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RA Digital - 07/2017

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362 Nebengebiete

362 Nebengebiete RA 07/2017 Unternehmen Bewerber ohne Berufserfahrung suche, etwa wenn es auf aktuelles Spezialwissen ankomme, das außerhalb einer Ausbildung nicht erworben werden könne. Die Beklagte habe hierzu aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Auch die pauschalen Behauptungen der Beklagten zur „besseren Unterordnung und Formbarkeit“ von Personen, die gerade eine Ausbildung abgeschlossen haben, genügten nicht. Altersdiskriminierung bei der Einstellung – II BAG, Urteil vom 26.01.2017 8 AZR 73/16 LEITSATZ Eine Stellenausschreibung verstößt nicht schon dann gegen § 11 AGG, wenn sie mittelbar an das Alter des Bewerbers anknüpfende Begriffe wie „erste Berufserfahrung“ und „Berufsanfänger“ enthält, soweit die Auslegung der Stellenausschreibung ergibt, dass mit ihr nicht nur Personen eines bestimmten Lebensalters angesprochen und andere ausgeschlossen werden sollen. Die z.B. noch im Urteil vom 24.01.2013, 8 AZR 429/11 vertretene abweichende Ansicht des BAG ist seit BAG, Urteil vom 19.05.2016, 8 AZR 470/14, aufgegeben. Der vorliegende Sachverhalt hat große Parallelen zu einem Sachverhalt, den das BAG zugunsten des Klägers entschieden hat (Urteil vom 11.08.2016, 8 AZR 4/15). Derselbe Kläger (!) hatte sich dort auf die Anzeige einer Anwaltskanzlei beworben, die „einen Rechtsanwalt (m/w) mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ suchte. Den maßgeblichen Unterschied erblickt das BAG darin, dass die Formulierung der Stellenausschreibung vorliegend dahingehend ausgelegt werden konnte, dass sich die Anforderung erster Berufserfahrungen auf spezifische Rechtsgebiete bezog, während dies im Fall der Entscheidung vom 11.08.2016 anders gewesen sein soll. Bei derartigen Spitzfindigkeiten des BAG kann nur empfohlen werden, in der Praxis auf solche Passagen in Stellenanzeigen ganz zu verzichten. SACHVERHALT Der 1953 geborene Kläger absolvierte die beiden juristischen Staatsprüfungen mit der Note befriedigend. Der Beklagte veröffentlichte eine Stellenanzeige für eine Stelle als „Referent/in Recht“: „Ihr Aufgabengebiet umfasst (...). Für diese Aufgabe suchen wir eine/n Volljuristin/en mit mindestens einem Prädikatsexamen, und ersten einschlägigen Berufserfahrungen. Aber auch Berufsanfänger, die in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessenschwerpunkte wiedererkennen, sind willkommen.“ Der Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. Nachdem der Beklagte ihm eine Absage erteilt hatte, machte der Kläger Ansprüche auf Entschädigung geltend. LÖSUNG Zwar geht das BAG davon aus, das Fehlen der objektiven Eignung eines Bewerbers schließe das Vorliegen einer „vergleichbaren Situation“ nach § 3 I 1 AGG und somit einen Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG nicht aus. Es gelte ein formaler Bewerberbegriff. Da der Kläger eine Bewerbung eingereicht hat, sei der Schutzbereich des § 6 I 2 AGG eröffnet. Jura Intensiv Dennoch liege keine Benachteiligung vor. Die Stellenausschreibung des Beklagten enthalte zwar mit der Formulierung „erste Berufserfahrung“ und „Berufsanfänger“ Begriffe, die mittelbar i.S.v. § 3 II AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft sein können. Die Auslegung der Stellenausschreibung ergebe jedoch, dass der Beklagte nicht Personen eines bestimmten Lebensalters ansprechen und andere ausschließen wollte. Der Beklagte habe nicht „eine/n Volljuristin/en“ mit „erster Berufserfahrung“ als solcher oder als „Berufsanfänger“ an sich gesucht. Vielmehr sollten die Bewerber