Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 08/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stgb
  • Verlags
  • Urteil
  • Beklagten
  • Recht
  • Beklagte
  • Strafrecht
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

406 Zivilrecht

406 Zivilrecht RA 08/2017 „B.2.b) bb) Insoweit wird angenommen, dass ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners bestehen kann, nur an eine bestimmte Person leisten zu müssen, so dass ein beliebiger Gläubigerwechsel unzumutbar wäre. Richtig ist insoweit, dass die Nutzungsbedingungen der B zu einem stark persönlichkeitsbezogenen Account führen sollen. Auch das Wesen des Vertrags steht der Vererbbarkeit des Facebook- Account analog § 399 BGB nicht entgegen. Die Frage nach der Vererbbarkeit wird vom Gericht nicht abschließend entschieden, da der Durchsetzbarkeit des Anspruchs aus § 1922 BGB der § 88 III TKG entgegensteht. Die Frage, ob sich daraus eine besondere Schutzbedürftigkeit der B im Hinblick auf die Person des Vertragspartners ergibt, hängt dabei nach Ansicht des Senats aber nicht davon ab, ob B die Identität ihrer Vertragspartner tatsächlich kontrolliert. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich vielmehr, dass die Leistung der B sich letztlich darin erschöpft, den Nutzern eine Kommunikationsplattform zu Verfügung zu stellen und deren Kommunikationsinhalte zu vermitteln, so dass durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners die von B zu erbringenden Leistungen in ihrem Charakter nicht verändert wird. Die Personifizierung des Accounts dient dabei nur der „Ordnung der Verhältnisse”, nicht aber einem besonderen Interesse der B, nur an bestimmte Personen Leistungen erbringen zu müssen, wie auch das an alle gerichtete Angebot zeigt, sich bei Facebook zu registrieren (von der Nutzung sollen nach den Nutzungsbedingungen nur Kinder unter 13 Jahren und verurteilte Sexualstraftäter ausgeschlossen sein, vgl. Ziffer 4 der Nutzungsbedingungen). B.2.b) cc) Eine besondere Verschwiegenheitsverpflichtung der B analog derjenigen von Ärzten oder Rechtsanwälten ist abzulehnen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass B ein besonderes, gesteigertes Vertrauen ihrer Nutzer in Anspruch nimmt, welches es - wie zum Beispiel im Arzt-Patienten- Verhältnis - rechtfertigen könnte, von einer Verschwiegenheitspflicht grds. auch gegenüber den Erben auszugehen.“ Aus dem Wesen des Vertrags lässt sich damit analog § 399 BGB keine Unvererblichkeit des „Account-Inhalts“ ableiten. III. Durchsetzbarkeit des Anspruchs Die Frage der Vererblichkeit kann zudem offenbleiben, wenn es – ein ererbter Anspruch auf Zugang zu den Account-Inhalten von E unterstellt – an dessen Durchsetzbarkeit fehlt. Jura Intensiv „B.3. Der Senat muss die Frage, ob der Facebook-Account der Erblasserin i.S.d. obigen Erörterung vererbbar ist oder nicht, jedoch nicht entscheiden. Selbst wenn der K trotz der Vermischung vermögensrechtlicher und höchstpersönlicher Inhalte nach § 1922 BGB ein Anspruch auf Zugang zu den Accountinhalten der E zustünde, scheiterte seine Durchsetzbarkeit an § 88 III TKG. Denn § 88 III 3 TKG verbietet es der B, der Mutter der Verstorbenen die Umstände und Inhalte der über den Facebook-Account der Verstorbenen abgewickelten und auf den Servern der Beklagten noch gespeicherten Kommunikation mitzuteilen. Durch eine entsprechende Zugangsgewährung würden nämlich jedenfalls die durch das Telekommunikationsgeheimnis des § 88 TKG geschützten Rechte der Kommunikationspartner der Erblasserin verletzt werden. Dass die jeweiligen Kommunikationspartner in einen solchen Eingriff des sie schützenden Telekommunikationsgeheimnisses eingewilligt haben, kann der Senat nicht feststellen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2017 Zivilrecht 