Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 07/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Verlags
  • Beschluss
  • Urteil
  • Recht
  • Abtretung
  • Entscheidung
  • Strafrecht
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

378 Referendarteil:

378 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 07/2017 Heilung des Zustellungsmangels durch Zugang bei dem Empfangsberechtigten Ist die Klage unzulässig, ist die Begründetheit eigentlich nicht mehr zu prüfen. In der Praxis weichen die Gerichte hiervon bei eindeutiger Unbegründetheit zuweilen ab, da so grds. ein größerer Rechtsfrieden erreicht wird. In der Klausur sollte bei Unzulässigkeit hilfsgutachterlich weitergeprüft werden. Das Herausgabeverlangen lässt sich auf § 46 I 1 PolG NRW stützen: Danach sind die Sachen an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind. Tatbestandsvoraussetzungen: Voraussetzung für Sicherstellung: Betroffener darf nicht Eigentümer oder Besitzberechtigter sein. Hierfür ist die zivilrechtliche Eigentumsvermutung zu widerlegen. Allgemeine Grundsätze für Widerlegung der Eigentumsvermutung BGH, NJW 2002, 2101 Allerdings wurde dieser Zustellungsmangel am 15. Januar 2014 gemäß § 8 LZG NRW geheilt. Danach gilt ein unter Verletzung zwingender Zustellvorschriften zugegangenes Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Der angefochtene Bescheid vom 13. Januar 2014 ist den früheren Bevollmächtigten der Klägerin als Empfangsberechtigten nachweislich am 15. Januar 2014 zugegangen. Die früheren Bevollmächtigten der Klägerin haben mit dem nicht unterschriebenen Schreiben vom 10. Februar 2014 auf dem Postweg eine Ablichtung des Bescheides vom 13. Januar 2014 vorgelegt, auf der der handschriftliche Vermerk „p. Abgabe Mdt.15.01.14 KA/CB ... „ lesbar, der Fristenstempel/-vermerk jedoch abgedeckt ist. Zur Überzeugung des Gerichts bedeutet der vorerwähnte Vermerk: „persönliche Abgabe durch Mandant am 15. Januar 2014 KA/CB ( ... )“. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Ziffern ... eine Mobilfunkrufnummer darstellen, die ausweislich der Erkenntnisse des Beklagten in der Vergangenheit von der Klägerin als ihre eigene Rufnummer angegeben wurde. Darüber hinaus ist die Klage auch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herausgabe des sichergestellten Bargeldes, wie sich aus den Gründen des Eilbeschlusses vom 14. März 2014 - 17 L 211/14 - ergibt, “Rechtsgrundlage für die Sicherstellung des Geldes ist § 43 Nr. 2 PolG NRW. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Das Polizeipräsidium H. war für die Sicherstellung des in Rede stehenden Bargeldbetrages zuständig. Der Verfügung liegt die Annahme zugrunde, dass die Antragstellerin nicht legal in den Besitz des Geldes gekommen ist; sie bezweckt den Schutz des Eigentümers bzw. rechtmäßigen Besitzers. Damit ist das Polizeipräsidium H. aus Gründen der ihm originär übertragenen Aufgaben der Kriminalitätsbekämpfung (§ 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 PolG NRW) tätig geworden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung nach § 43 Nr. 2 PolG NRW lagen im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vor. Eine rechtmäßige Sicherstellung nach dieser Vorschrift ist begrifflich nur möglich, wenn derjenige, bei dem eine Sache sichergestellt werden soll, weder Eigentümer noch Besitzberechtigter ist. So liegt der Fall hier. Es liegen gewichtige Beweisanzeichen vor, die das von der Antragstellerin behauptete Eigentum an dem fraglichen Geldbetrag erschüttern und damit der aus § 1006 Abs. 1 BGB folgenden Eigentumsvermutung die Grundlage entziehen. Nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB wird zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er beim Besitzerwerb auch Eigentümer der Sache geworden ist. Jura Intensiv Die gesetzliche Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 292 ZPO) widerlegt werden. Ob die Eigentumsvermutung widerlegt ist, entscheidet das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO). Wegen der Unzuverlässigkeit des Schlusses vom Besitz auf das