger Fans allen Eintracht-Anhängern den Aufenthalt in weiten Bereichen des Stadtgebiets von Darmstadt zu untersagen. [19] Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird auch nicht dadurch gewahrt, dass das Aufenthaltsverbot nicht für Personen gelten soll, die ein berechtigtes Interesse am Betreten des Verbotsbereichs nachweisen können. Hier bleibt bereits unklar, wie und von wem dieses berechtigte Interesse im Einzelfall festgestellt werden soll. Auch erschließt sich nicht, was genau ein derartiges Interesse sein soll und wie es von der jeweiligen Person belegt werden muss. Vielmehr bleibt es der eher zufälligen Handhabung des jeweiligen Beamten überlassen, wie er die Ausnahme vom Verbot auslegt und ob er eine bestimmte Person den gesperrten Bereich betreten lässt. […]“ Demnach ist das Aufenthaltsverbot formell und materiell rechtswidrig. FAZIT Der Beschluss des VG Darmstadt zeigt exemplarisch, was eine Behörde im Bereich des Polizeirechts alles falsch machen kann. Insbesondere die umfassenden Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit sollten aufmerksam studiert werden. Sie würden auch in einem Bundesland wie z.B. Bayern, in dem der Rückgriff auf die Generalklausel nicht durch eine Spezialregelung wie § 31 III HSOG versperrt ist, dazu führen, dass das hier verfügte Aufenthaltsverbot rechtswidrig ist. Salopp formuliert kann als Kernaussage des Gerichts festgehalten werden, dass Fußballfans rechtlich nicht über einen Kamm geschoren werden dürfen, sondern der konkrete Einzelfall zu betrachten ist, auch wenn generelle Lösungen viel einfacher sind und in der Umsetzung weniger Mühe bereiten. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 375 Speziell für Referendare Problem: Klage gegen versammlungsrechtliche Auflagen („Hanfparade“) Einordnung: Versammlungsrecht/Straßenrecht VG Berlin Urteil vom 11.03.2016 1 K 59.14 EINLEITUNG Das VG Berlin hatte über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zu entscheiden, mit dem einem Veranstalter einer Versammlung u.a. das Aufstellen und Betreiben von Verkaufs- und Imbissständen im Rahmen der Abschlussveranstaltung untersagt worden war. Hierbei hat es sich eingehend mit der Grenze zwischen straßenrechtlichem Gemeingebrauch und erlaubnispflichtiger Sondernutzung im Rahmen von Versammlungen auseinandergesetzt. TATBESTAND „Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihm erteilter versammlungsrechtlicher Auflagen. Am 9. September 2012 meldete der Kläger für den 10. August 2013 eine Versammlung zum Thema „Hanfparade 2013 – Meine Wahl: Hanf legal!“ an. Das Konzept sah für den Zeitraum von 11 bis 17 Uhr eine einstündige Auftaktkundgebung und einen Demonstrationszug durch die Berliner Innenstadt vor sowie für den Zeitraum von 17 bis 22 Uhr eine Abschlussveranstaltung in der Straße des 17. Juni. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung sollten unter anderem eine Bühne mit einem Backstagebereich sowie Informations-, Verkaufs- und Versorgungsstände errichtet werden. Zu den näheren Einzelheiten erfolgten zwischen dem Kläger und der Versammlungsbehörde am 23. Juli 2013 und am 26. Juli 2013 Veranstaltergespräche sowie diverse Korrespondenz. Insoweit wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs des Beklagten einschließlich der darin enthaltenen Gesprächsprotokolle verwiesen. Am 31. Juli 2013 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem er unter anderem das Aufstellen und Betreiben von Verkaufsständen und des „Berliner Wassertischs“ im Rahmen der Abschlussveranstaltung untersagte, sofern nicht die erforderlichen Erlaubnisse der zuständigen Ordnungsbehörden vorliegen. Weiterhin wurde die Einrichtung eines abgezäunten Backstagebereichs, insbesondere das Aufstellen von Pavillons, ohne entsprechende behördliche Erlaubnisse untersagt (Ziff. 1. des Bescheides vom 31. Juli 2013). Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids wurde angeordnet. Jura Intensiv Am 5. August 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Auflagenbescheid vom 31. Juli 2013 hinsichtlich dessen Ziff. 1. ein. Am gleichen Tag beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Berlin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 9. August 2013 abgelehnt (Az.: VG 1 L 230.13). LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Die zuständige Behörde kann eine Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. 2. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, wenn eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung öffentlichen Straßengrundes ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgt. 3. Das Aufstellen von Verzehr- und Verkaufsständen gehört in der Regel nicht zu den geschützten und deshalb auch nach dem Versammlungsgesetz ohne Erlaubnis zulässigen Tätigkeiten. Einleitungssatz nicht zwingend erforderlich Geschichtserzählung: Indikativ Imperfekt Eine solche Bezugnahme ist zwar nach § 117 III 2 VwGO ausdrücklich zulässig. In der Klausur sollte von dieser Möglichkeit aber allenfalls zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da der Tatbestand aus sich heraus verständlich sein muss. Möglich ist eine Bezugnahme z.B. wenn es um den genauen Inhalt einer begehrten Baugenehmigung geht. Besser als die hier erfolgte inhaltliche ist eine wörtliche Wiedergabe des streitgegenständlichen Bescheids, weil sie wegen fehleranfällig ist. Das Gericht hat hier als Zeitform Indikativ Imperfekt gewählt, da es sich nicht um die Prozessgeschichte des vorliegenden K-Verfahrens handelt. Andere Gerichte wählen als Zeitform Indikativ Perfekt, was im Hinblick auf den Zusammenhang von L- und K-Verfahren ebenfalls gut vertretbar ist. Inhaltsverzeichnis

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