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RA Digital - 07/2018

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362 Referendarteil:

362 Referendarteil: Zivilrecht RA 07/2018 Prozessgeschichte II im Indikativ Perfekt: Durchgeführte Beweisaufnahme. Hierfür muss auf das Protokoll in der Akte mit Datum und unter Angabe der Seitenzahl verwiesen werden. Gesamtergebnis Das Gericht zitiert die Anspruchsgrundlage nicht allein aus § 1004 I BGB analog, sondern gibt bereits im Obersatz die Quelle aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht an. Anspruch auf solche Handlungen, die die Störung beseitigen Ist, wie hier, die Verletzung des APR klar gegeben, können und sollten Sie sich an dieser Stelle kurz fassen. Sog. „Privatzonen-Maskierung“ vorliegend unerheblich, da diese von außen nicht erkennbar ist Bereits der „Überwachungsdruck“ (also das Nichtwissen, ob überwacht wird) genügt hier für einen Anspruch aus dem APR. Auch „Kameradummies“ müssen daher beseitigt werden, siehe dazu auch BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09 und OLG Köln, Urteil vom 20.10.2008, 21 U 22/08. Zwischen den Parteien gab es bereits ein sog. „zerrüttetes Nachbarschaftsverhältnis“, das eine tatsächliche Überwachung plausibel erscheinen ließ. Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beschluss vom …, Bl. … d.A., durch Vernehmung der Zeugen A und B. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom …, Bl. … d.A. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist im Hauptantrag unbegründet, im Hilfsantrag begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der Störung durch die drei Überwachungskameras aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG i.V.m. §§ 823 I und 1004 I BGB analog. Dabei ist die Beklagte lediglich dazu verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die auf ihrem Grundstück aufgestellten drei Überwachungskameras objektiv nachprüfbar nicht das klägerische Grundstück erfassen und eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist. Kein Anspruch besteht demgegenüber auf Entfernung der Kameras. Durch die auf dem Grundstück der Beklagten installierten drei Überwachungskameras wird das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger verletzt, weshalb ihnen ein Anspruch auf Beseitigung der Störung zuzuerkennen ist. „Der Umstand, dass die Kameras eine Privatzonen - Maskierung (Schwärzung) aufgrund der Konfigurationseinstellung haben, die die von den Kameras erfassten Grundstücksteile der Kläger unsichtbar machen, ändert hieran nichts. Zwar liegt hierdurch keine aktuelle Überwachung vor, aber es besteht ein Überwachungsdruck durch Ausrichtung der Kameras in Richtung auf das Grundstück der Kläger. Denn ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht besteht bereits dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchtet werden muss. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint. Dies gilt insbesondere bei einem eskalierenden Nachbarschaftsstreit oder einem zerrütteten Nachbarschaftsverhältnis. Zwar reicht allein das Beschreiten des Rechtswegs der Parteien und die damit verbundene Belastung des nachbarschaftlichen Verhältnisses nicht ohne Weiteres aus, den Schluss dahingehend zu ziehen, dass sich die Beklagte zukünftig rechtswidrig verhalten würde und die Kameras zur Überwachung einsetzt. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte auch tatsächlich überwacht zu werden, ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn dies aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint. Jura Intensiv Dass dies vorliegend der Fall ist, hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt. Hiervon ist nicht nur wegen des schon vorangegangenen Rechtsstreits vor dem Amtsgericht auszugehen, sondern insbesondere auch deshalb, weil sich die Parteien trotz des damaligen Abschlusses eines Vergleichs nach wie vor gegenseitig „Stalking“ und „Bespannung“ vorwerfen, wie sich aus den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten ergibt. Auch das übrige Parteiverhalten lässt den Schluss zu, dass es sich um ein zerrüttetes Nachbarschaftsverhältnis handelt.“ Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2018 Referendarteil: Zivilrecht 363 Die Privatzonen - Maskierung (Schwärzung), welche beim unangekündigten Kontrollbesuch durch den Zeugen A., der als Polizeibeamter auf Veranlassung der Klägerin zu 1 bei der Beklagten die Kameras prüfte, vorhanden war, beseitigt diesen Überwachungsdruck nicht. Insofern waren die Aussagen der Zeugen im Ergebnis unergiebig. Zwar kann nach Angaben des Zeugen B., der die Schwärzung installiert hatte, diese nur durch den Administrator mit Passwort geändert werden. Und diese Administratorenrechte liegen bei der Firma des Zeugen B. Jedoch ist es, wie der Zeuge B. ebenfalls bekundet hat, möglich die BNC Verbindung abzustecken und an einen anderen Recorder anzuschließen. Dann wäre die Verpixelung nicht mehr vorhanden. Eine solche Veränderung ist von außen, also vom Nachbargrundstück, nicht erkennbar. Zudem wäre denkbar, dass die Beklagte den Administrator anweisen würde, die Maskierung zu ändern. Der Hauptantrag war allerdings unbegründet, denn entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ergibt sich aus dem bestehenden Anspruch auf Beseitigung der Störung des Persönlichkeitsrechts kein Anspruch auf Beseitigung der Kameras. Vielmehr besteht nur, wie im Hilfsantrag geltend gemacht, ein Anspruch auf Ergreifung geeigneter Maßnahmen, die sicherstellen, dass das klägerische Grundstück nicht erfasst wird und gewährleisten, dass Veränderungen von außen sichtbar sind. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH, der sich das Gericht anschließt, ist die eingeschränkte Verurteilung - also Sicherstellung durch geeignete Maßnahmen, dass prüfbar keine Erfassung des Grundstücks der Kläger erfolgt und Veränderungen nur sichtbar möglich sind - zutreffend. Grundsätzlich ist es bei einem Anspruch auf Beseitigung einer gegenwärtigen Beeinträchtigung nach § 1004 I 1 BGB (analog) dem Schuldner überlassen, wie er die Beeinträchtigung beseitigt. Eine Verurteilung zu einer bestimmten Maßnahme kommt nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung nur durch diese Maßnahme beseitigt werden kann bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können. Jura Intensiv Neben der Beseitigung der Kameras sind solche anderen Maßnahmen vorliegend durchaus denkbar. Eine Beseitigung des Überwachungsdrucks ohne Beseitigung der Überwachungskameras ist beispielsweise denkbar durch Errichtung einer Barriere (Mauer/Hecke) zwischen den Kameras und dem Nachbargrundstück auf dem Grundstück des Beklagten, soweit baurechtlich und nachbarrechtlich zulässig, oder durch die Installierung fester Bleche an den Kameras, die den Aufnahmebereich einschränken. Dem Gericht ist aus anderen einschlägigen Verfahren, in denen es sachverständig beraten war, bekannt, dass bei Installation fester Bleche an den Kameras zur Vermeidung der Erfassung des Nachbargrundstücks vom Nachbargrundstück geprüft werden kann, ob die Kameras eine Überwachung ermöglichen. Sieht man vom Nachbargrundstück die Linse der Kamera, dann ist sie auf das Nachbargrundstück gerichtet, sieht man wegen der fest installierten Bleche die Linse nicht, dann besteht keine Überwachung. Berücksichtigt werden muss hierbei auch, dass der Beklagten die Überwachung des eigenen Grundstücks durch Kameras erlaubt ist. Die Befugnis, den eigenen räumlichen Bereich mit Videokameras zu überwachen, steht in verfassungsrechtlicher Hinsicht unter dem Schutz des Eigentumsrechts des Art.14 I GG. Eine Beweiserhebung über die Schwärzung war hier erforderlich, da für die Frage der Beseitigung des Überwachungsdrucks entscheidend war, ob es sich um eine veränderbare Einschränkung handelte oder nicht. Hier folgt eine sehr konzentrierte Darstellung der Beweisaufnahme. Die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit der Zeugen musste nicht geprüft werden, da die Aussagen insoweit bereits unergiebig waren. Problematisch war hier die Frage des Anspruchsinhalts des Hilfsantrages. Dass man Nachbarn nicht grundsätzlich verbieten kann, Kameras zu installieren, wenn sichergestellt ist, nicht selbst betroffen zu sein, versteht sich fast von selbst. BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09 Wesentlicher Grundsatz bei Beseitigungsansprüchen: Wie der Schuldner die Beeinträchtigung abstellt, bleibt ihm überlassen, solange er es nur tut. Eine Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme kann nur erfolgen, wenn es nur eine vernünftigerweise denkbare Beseitigungsmaßnahme gibt, BGH, Urteil vom 12.12.2003, V ZR 98/03 und Urteil vom 10.06.2005, V ZR 251/04, Palandt/Herler, BGB, § 1004 BGB, Rn 51. Hier ist mehr als eine denkbare Beseitigungsmaßnahme möglich. Das Gericht verwertet gem. § 291 ZPO „gerichtsbekannte Tatsachen“. Diese müssen weder vorgetragen noch bewiesen werden. Das Gericht muss die Parteien aber darauf hinweisen, wenn es gerichtsbekannte Tatsachen verwerten will (§ 139 ZPO – Verbot der Überraschungsentscheidung). Aus § 903 BGB, Art. 14 I GG: Zur Befugnis, den eigenen räumlichen Bereich mit Kameras zu überwachen, siehe BGH, Urteil vom 25.04.1995, VI ZR 272/94 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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