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RA Digital - 08/2016

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414 Referendarteil:

414 Referendarteil: Zivilrecht RA 08/2016 Einwilligung oder Sachdienlichkeit BGH, Urteil vom 28.06.1994, X ZR 44/93 mwN zur Sachdienlichkeit: Interessen der Parteien und der Rechtspflege objektiv bewerten, Problem der Verzögerung des Prozesses Eine Folge des besonderen Sachmaßstabs im Berufungsverfahren: Die Klageänderung darf keinen neuen, nicht zulässigen Tatsachenvortrag erfordern, § 533 Nr. 2 ZPO. Der Parteiwechsel ist nicht von der Zustimmung des Gegners abhängig. Keine Zustimmung nach § 265 II 2 ZPO nötig, da Abtretung des Streitgegenstands vor Rechtshängigkeit und nicht danach Ob die Abgabe an das Hauptsachegericht „alsbald“ war, ist in der Praxis häufig entscheidend und problematisch. Zu der klassischen Bestimmung des Merkmals „demnächst“: Zöller-Vollkommer, ZPO, § 696, Rn 6 mwN und BGH, Urteil vom 10.07.2015, V ZR 154/14: i.d.R. 14 Tage Schuldhaft verzögerte Zahlung, BGH, Urteil vom 05.02.2009, III ZR 164/08 Keine analoge Anwendung von § 265 II 2 ZPO, falls vorprozessuale Abtretung während des Verfahrens aufgedeckt wird, MünchKomm/ Becker-Eberhard, ZPO, § 265, Rn 68 mwN. „[24] Eine Klageänderung ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Vorliegend ist der Parteiwechsel bei der gebotenen strengen Prüfung der Sachdienlichkeit eines Parteiwechsels im Berufungsverfahren als sachdienlich anzusehen. Für die Bestimmung der Sachdienlichkeit kommt es auf die objektiv zu bewertenden Interessen beider Parteien sowie der Rechtspflege an. Unter den gegebenen Umständen verzögert der Parteiwechsel die Erledigung des Prozesses nicht. Im Rechtsstreit mit der neuen Klägerin kann unter vollständiger Verwertung des bisherigen Prozessstoffs geklärt werden, ob die der früheren Klägerin berechneten Bearbeitungsgebühren rechtswirksam vereinbart worden waren.“ „[25] Als weitere Voraussetzung darf die Klageänderung nur auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Insofern ergeben sich vorliegend keine Bedenken, was den Prozessstoff anbelangt, der dem geltend gemachten Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1, § 818 II BGB auf Rückerstattung der entrichteten Bearbeitungsgebühren zugrunde liegt.“ Die Übernahme des Rechtsstreits durch die neue Klägerin bedarf schließlich nicht der Zustimmung der Beklagten. Ein Zustimmungserfordernis nach § 265 II 2 ZPO besteht nicht, denn die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche ist vor Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt. „[28] Die Streitsache gilt nicht als mit Zustellung des Mahnbescheids am 09.01.2013 als rechtshängig geworden. Denn die nach Erhebung des Widerspruchs erfolgte Abgabe an das Prozessgericht erfolgte nicht „alsbald“ im Sinne des § 696 III ZPO. Zwischen dem Eingang des Widerspruchs am 17.01.2013 und der Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth am 03.06.2013 liegt ein Zeitraum von mehr als vier Monaten. Das Merkmal „alsbald“, das wie „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO zu verstehen ist, ist nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnende Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen hält, was regelmäßig bei Verzögerungen bis zu 14 Tagen der Fall sein wird. Selbst bei Berücksichtigung des Zeitraums, den eine auf die Wahrung prozessualer Obliegenheiten bedachte Partei zur Einzahlung des für die Durchführung des streitigen Verfahrens angeforderten Kostenvorschusses benötigt hätte, sowie des für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraums stellt die erst am 27.05.2013 von der früheren Klägerin getätigte Zahlung, die einen Zahlungseingang bei der Gerichtskasse am 03.06.2013 bewirkt hat, eine schuldhafte Verzögerung von mehr als 14 Tagen dar. Rechtshängigkeit trat deshalb erst am 10.06.2013 mit Eingang der Verfahrensakten beim Prozessgericht ein.“ Jura Intensiv Die streitgegenständlichen Ansprüche sind demgegenüber unstreitig am 21.01.2013 abgetreten worden. „[30] Soweit vereinzelt die Forderung erhoben worden ist, die Vorschrift des § 265 II 2 ZPO in dem Fall analog anzuwenden, dass eine bereits vor Rechtshängigkeit erfolgte Abtretung der vom Zedenten eingeklagten Inhaltsverzeichnis

RA 08/2016 Referendarteil: Zivilrecht 415 Forderung während des Prozesses aufgedeckt wird, hat die Rechtsprechung dies bislang nicht aufgegriffen. Letztlich würde diese prozessuale Gleichbehandlung aller Fälle der Abtretung vor und nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit der besonderen Bedeutung, die das Gesetz dem Eintritt der Rechtshängigkeit auch sonst in vielerlei Hinsicht beimisst (§ 261 III Nr. 1, § 261 III Nr. 2, 263 ZPO, § 204 I Nr. 1, § 286 I 2, §§ 292, 818 IV, §§ 987 ff., §§ 994 ff. BGB), nicht gerecht. Der Kläger, der in den unter § 265 ZPO fallenden Fällen ohne Zustimmung des Beklagten nicht aus dem Rechtsstreit ausscheiden und vom Zessionar „ersetzt“ werden darf, wird vom Gesetzgeber dafür - unter Ausschluss des Zessionars, der eine eigene Prozessführungsbefugnis trotz materieller Rechtsinhaberschaft nicht erlangt - mit einer gesetzlichen Prozessführungsbefugnis ausgestattet. Wird im Falle einer vor Rechtshängigkeit erfolgten Abtretung dem Kläger dagegen nicht die Befugnis verliehen, den Rechtsstreit exklusiv weiterzuführen, besteht auch kein Bedürfnis dafür, ihm ein Ausscheiden aus dem und dem Zessionar einen Eintritt in den Rechtsstreit zu verwehren.“ Ein Zustimmungserfordernis nach § 269 I ZPO analog besteht ebenfalls nicht. Der umstrittenen Auffassung, ein nach erfolgter mündlicher Verhandlung erklärter Klägerwechsel bedürfe nach § 269 I ZPO analog der nicht durch Sachdienlichkeitserwägungen ersetzbaren Einwilligung der beklagten Partei, hat sich der BGH bislang nicht angeschlossen. Ähnlich wie eine objektive Klageänderung ist ein Parteiwechsel grundsätzlich nicht als Klagerücknahme, sondern als Klageänderung zu behandeln, auf die die Regelungen des § 269 ZPO nicht ohne Weiteres angewendet werden können. Anders einzuordnen ist eine Beschränkung der Klage, die keinen (teilweisen) Wegfall des Rechtsschutzbegehrens, sondern lediglich einen Austausch bewirkt, auf den § 269 I ZPO keine Anwendung findet. Von der in § 265 II 2 ZPO geregelten Fallgestaltung abgesehen hat der Bundesgerichtshof stets die Auffassung vertreten, dass die fehlende Zustimmung des Beklagten unschädlich sei, wenn das Gericht den Parteiwechsel als sachdienlich zulasse. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist insoweit eindeutig, als der Klägerwechsel in der Berufungsinstanz durchgehend als Klageänderung behandelt und an den Vorgaben der §§ 263 ff. ZPO gemessen wird. Jura Intensiv „[34] Schließlich steht der Annahme der als Voraussetzungen der analogen Anwendung des § 269 I ZPO benötigten gesetzlichen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage zumindest in der hier vorliegenden Fallkonstellation einer zunächst vom Zedenten erhobenen Klage der Gesichtspunkt entgegen, dass es über den Tatbestand des § 407 II BGB hinaus bei der Abweisung der Klage der neuen Klägerin (Zessionarin) zu einer Rechtskraftwirkung gegen die frühere Klägerin (Zedentin) kommen kann. Denn die Beklagte könnte einer von der früheren Klägerin erneut erhobenen Klage, die sich auf eine Rückabtretung der streitgegenständlichen Ansprüche stützt, nach § 325 I 1 ZPO die Rechtskraft des gegen die neue Klägerin ergangenen Urteils entgegenhalten. Die im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 269 I ZPO bestehende Gefährdung der Interessen des Beklagten durch eine nach erfolgter Klagerücknahme erneut in zulässiger Weise erhobene Klage, der das Gesetz entgegen wirkt, indem es ab einem bestimmten Verfahrensstadium einen unentziehbaren Anspruch des Beklagten auf eine Sachentscheidung Analoge Anwendung würde der besonderen Bedeutung der Rechtshängigkeit nicht gerecht. Zustimmungserfordernis beim Ausscheiden wird kompensiert durch gesetzliche Prozessführungsbefugnis Auch § 269 I ZPO (Klagerücknahme) kann nicht analog angewendet werden. siehe dazu auch Zöller-Greger, ZPO, § 263, Rn 30 und Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO, vor § 50, Rn 21 Der Parteiwechsel ist nicht wie eine Klagerücknahme, sondern als Klageänderung zu behandeln, BGH, Beschluss vom 07.05.2003, XII ZB 191/02. St. Rsp. des BGH, dass Parteiwechsel auch ohne Zustimmung zulässig, wenn sachdienlich: BGH, Urteil vom 27.06.1996, IX ZR 324/95 Zudem fehlt es sowohl an einer Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Rechtskraftwirkung ggü. der Zedentin als früherer Klägerin möglich nach § 325 I ZPO BGH, Urteil vom 13.06.2008, V ZR 4/07 Zöller, ZPO-Vollkommer, § 325, Rn 27 Unentziehbarer Anspruch des Beklagten auf eine Sachentscheidung Inhaltsverzeichnis

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