entweder erste „einschlägige“ Berufserfahrungen haben oder als Berufsanfänger „in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessenschwerpunkte wiedererkennen“. Dabei beziehe sich sowohl der Begriff „einschlägig“ als auch die Formulierung „in den genannten Rechtsgebieten“ auf die Passage in der Stellenausschreibung, in der das Aufgabengebiet der Stelle beschrieben ist. Die Anforderung bereits vorhandener erster einschlägiger Berufserfahrungen bzw. von Interessenschwerpunkten in den dort genannten Rechtsgebieten sei altersunabhängig. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2017 Nebengebiete 363 Altersdiskriminierung bei der Einstellung – III BAG, Urteil vom 15.12.2016 8 AZR 418/15 SACHVERHALT Die in Russland geborene Klägerin schloss dort 1984 ein Studium zur Systemtechnik-Ingenieuren erfolgreich ab, was in Deutschland anerkannt wurde. Bis 1998 arbeitete sie in Russland und ab 2000 in Deutschland. 2013 bewarb sie sich bei der Beklagten auf deren Online-Bewerbungsportal als „Android Software Entwickler (w/m)“. Nachdem sie eine Absage erhielt, sah sie u. a. in den Fragen in dem Portal zu Anrede, Alter und Deutschkenntnissen eine Diskriminierung und klagte auf Entschädigung. Die Klägerin verlor in allen Instanzen. LEITSATZ (DES BEARBEITERS) Der Umstand, dass der letztlich eingestellte Bewerber lebensjünger ist als der nicht berücksichtigte, ist für sich allein betrachtet kein Indiz für eine Diskriminierung wegen des höheren Alters. LÖSUNG 1. Der durch Fettdruck hervorgehobene Klammerzusatz „m/w“ in einem Online-Bewerbungsformular, in dem ansonsten die männliche Form der Berufsbezeichnung verwendet wird, verdeutlicht hinreichend, dass die Ausschreibung geschlechtsneutral zu verstehen ist. 2. Die vom Bewerber auszufüllende Auswahl der Anrede „Herr/Frau“ ist kein Indiz, dass Bewerbungen von Frauen nicht erwünscht sind. 3. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass der Arbeitgeber mit der Frage nach dem Alter eines Bewerbers regelmäßig signalisiert, nur ein Interesse an der Beschäftigung lebensjüngerer Arbeitnehmer zu haben. 4. Sind mehrere Möglichkeiten vorhanden, um die Frage nach Deutschkenntnissen zu beantworten, („Deutsch Muttersprache“, „Deutsch verhandlungssicher“, „Deutsch fortgeschritten“ und „Deutsch Grundkenntnisse“), lässt sich nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit erkennen, dass der Arbeitgeber nur Muttersprachler sucht und geringere Sprachkenntnisse nicht ausreichen lässt. Jura Intensiv 5. Die Einstellung eines jüngeren Bewerbers, der über keine einschlägige Berufsausbildung, aber über einschlägige Berufserfahrung verfügt, indiziert keine Diskriminierung wegen des Alters. Die Beweislastregel des § 22 AGG BAG, Urteil vom 26.01.2017 8 AZR 736/15 SACHVERHALT Der Kläger, als schwerbehinderter Mensch anerkannt, war bei der Beklagten als Kurierfahrer teilzeitbeschäftigt. Ob neben dem Kläger noch andere der insgesamt 16 teilzeitbeschäftigten Kuriere als schwerbehinderte Menschen anerkannt sind, ist zwischen den Parteien streitig. Im Juni 2013 stockte die Beklagte die wöchentliche Arbeitszeit von zwölf der teilzeitbeschäftigten Kuriere um jeweils fünf Stunden auf. Der Kläger, der zuvor mehrfach um die LEITSATZ Die Vermutung der Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gemäß § 22 AGG greift nur, wenn Indizien bewiesen werden, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit und nicht nur möglicherweise darauf schließen lassen, dass der in § 1 AGG genannte Grund für die Benachteiligung mitursächlich ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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