Eigentum dürfen an die Widerlegung der Vermutung keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Beklagte nicht gezwungen, jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 379 Vielmehr mutet ihm § 1006 BGB den Gegenbeweis nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den substantiierten Sachvortrag des Klägers - des Besitzers - abgesteckten Rahmen zu. Danach kann die Eigentumsvermutung auch mithilfe von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden. Trotz Zubilligung dieser Beweiserleichterungen müssen allerdings zumindest Umstände bewiesen werden, die das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des Besitzers oder die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen. Im Falle der Heranziehung von Indizien und Erfahrungssätzen ist die Eigentumsvermutung widerlegt, wenn diese mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das vermutete Eigentum des Besitzers erschüttern. Nach diesen Maßgaben ist die zugunsten der Antragstellerin wirkende Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB durch entgegenstehende Beweisanzeichen widerlegt. Jedenfalls erscheint das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher. So ist die Angabe der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift, der Geldbetrag sei in den letzten Jahren angespart worden und stamme aus Kindergeldzahlungen sowie aus Einnahmen aus dem Schrotthandel ihres Ehemannes, kaum glaubhaft und aller Wahrscheinlichkeit nach nur vorgeschoben. Die Antragstellerin hat ihre Einkommens- und Vermögenssituation nicht offen gelegt. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zwar gestellt, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse allerdings nicht abgegeben worden. Nach Recherchen des Antragsgegners ist das Schrotthandelsgewerbe des Ehegatten der Antragstellerin bereits im August 2011 abgemeldet worden. Staatliche Leistungen - mit Ausnahme eines monatlichen Kindergeldbetrages von 1633,- Euro - werden nach vom Antragsgegner eingeholten Auskünften von der Antragstellerin und ihrer 10-köpfigen Familie nicht bezogen. Auf den von der Antragstellerin dem Antragsgegner vorgelegten Kontoauszügen vom 14. Oktober 2013 sind außer Kindergeldzahlungen keine weiteren Zahlungseingänge ersichtlich. Der Kontostand wird dort mit + 6,44 Euro angegeben. Nach eigenen Angaben der Antragstellerin beträgt die monatliche Wohnungsmiete ca. 600,- Euro einschließlich der Nebenkosten. Wie die Antragstellerin bei der sich aus diesen Erkenntnissen ergebenden finanziellen Situation ihren Lebensunterhalt bestreitet, kann ebenso wenig nachvollzogen werden, wie das behauptete Ansparen von 6000,- Euro möglich sein kann. Dies widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Einen konkreten Zweck, wofür das Geld angespart worden sein soll, hat die Antragstellerin nicht angegeben. Hinzu kommt, dass es an einer plausiblen Erklärung fehlt, warum sie den angeblich angesparten Geldbetrag von immerhin 6000,- Euro in ihrem Büstenhalter versteckt mit sich führte und nicht etwa auf dem vorhandenen Girokonto sicher aufbewahrte. Betrachtet man ferner das einschlägige In-Erscheinung-Treten der Antragstellerin und weiterer Mitglieder ihrer Familie wegen Eigentumsdelikten, drängt sich der Verdacht der deliktischen Erlangung des hier fraglichen Geldes geradezu auf. Zu den dem familiären Umfeld der Antragstellerin zugerechneten Eigentumsdelikten gehört insbesondere auch der Diebstahl von Bargeld. So besteht nach den vom Antragsgegner übersandten Unterlagen der dringende Verdacht, dass die Tochter D. der Antragstellerin am 24. Januar 2014 in einer Zahnarztpraxis einen Bargeldbetrag von 800,- Euro aus einer Geldbörse entwendet hat. Mit Blick auf die die Antragstellerin und weitere Jura Intensiv BVerwG, NJW 2003, 689; BGH, MDR 1977, 661 m.w.N. BGH, NJW 1993, 935 Nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze erfolgt die Subsumtion des konkreten Sachverhalts. Hierfür sind die Angaben im Aktenstück und der Vortrag der Beteiligten umfassend auszuwerten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats