Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 08/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stgb
  • Verlags
  • Urteil
  • Beklagten
  • Recht
  • Beklagte
  • Strafrecht
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

432 Referendarteil:

432 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 08/2017 Da das Gutachten nicht aufgrund eines Beweisbeschlusses des Gerichts erhoben, sondern von den Beigeladenen eingereicht wurde, handelt es sich um Parteivortrag und keine Prozessgeschichte, sodass Indikativ Imperfekt die richtige Zeitform ist. Die Wiedergabe der Inaugenscheinnahme stellt hingegen Prozessgeschichte dar. Ergebnissatz für Bescheidungsurteil Anspruchsgrundlage: § 61 I 1, 2 BauO NRW Ganz wichtige Passage: Herleitung eines Anspruchs auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde. Grds. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung; Anspruch auf Einschreiten nur bei Ermessensreduzierung auf Null Anspruch besteht nur, wenn Nachbarrechte verletzt sind. Inhaltlich wendet das Gericht hier die Schutznormtheorie an. Einleitung für Subsumtion nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze. Ganz typisches Problem in Klausuren im 2. Examen: Umfang der Legalisierungswirkung einer erteilten Baugenehmigung. Legalisierungswirkung (-), wenn ein aliud im Vergleich zu dem genehmigten Vorhaben errichtet wurde ohne Baugenehmigung errichteten Grenzbebauung erheblich entgegengekommen. Das nunmehr von ihnen errichtete Vorhaben bleibe der Größe nach weit hinter dem des Klägers zurück. [...] Sie haben ein Sachverständigengutachten des Bausachverständigenbüros F. K. vom 02. März 2015 und ein zugehöriges Ergänzungsgutachten vom 05. Juni 2015 vorgelegt. Die Berichterstatterin hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift über den Ortstermin vom 13. Januar 2017 verwiesen. [...]“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE „Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung (BauO NRW) - haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Soweit Vorschriften des öffentlichen Baurechtes betroffen sind, die u. a. dem Nachbarschutz dienen, müssen dabei auch die hierdurch erfassten Interessen der Nachbarn berücksichtigt werden. Daraus folgt der grundsätzliche Anspruch des Nachbarn, dass die Behörde über seinen Antrag auf Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände auf dem Nachbargrundstück ermessensfehlerfrei entscheidet. Jura Intensiv So wie jedoch ein Anspruch eines Nachbarn auf bauordnungsbehördliches Einschreiten von vornherein nur im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften in Betracht kommt, setzt auch ein Anspruch eines Nachbarn gegenüber der Baubehörde auf ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, dass dem Nachbarschutz dienende Vorschriften betroffen sind. Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil er sich auf einen Verstoß der Beigeladenen gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften berufen kann, der seitens des Beklagten im Bescheid vom 10. Juni 2015 nicht berücksichtigt wurde. Der Annahme eines Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften steht zunächst die erteilte Baugenehmigung vom 14. November 2012 nicht entgegen. Die Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung hat zwar zur Folge, dass im Umfang der Feststellungswirkung der Baugenehmigung die Legalität des Vorhabens nicht in Frage steht, solange die erteilte Genehmigung nicht aufgehoben ist. Die Beigeladenen haben jedoch eine Gartenanlage errichtet, die in wesentlicher Hinsicht von der Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 433 erteilten Baugenehmigung abweicht und somit ein aliud gegenüber dem genehmigten Vorhaben darstellt und nicht von der erteilten Baugenehmigung gedeckt ist. Von einem aliud ist auszugehen, wenn von der Baugenehmigung nicht nur unwesentlich abgewichen wird. Insbesondere liegt ein aliud vor, wenn durch die Abweichung genehmigungsrelevante Belange erheblich berührt werden. Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei der von den Beigeladenen durchgeführten Gartengestaltung um ein aliud zu der mit Baugenehmigung vom 14. November 2012 legalisierten Gestaltung. Aus einem Abgleich des zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Lageplans und des vom Beklagten vorgelegten Lageplans des Vermessungs- und Katasteramtes vom 06. März 2017 ergeben sich deutliche Abweichungen hinsichtlich der abstandsflächenrelevanten Höhe der vorgenommenen Aufschüttung. [...] Abweichungen in diesem Ausmaß sind im Grenzbereich, in dem abstandsflächenrechtliche Aspekte berührt sind, nicht mehr als geringfügig einzustufen. Damit haben die Beigeladenen ein anderes Vorhaben errichtet als das genehmigte und die erteilte Baugenehmigung steht einem Einschreiten des Beklagten nicht entgegen. Die Baugenehmigung vom 14. November 2012 ist außerdem inzwischen gemäß § 77 Abs. 1 BauO NRW erloschen Nach § 77 Abs. 1 BauO NRW erlischt eine Baugenehmigung, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen wird, wobei die Ausführung eines aliud nicht ausreicht. Eine Ausführung des genehmigten Vorhabens ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte im Januar 2014 die abschließende Fertigstellung der baulichen Anlage ohne Abweichung von den genehmigten Unterlagen bescheinigt hat, denn ausweislich der zu diesem Zeitpunkt angefertigten Lichtbilder war die Anlage zu diesem Zeitpunkt zum einen nicht fertig gestellt, was sich insbesondere daran erkennen lässt, dass der Bau der Terrasse ersichtlich noch nicht abgeschlossen war und neben der Stützmauer zahlreiche Steine lagen, die ersichtlich noch verbaut werden sollten. […] Das Bauvorhaben wurde demnach nie in der genehmigten Form verwirklicht und die Baugenehmigung ist im November 2015 erloschen. [...] Jura Intensiv Dem stehen die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht entgegen, nach denen die Dreijahresfrist grundsätzlich nicht läuft, solange die Baugenehmigung Gegenstand eines anhängigen Nachbarrechtsstreits ist, weil dem Bauherrn nicht zugemutet werden kann, das Bauvorhaben trotz des mit dem schwebenden Verfahren verbundenen Risikos zu verwirklichen. Die Beigeladenen haben nämlich nicht mit Blick auf das gerichtliche Vorgehen des Klägers von einer Verwirklichung des genehmigten Bauvorhabens abgesehen, sondern ein von der Baugenehmigung abweichendes Vorhaben verwirklicht. OVG Münster, Urteil vom 13.2.1987, 10 A 29/87, n. v. (Leitsatz in juris); Gädtke/Temme u.a., BauO NRW, § 61 Rn 49, § 75 Rn 45 Einleitung der Subsumtion. Weiter typische Formulierungen: „Hiernach...“; „Unter Anwendung dieser Maßstäbe ...“. Solche Feststellungen, die im Gutachtenstil formuliert sind, finden sich am Ende der Subsumtion in der Praxis häufig. In der Klausur sind sie unbedingt zu vermeiden. Legalisierungswirkung zudem (-), da Baugenehmigung erloschen. Errichtung eines aliud ist von Baugenehmigung nicht gedeckt und stellt damit keine Vollziehung der Baugenehmigung dar. Untersuchung der rechtlichen Wirkung der Fertigstellungsbescheinigung. Beachte: Frist für Geltung einer Baugenehmigung läuft nicht bei Einlegung eines Nachbarrechtsbehelfs. OVG Münster, Urteil vom 17.7.2013, 7 A 1896/12 , juris Aber: Grundsatz gilt hier nicht, weil Bauherr nicht untätig geblieben ist, sondern ein aliud errichtet hat. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats