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RA Digital - 08/2016

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402 Zivilrecht

402 Zivilrecht RA 08/2016 Problem: Stillschweigender Haftungsausschluss bei einem nachbarlichen Gefälligkeitsverhältnis Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 26.04.2016 VI ZR 467/15 LEITSATZ Zu den Anforderungen an die Annahme einer Abrede über eine Haftungsbeschränkung, wenn ein Schaden bei einem Gefälligkeitserweis unter Nachbarn entstanden ist (Bewässern des Gartens). EINLEITUNG Seinen Verwandten, Freunden und Nachbarn hilft man gerne. Entsteht dabei jedoch durch ein Missgeschick ein Schaden, müssen die Helfer mit einer Haftung rechnen. Damit gut gemeinte, uneigennützige Hilfsbereitschaft nicht zu einer unberechenbaren Haftungsfalle für den Helfer wird, haben die Gerichte den sog. stillschweigenden Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit entwickelt. Wann und unter welchen Voraussetzungen er zur Anwendung kommt, zeigt die vorliegende Entscheidung des BGH. SACHVERHALT Kläger (K) ist der Nachbar des Beklagten (B). Da K einen 2-wöchigen Kuraufenthalt an der Nordsee vornehmen möchte, bittet er B in dieser Zeit sein Haus zu versorgen und den Garten zu bewässern. B kommt dem gerne nach. Am 29.07.2011 bewässert B den Nachbargarten mit einem an eine Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch. Anschließend dreht er die am Schlauch befindliche Spritze zu, stellt aber die Wasserzufuhr zum Schlauch nicht ab. In der Nacht vom 29. auf den 30.06.2011 löst sich der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze. In der Folge tritt aus dem Schlauch eine erhebliche Menge Leitungswasser aus, läuft in das Gebäude des K und führt im Untergeschoss zu Beschädigungen i.H.v. 11.691 €. Diese verlangt K von B ersetzt. B ist für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA Jura Intensiv A. Anspruch des K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB B. Anspruch des K gegen B aus § 823 I BGB I. Rechtsgutsverletzung II. Verhalten und Kausalität III. Rechtswidrigkeit IV. Verschulden V. Adäquat kausaler Schaden C. Ergebnis LÖSUNG Keine vertraglichen Ansprüche, da bloß ein Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen vorliegt A. Anspruch des K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB Ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB setzt ein Schuldverhältnis voraus. Dies könnte hier in einem Gefälligkeitsvertrag, einem Auftrag bestehen. Zweifelhaft ist angesichts der durch das Nachbarverhältnis bestehenden persönlichen Nähe, der geringen wirtschaftlichen Bedeutung für den Gefälligkeitsnehmer und einer kaum erforderlichen Qualifikation des Gefälligen, der Rechtsbindungswille des Gefälligen zum Abschluss eines Auftragsvertrages. Inhaltsverzeichnis

RA 08/2016 Zivilrecht 403 „[81] Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Versorgung des Nachbarhauses einschließlich der Bewässerung des Gartens durch den Beklagten im Rahmen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgte, in welchem es an einem Rechtsbindungswillen fehlt. Für den bei der Ausführung der Gefälligkeit entstandenen Schaden kommen daher keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche in Betracht.“ B. Anspruch des K gegen B aus § 823 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz des beschädigten Untergeschosses i.H.v. 11.691 € gem. § 823 I BGB haben. I. Rechtsgutverletzung Die durch die erhebliche Menge Leitungswasser verursachten Beschädigungen im Untergeschoss des Hauses von K stellen eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB dar. II. Verhalten und Kausalität Weil B die Wasserzufuhr zum Schlauch nicht abstellte, löste sich dadurch in der Nacht vom 29. auf den 30.06.2011 der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze, mit der Folge, dass eine erhebliche Menge Leitungswasser aus dem Schlauch austrat und das Untergeschoss flutete. Folglich wurde die Rechtsgutverletzung von B in adäquat kausaler Weise verursacht. III. Rechtswidrigkeit Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des B wird vermutet. IV. Verschulden Die Wasserzufuhr drehte B aus Unachtsamkeit nicht ab und ließ damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gem. § 276 II BGB außer Acht. Mithin handelte er leicht fahrlässig. Zu prüfen ist jedoch, ob die Haftung des B vorliegend auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. „[8] Zutreffend ist, dass gesetzliche Haftungsbeschränkungen, vor allem solche, die für unentgeltliche Verträge gelten (z.B. §§ 521, 599, 690 BGB), auf die deliktische Haftung im Rahmen der unentgeltlichen Nachbarschaftshilfe nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar sind. Dagegen spricht neben den grundsätzlichen Bedenken, dass es an einer echten Anspruchskonkurrenz zwischen deliktischen und vertraglichen Ansprüchen fehlt, schon die Tatsache, dass es für den ebenfalls unentgeltlichen Auftrag als vertragliche Entsprechung zur Hilfe unter Nachbarn eine gesetzliche Haftungsbeschränkung nicht gibt. Jura Intensiv Stillschweigende Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit Gesetzliche Haftungsbeschränkungen sind nicht anwendbar [9] Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einer Abrede des Beklagten und seines Nachbarn auszugehen sei, nach der die Haftung des Beklagten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei. [10] Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf deliktische Schadensersatzansprüche verzichtet. Eine Haftungsbeschränkung kann sich allerdings im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine solche Beschränkung aber nur ausnahmsweise Richtig zitiert folgen die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus. §§ 133, 157, 242 BGB. Inhaltsverzeichnis

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