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RA Digital - 07/2017

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366 Öffentliches Recht

366 Öffentliches Recht RA 07/2017 LÖSUNG Das umstrittene Hausverbot ist rechtmäßig, wenn es auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht, die formell und materiell ordnungsgemäß angewendet wurde. I. Ermächtigungsgrundlage für das Hausverbot Diese Ausführungen sind wegen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes rechtlich fragwürdig (vgl. Beaucamp, JA 2003, 231, 234; Ehlers, DÖV 1977, 737, 741 f.). Allerdings besteht im Ergebnis Einigkeit, dass es in öffentlichen Gebäuden ein Hausrecht gibt, das auch Eingriffsmaßnahmen legitimiert. Unstreitig sind zudem die Voraussetzungen des Hausrechts. Beachte: Der Gerichtspräsident wird hier nicht judikativ, sondern als Behörde tätig, sodass das Hausverbot eindeutig ein VA ist. Die Gerichte prüfen die Bestimmtheit wegen ihrer Verankerung in § 37 I VwVfG stets in der formellen Rechtmäßigkeit. Da es sich um eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips handelt, könnte die Prüfung alternativ aber auch in der materiellen Rechtmäßigkeit erfolgen. Beachte: Für die Bestimmtheit eines VA ist nicht nur auf dessen Tenor, sondern auch auf die Begründung und auf alle den Beteiligten bekannten nähere Umstände des Erlasses abzustellen (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 37 Rn 6, 12). „Rechtsgrundlage für die Anordnung, ein öffentlichen Zwecken dienendes Gebäude nicht zu betreten, ist das Hausrecht der Verwaltungsbehörde im öffentlichen Bereich. Es umfasst das Recht, zur Wahrung der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung und insbesondere zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebes über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtung zu bestimmen. Eine besondere gesetzliche Regelung ist hierfür nicht erforderlich. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich daraus, dass eine Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, auch bestimmen können muss, ob sie eine Person vom Betreten ihrer Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört.“ II. Formelle Rechtmäßigkeit des Hausverbots Das Hausverbot muss formell rechtmäßig sein. „Handelt es sich bei dem Gebäude - wie hier - um ein Gericht, steht das Recht zur Ausübung des Hausrechts dessen Präsidenten bzw. Direktor als Organ der Justizverwaltung zu, sofern es nicht durch Wahrnehmung sitzungspolizeilicher Befugnisse der Vorsitzenden der Spruchkörper nach § 176 GVG verdrängt wird.“ Da es nicht um sitzungspolizeiliche Anordnungen geht, war der Präsident des Amtsgerichts für den Erlass des Hausverbots zuständig. Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Jedoch könnte dem Hausverbot die notwendige Bestimmtheit fehlen. Jura Intensiv „Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Wille der Behörde für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt erlassen wird, unzweideutig erkennbar geworden und keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. So liegt der Fall hier. Bei der gebotenen Zusammenschau von Tenor und Begründung der angefochtenen Bescheide geht aus diesen hinreichend deutlich hervor, welche Verhaltensweisen - d.h. welche „angekündigten Befragungen“ - dem Antragsteller mit dem Hausverbot untersagt wurden.“ Somit ist das Hausverbot formell rechtmäßig. III. Materielle Rechtmäßigkeit des Hausverbots Das verhängte Hausverbot ist materiell rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt sind. Zwar ist das dem Hausverbot zugrunde liegende Hausrecht nicht ausdrücklich normiert, doch ergeben sich seine Voraussetzungen aus seinem Sinn und Zweck. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2017 Öffentliches Recht 367 „Der Ausspruch eines Hausverbots hat präventiven Charakter, indem er darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde zu vermeiden. Es dient dem öffentlichen Interesse an einem ungestörten Ablauf des Dienstbetriebes. Dieses Interesse richtet sich nicht nur darauf, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung in dem Sinne zu gewährleisten, dass Störungen der Tätigkeit des Hoheitsträgers selbst unterbleiben. Die Sicherstellung des ungestörten Ablaufs des Beratungs- und Dienstleistungsbetriebes in den Dienstgebäuden dient darüber hinaus auch der Wahrung der Rechte der Mitarbeiter aus Gründen der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht und der Wahrung der Rechte der übrigen Kunden bzw. Besucher. Das ausgesprochene Hausverbot hat grundsätzlich zunächst die Tatsachen zu benennen, die in der Vergangenheit den Hausfrieden gestört haben. Weiter ist anzuführen, dass in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und das Hausverbot daher geeignet und erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern. Allerdings muss eine (ggf. Justiz-)Behörde auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und sie ihr Anliegen ungehindert vortragen lassen. Sie kann daher nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist ihr vielmehr erst dann eröffnet, wenn der Dienstablauf nachhaltig gestört wird, zum Beispiel weil Bedienstete beleidigt werden oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagiert und mit einer Wiederholung derartiger Vorfälle zu rechnen ist.“ 1. Nachhaltige Störung des Betriebsablaufs Es muss eine nachhaltige Störung des Betriebsablaufs im Amtsgericht vorliegen. „Es bedarf […] keiner Entscheidung, ob der Antragsteller durch sein Verhalten den ungestörten Ablauf des Dienstleistungsbetriebes im Amtsgericht ... (auch) dadurch gestört hat, dass er […] außerhalb der gesetzlichen Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf Richter und Beamte einwirkte, um den Anliegen des Vollstreckungsschuldners ... ... Nachdruck zu verleihen.“ Jura Intensiv Denn es kommt zumindest eine Beeinträchtigung der Rechte der Gerichtsbesucher und der Gerichtsbediensteten in Betracht. a) Beeinträchtigung der Rechte der Gerichtsbesucher Die Gerichtsbesucher könnten in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I 1 GG beeinträchtigt sein, welches dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre dient. „Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, „deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird“. Das Gleiche gilt für Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil das Bekanntwerden nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst. Mit diesem Inhalt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht wie die Grundrechte allgemein zwar primär ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Die Grundrechte konstituieren jedoch gleichzeitig eine Werteordnung, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten mittelbar prägt, indem sie bei der Auslegung des einfachen Rechts - und hier bei der Ausübung des einfachgesetzlich verankerten Hausrechts - zu beachten ist. Sinn und Zweck des Hausrechts/ Hausverbots Das Gericht differenziert nicht zwischen Tatbestand und Rechtsfolge des Hausrechts, was in einer Klausur aber zwingend geboten ist. Tatbestandsvoraussetzung: Bereits eingetretene nachhaltige Störung des behördlichen Betriebsablaufs, mit der in Zukunft erneut zu rechnen ist. Dabei umfasst ein störungsfreier Betriebsablauf auch die Wahrung der Rechte der Behördenmitarbeiter und der Kunden. Rechtsfolge: Ermessen. Gericht lässt offen, ob die eigentliche Diensttätigkeit im Amtsgericht beeinträchtigt wird. APR, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I 1 GG Schutzbereich des APR Hier: Schutz privater Angelegenheiten vor öffentlicher Erörterung Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Ist relevant, weil die Beeinträchtigung nicht unmittelbar durch den Staat, sondern durch eine Privatperson (J) erfolgt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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