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RA Digital - 07/2020

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340 Zivilrecht

340 Zivilrecht RA 07/2020 Das Berufungsgericht hatte sich davon überzeugt, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung tatsächlich Kenntnis vom Einsatz der Software hatte. Entscheidend ist hier, dass B nicht gem. § 138 IV ZPO mit Nichtwissen hätte bestreiten dürfen, denn der Umstand lag in der Wahrnehmungssphäre der B. Deshalb gilt die Tatsache wegen nicht erheblichen Bestreitens gem. § 138 III ZPO als zugestanden. Auf eine namentliche Nennung kam es nicht an. Chef der Motorenentwicklung war 2011 aufgeklärt worden Wichtig für kommende Prozesse: Ein Bereichsleiter, wie z.B. ein Chef der Motorenentwicklung, kann sehr wohl ein weiterer verfassungsmäßiger Vertreter sein, dessen Wissen der AG analog § 31 BGB zugerechnet wird, weil er aufgrund seiner Entscheidungsbefugnisse und Stellung das Unternehmen nach außen repräsentiert. Damit liegt die Zurechnungsschwelle niedriger als angenommen. Nach Auffassung des BGH hat das OLG Koblenz zutreffend die Kenntnis des vormaligen Vorstandes von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung festgestellt. K trägt grundsätzlich sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast. Deshalb muss K darlegen, dass ein Mitglied des Vorstandes Kenntnis hatte. Das Problem bestand in der Praxis darin, dass kein Kläger ein Vorstandsmitglied namentlich als Kenntnisträger benennen konnte. [30] Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Vortrag des Klägers, wonach der vormalige Leiter der Entwicklungsabteilung im Jahr 2011 Kenntnis von den illegalen Praktiken in Bezug auf die unzulässige Abschalteinrichtung erlangt und dies im Bewusstsein der Täuschung über die Zulassungsfähigkeit der Fahrzeuge gebilligt habe, nicht mit Nichtwissen hätte bestreiten dürfen. Der Vortrag ist mithin als zugestanden anzusehen, § 138 Abs. 3 ZPO. Die Revision der Beklagten ist dem nicht entgegengetreten. [31] Soweit die Revision der Beklagten in diesem Zusammenhang (nur) rügt, es sei nicht erkennbar, welche Person das Berufungsgericht meine, greift das nicht durch. Das Berufungsgericht hat seine Feststellungen unter anderem auf der Grundlage des klägerischen Vortrags, wonach der „damalige Chef der Motorenentwicklung … im Jahr 2011 von einem Motorentechniker vor illegalen Praktiken mit den Abgaswerten gewarnt worden ist“, getroffen. Damit ist dem Berufungsurteil eindeutig zu entnehmen, auf das Wissen und Wollen welcher Person das Berufungsgericht abgestellt hat. [33] Es hat ferner ohne Rechtsfehler angenommen, dass er als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne von § 31 BGB gehandelt hat. Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten waren (weitere) tatsächliche Feststellungen dazu, dass der vormalige Leiter der Entwicklungsabteilung die Beklagte im Rechtsverkehr, also nach außen repräsentierte, sowie dass die Tätigkeiten, die er wahrzunehmen hatte, wesensmäßige Funktionen der Beklagten darstellten, nicht erforderlich. Der Leiter der Entwicklungsabteilung eines großen, weltweit tätigen Automobilherstellers wie der Beklagten hat eine für dessen Kerngeschäft verantwortliche, in besonderer Weise herausgehobene Position als Führungskraft inne. Daraus folgt unmittelbar, dass ihm bedeutsame, wesensmäßige Funktionen des Unternehmens zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, er also das Unternehmen auf diese Weise repräsentiert. (…) Jura Intensiv Zu prüfen bleibt, ob die Kenntnis vom Einsatz der Manipulationssoftware bei einem Mitglied des Vorstandes vorlag. [34] (…) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ferner festgestellt, dass der vormalige Vorstand der Beklagten von der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hat. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision der Beklagten greifen nicht durch. [35] Nach allgemeinen Grundsätzen trägt zwar derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände. Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2020 Zivilrecht 341 [36] In bestimmten Fällen ist es indes Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier der Kläger - vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. [37] Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. Die sekundäre Darlegungslast führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. [39] Zu Recht hat das Berufungsgericht in Anwendung dieser Maßstäbe angenommen, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast trifft. Der Kläger hat, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung - wie bereits dargelegt - um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten. Wegen der besonderen Schwierigkeiten des Klägers, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten Vorstandsmitglieds ergibt, hat das Berufungsgericht die Einlassung der Beklagten, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe, mit Recht nicht für ausreichend gehalten. Rechtsfehlerfrei hat es der Beklagten auferlegt mitzuteilen, welche Ermittlungen mit welchem Ergebnis sie insoweit angestellt habe und über welche Erkenntnisse sie insoweit verfüge. Dies wäre ihr möglich und zumutbar gewesen. Jura Intensiv Viele Kläger behaupteten deshalb, der Vorstand insgesamt und insbesondere der Vorstandsvorsitzende hätten Kenntnis gehabt, ohne dies näher zu konkretisieren und traten den Beweis an, indem sie den damaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn als Zeugen benannten. Viele Gerichte wiesen dies nach einfachem Bestreiten seitens VW als so genannten Ausforschungsbeweisantrag zurück, bei dem die eigentlich vom Kläger darzulegenden Tatsachen durch die Zeugenaussage erst noch ermittelt werden sollten. Subsumtionsdichte des Klägervortrags entscheidet über Substantiierungslast des Beklagten Der BGH lässt solche unpräzisen Tatsachenvorträge ohne namentliche Nennung hier genügen und sieht dadurch bei VW eine sekundäre Darlegungslast ausgelöst. Danach soll VW über die internen Strukturen aufklären müssen. Geschieht dies nicht, gilt die Behauptung des Anspruchsstellers, der Vorstand habe Kenntnis gehabt, bzw. das dem Leiter der Entwicklung vorgesetzte Vorstandsmitglied habe Kenntnis gehabt. Der Kläger hat objektive Tatsachen vorgetragen, die auf eine Kenntnis des Vorstandsmitgliedes schließen ließen. Der Kläger konnte darüber hinaus nicht darlegen, welches Vorstandsmitglied genau Kenntnis besaß. Die Antwort, dass keins der Vorstandsmitglieder Kenntnis hatte, ließ OLG Koblenz nicht genügen. Dies bestätigt nun der VI. Zivilsenat des BGH. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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