407 B.3. a) [Denn] ist die B nach der Vorschrift des § 88 III TKG zur Verweigerung der Zugangseröffnung verpflichtet, darf die Rechtsordnung einen entsprechenden Datenzugriff nicht anerkennen. Es liegt dann insoweit ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit nach § 275 I BGB, der dazu führt, dass die Pflicht der B zur Zugangseröffnung für die Erben entfällt. B.3. b) § 88 TKG stellt die einfachgesetzliche Ausgestaltung des durch Art. 10 GG garantierten Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnisses dar. Das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG schützt die Vertraulichkeit der Individualkommunikation im Fernmeldeverkehr, d.h. einer Kommunikation durch fernmeldetechnisch vermittelte Übertragung von Informationen an individuelle Empfänger. Das in Art. 10 GG niedergelegte Fernmeldegeheimnis gilt dabei unmittelbar nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Art. 10 GG enthält aber auch eine objektive Wertentscheidung der Verfassung, woraus sich eine Schutzpflicht des Staates ergibt. Weil die Nutzer von Telekommunikationsdienstleistungen nach der Liberalisierung des Post- und Fernmeldewesens auf die Übermittlung durch private Diensteanbieter angewiesen sind, besteht nunmehr die Gefahr für die Selbstbestimmung des Einzelnen darin, dass die Diensteanbieter als Dritte von Inhalt und Umständen der Telekommunikation Kenntnis erlangen bzw. diese an weitere Dritte weiterleiten. § 88 TKG überträgt insoweit den Schutzgehalt des Art. 10 I GG auf das Verhältnis Privater zu einander. Die Schutzbereiche beider Normen sind insoweit identisch. B.3. c) B unterliegt als Anbieterin der social-media-Plattform Facebook der Vorschrift des § 88 TKG. B.3.c) aa) Dienstanbieter i.S.d. Vorschrift ist nach § 3 Nr. 6 TKG jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßige Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Telekommunikationsdienste sind “i.d.R. gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen” (§ 3 Nr. 24 TKG). Zu den Diensteanbietern gehören auch die Internet-Service- Provider, soweit sie Telekommunikationsdienste, wie Internettelefonie, E-Mail-Service oder SMS-Chats anbieten. Für die geschäftsmäßige Erbringung reicht es bereits aus, dass ein auf Dauer und eine Vielzahl von Nutzungen angelegtes Angebot von Telekommunikationsdiensten vorliegt. Die genannten Voraussetzungen treffen auf die Beklagte jedenfalls dann zu, wenn über Facebook Nachrichten ausgetauscht werden (entweder früher über die “Web chat-Funktion” oder seit dessen Einführung durch die Beklagte über den “Facebook-Messenger”) oder wenn der Nutzer Inhalte mit seinen Facebook-Freunden teilt. Denn dann findet eine Datenübertragung statt. B.3. j) Eine gesetzliche Regelung nach § 88 III 3 TKG ist nicht gegeben und auch nicht obsolet. [Daher] ist eine Zugangsgewährung zu den Kommunikationsinhalten auch nicht aufgrund einer Einwilligung der am Telekommunikationsvorgang beteiligten Telekommunikationspartner möglich. Jedenfalls hinsichtlich der Telekommunikationspartner der E, kann der Senat das Vorliegen einer entsprechenden Einwilligung nicht feststellen. B.3.j) aa) Es kann insoweit auch dahingestellt bleiben, ob E eine solche Einwilligung bereits zu Lebzeiten durch die Weitergabe der Zugangsdaten an ihre Mutter erteilt hat.“ Jura Intensiv § 88 TKG ist die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Art. 10 GG B unterliegt als social-media- Plattform dem § 88 TKG Hier hat das Kammergericht seine Lösung gefunden: Die fehlende Einwilligung der Telekommunikationspartner der E steht einer Freigabe des Accounts an K entgegen! Mithin steht der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs aus § 1922 I BGB der § 88 III TKG entgegen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats