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RA Digital - 07/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

338 Zivilrecht

338 Zivilrecht RA 07/2019 Beide Versicherungen sind der Auffassung, einer Haftung aus § 7 I StVG stünde zunächst entgegen, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb der Fahrzeuge und dem Schaden fehle. Schließlich sei das Unfallereignis beendet gewesen, die beteiligten Fahrzeuge gesichert und außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs aufbewahrt worden. Dies habe den Zurechnungszusammenhang unterbrochen. Das Zweitgeschehen stehe nicht mehr in einem hinreichend engen Zusammenhang mit der unfallspezifischen Gefahrensituation. Ferner fehle der Zurechnungszusammenhang auch deshalb, weil ein Dritter durch sein Eingreifen den Brand verursacht habe, denn nur durch das Verhalten des J habe der Brand entstehen können. Der Fall sei nicht mit einer Selbstentzündung eines Pkw, sondern mit dem vorsätzlichen In-Brandsetzen eines Pkw durch einen Dritten vergleichbar. Hilfsweise meinen sie, bei den Ansprüchen sei eine Mitverschuldensquote von 40 % abzuziehen. Zu Recht? Die Rückgriffskette ist komplex. Es sind insgesamt 6 Personen in den Fall involviert. Deshalb ist es hier klug, alle Voraussetzungen „vor der Klammer“ aufzulisten. Voraussetzungen des § 86 VVG Wer Pflichtversicherer gem. § 113 VVG ist, richtet sich nach § 1 PflichtversG. Anmerkung: Ansprüche aus §§ 86, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 823 I BGB werden aus Platzgründen nicht geprüft. PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch K gegen B2 aus §§ 86, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 7 I StVG I. Versicherungsvertrag zwischen K und J i.S.d. § 86 VVG II. Versicherungsvertrag zwischen F und B2 gem. §§ 113 VVG, 1 PflichtversG III. Haftung der F aus § 7 I StVG B. Anspruch K gegen B1 aus §§ 86, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 7 I StVG I. Voraussetzungen der § 86 VVG sowie §§ 115 I 1 Nr. 1, 113 VVG II. Haftung des H aus § 7 I StVG C. Gesamtschuldverhältnis D. Ergebnis LÖSUNG Jura Intensiv A. Anspruch K gegen B2 aus §§ 86, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 7 I StVG K könnte gegen B2 einen Anspruch aus §§ 86, 115 I 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 I StVG haben. Dies setzt voraus, dass ein Versicherungsvertrag zwischen K und J besteht, F dem J aus § 7 I StVG haftet und F bei B2 gem. § 113 VVG haftpflichtversichert ist. I. Versicherungsvertrag zwischen K und J i.S.d. § 86 VVG Zwischen K und J besteht unstreitig ein Versicherungsvertrag über eine Gebäude- und Hausratsversicherung. J hat bei K einen Schaden geltend gemacht. Wenn und insoweit K diesen Schaden reguliert, gehen bestehende Ansprüche des Versicherten J gegen die Unfallverursacherin F auf K über. Ebenfalls gehen die Direktansprüche des J gegen die Haftpflichtversicherung der F (B2) aus § 115 I 1 Nr. 1 VVG auf K über. II. Versicherungsvertrag zwischen F und B2 gem. §§ 113 VVG, 1 PflichtversG B2 wiederum haftet gem. § 115 I 1 Nr. 1 VVG als Gesamtschuldnerin neben F, wenn B2 Pflichtversicherer der F gem. § 113 VVG ist. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist eine Pflichtversicherung gem. § 1 PflichtversG. Somit hängt der Direktanspruch aus § 115 I 1 Nr. 1 VVG hier nur noch davon ab, ob F dem J auf Schadensersatz haftet. In Betracht kommt eine Haftung aus § 7 I StVG. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Zivilrecht 339 III. Haftung der F gegenüber J aus § 7 I StVG F müsste als Halterin eines der Unfallfahrzeuge für die Brandschäden aus § 7 I StVG haften. 1. Rechtsgutsverletzung Indem die Werkstatt und das Haus des J durch den Brand beschädigt wurde, wurden fremde Sachen beschädigt und mithin Rechtsgüter i.S.d. § 7 I StVG verletzt. 2. Halter eines KfZ F ist Halter eines der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge. 3. Kausalität § 7 I StVG verlangt, dass sich der Unfall bei Betrieb des betroffenen Fahrzeugs ereignet hat. Daraus wird allgemein geschlossen, dass sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs im Kausalverlauf realisiert haben muss. Dies heißt konkret, dass die Schäden am Eigentum des J innerhalb des Zurechnungszusammenhangs des Betriebs des Fahrzeugs der F entstanden sein müssen. Für den Begriff des Betriebs ist vom einzelnen Betriebsvorgang als Haftungsgrundlage auszugehen. [8] Voraussetzung des § 7 Absatz 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Absatz 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Jura Intensiv Ob dieser Zusammenhang hier noch besteht, ist fraglich. Problematisch ist erstens, ob ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Betrieb im Straßenverkehr besteht, denn das von F beschädigte Fahrzeug des H befand sich bei Ausbruch des Brandes bereits seit eineinhalb Tagen außerhalb des Straßenverkehrs auf einem Privatgelände. [9] Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte Brandschaden der von den Fahrzeugen der Versicherungsnehmer der Beklagten ausgehenden Betriebsgefahr im Sinne § 7 Absatz 1 StVG zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Brandgeschehen durch einen Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz des § 7 StVG fordert nicht, dass die Opfer einer Sachbeschädigung auch Eigentümer der Sachen sein müssen. Auf den Begriff des Kraftfahrzeuges kam es hier nicht an, weil die Voraussetzungen des § 1 II StVG eindeutig erfüllt sind und kein Fall des § 8 Nr. 1 StVG vorliegt. Halter ist, wer das Kfz für eigene Rechnung gebraucht, nämlich die Kosten bestreitet und die Nutzungen zieht, Hentschel/ König/Dauer, StVG, § 7 Rn 14. Begriff des Betriebs: Hentschel/ König/Dauer, StVG, § 7 Rn 4 Auf den nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung kommt es an. Hier erfolgt die Subsumtion durch den Senat. Er dehnt die Reichweite der Betriebsgefahr weit aus. Es genügt der betriebsbedingte Unfall im Straßenverkehr. Fraglich ist, ob die zeitliche Unterbrechung von eineinhalb Tagen oder das Abstellen auf dem Privatgelände den Zurechnungszusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr unterbrochen oder beendet haben. Der Senat sieht ein Fortwirken des Unfalls über den Kurzschluss zum Brand des Kfz hin zum Gebäudebrand und bejaht folgerichtig den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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