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RA Digital - 07/2021

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348 Zivilrecht

348 Zivilrecht RA 07/2021 berechtigterweise abgelehnt und der Sohn der Beklagten das Fahrzeug nicht übergeben hätte, wenn diese an den Sohn des Klägers oder ihn selbst herangetreten wäre und einen solchen verlangt hätte. [36] Dass die Beklagte ein eigenes Interesse am Fahren des Fahrzeuges hatte, ist anzunehmen. Denn sie hätte das von ihr behauptete Angebot des Sohnes auch ohne Weiteres ablehnen können, insbesondere wenn sie sich aufgrund der erst kurz zuvor erworbenen Fahrerlaubnis nicht zum Führen dieses Fahrzeuges in der Lage gesehen hätte. Eine Notwendigkeit zum Führen des Fahrzeuges hat nicht vorgelegen. Beurteilen Sie selbst, inwieweit Sie hier dem Gericht beipflichten wollen. K selbst hat der B nicht das Auto überlassen, sondern S. Das Gericht führt nicht zur Begründung an, aufgrund welcher Rechtsnorm eine Zurechnung des Verhaltens des S erfolgen soll. Auf § 254 II 2 i.V.m. § 278 BGB hat das Gericht nicht abgestellt – zu Recht, denn zwischen K und B bestand kein Schuldverhältnis. Wenn überhaupt, bestand eine Leihe zwischen K und S und eine Unterleihe zwischen S und B, mithin kein nach h.M. für § 278 BGB nötiges Schuldverhältnis zwischen Gläubiger K und Schuldnerin B. Auch bei Berufsrichtern gilt: Wenn ein Gedanke nicht aus einer korrekt mit Absatz und Satz zitierten Norm abgeleitet wird, ist Vorsicht geboten. Eine Kürzung des Anspruchs wäre hier aber nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses in Höhe von 50 Prozent geboten, sofern man der Lösung der h.L. folgt, die eine solche Kürzung im Außenverhältnis vorsieht. S hätte das Auto der B gem. § 603 S. 2 nicht überlassen dürfen und S hätte K dem Grunde nach wegen Verletzung des Leihvertrages gehaftet. Gem. § 421 BGB hätten S und B dem K als Gesamtschuldner gehaftet. Geht man lebensnah von einem Haftungsausschluss zwischen Vater K und Sohn S aus, darf sich dieser nicht zu Lasten der B auswirken, weil es einem verbotenen Vertrag zu Lasten Dritter gleichkäme. Gut vertretbar wäre es, den Anspruch des K gegen B dann um den Teil zu kürzen, der im Innenverhältnis zwischen S und B gem. § 426 I BGB auf S entfiele (was Tatfrage ist). 2. Einwand des Mitverschuldens gem. § 254 I BGB Fraglich ist, ob der Anspruch wegen des Einwands des Mitverschuldens gem. § 254 I gemindert ist. [37] Allerdings muss sich der Kläger ein Mitverschulden anrechnen lassen (§ 254 Abs. 1 BGB). Sein Sohn hätte der Beklagten nicht das Führen des Fahrzeuges gestatten dürfen, weil es absehbar war, dass die Beklagte wegen ihrer erst kurz zuvor erworbenen Fahrerlaubnis und der daraus resultieren fehlenden Fahrpraxis das Fahrzeug nicht sicher beherrschen kann. Bei dem Fahrzeug der Marke BMW 535 D handelt es sich um ein Fahrzeug mit großen Ausmaßen, das andere Anforderungen an das Führen stellt, als bei einem Kleinwagen. Zudem verfügt der Motor über eine Leistung von 200 kW, was ebenfalls besondere Anforderungen an das Führen stellt, weil schnell hohe Geschwindigkeiten erreicht werden können. Unabhängig, ob der Sohn des Klägers der Beklagten das Führen des Fahrzeuges angeboten oder diese das Führen gefordert hat, hätte der Sohn des Klägers das Fahrzeug nicht überlassen dürfen, weil die Gefahr einer Beschädigung insbesondere unter Berücksichtigung der Enge des Parkplatzgeländes nicht von der Hand zu weisen war. [38] Der Kläger muss sich das Mitverschulden seines Sohnes zurechnen lassen. Er hat seinem Sohn die Benutzung des Fahrzeuges gestattet. Der Sohn nutzte das Fahrzeug mit Wissen und Wollen des Klägers. Damit obliegt dem Sohn auch die Sorgfalt im Umgang des Fahrzeuges mit dritten Personen. Er hat dafür zu sorgen, dass Dritte im Rahmen der Benutzung des Fahrzeuges nicht geschädigt werden. Er hat auch dafür zu sorgen, dass andere Personen nicht in die Lage gesetzt werden, das Eigentum an dem Fahrzeug zu schädigen. [39] (…) Indem er seinem Sohn das uneingeschränkte Nutzungsrecht eingeräumt hat, muss sich der Kläger Handlungen seines Sohnes, die zu einer Beschädigung seines Fahrzeuges beitragen, zurechnen lassen. [40] Das Verschulden der Beklagten an der Beschädigung des Fahrzeuges und der hieraus resultierenden Folgeschäden und das dem Kläger zuzurechnende Mitverschulden ist gleichhoch zu bewerten, weshalb dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz seiner Schäden nur zur Hälfte gesteht. Jura Intensiv Folglich steht K nur ein geminderter Anspruch in Höhe von 3.937,50 € zu. ERGEBNIS K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. § 823 I BGB in Höhe von 3.973,50 €. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2021 Zivilrecht 349 Problem: Grabpflegekosten unterfallen nicht § 1968 BGB Einordnung: Erbrecht BGH, Urteil vom 26.03.2021 IV ZR 174/20 EINLEITUNG Nur in einigen Bundesländern muss das Erbrecht über Grundzüge hinaus beherrscht werden. Der Anspruch des Erben auf den Zusatzpflichtteil aus § 2305 BGB sollte allerdings bekannt sein. SACHVERHALT Die verstorbene Erblasserin E war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. K hatte sie 1981 als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. E hinterließ ein eigenhändiges Testament ohne Datum, welches durch das Nachlassgericht eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt: „Ich Margot T., geb. am 25.7.1931 Mein letzter Wille! Christine Th. möchte ich als Verwalter meiner Persönlichen Sachen Übergeben. Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“ Dieser Text befindet sich rechtsseitig auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es: “Eberhardt G. 10 %, Denise G. Dieter G. 10 %, Carolien M. 10 %, B. Heike G. 5 %, Marie-Christin 5 %, Christine 10 %, Jenal Ö. H. Rottmann 5 % und die Wohnung. Der Brilli geht nach B. an Heidi R.“ Jura Intensiv T wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Sie erstellte ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach einem weiteren auf 7.329,57 €. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 €. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 €. Der Kläger forderte die T schriftlich zur Zahlung von 3.559,77 € auf, was diese ablehnte. Sie überwies K lediglich 809,44 €. K meint, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.209,04 € zu, weil die Grabpflegekosten bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen seien. Zu Recht? LEITSÄTZE 1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB. 2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs. 3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB. Genau wie ein Gericht geben auch wir den Wortlaut des Testamentes unkorrigiert wieder, inklusive aller Fehler und eventuellen Ungereimtheiten. Rechnet man nach, ergeben 10 plus 10 plus 10 plus 5 plus 5 plus 10 plus 5 nicht 100, sondern 55. Das ist ein Problem, das zur Auslegung des Testierwillens führen wird. LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B aus § 2305 BGB auf Zahlung der 3.209,04 € K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 3.209,04 € aus § 2305 BGB haben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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