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RA Digital - 08/2017

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434 Referendarteil:

434 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 08/2017 Legalisierungswirkung der weiteren Baugenehmigungen Auch hier genaue Untersuchung, was die jeweiligen Baugenehmigungen gestatten. Weiterhin steht einem bauordnungsbehördlichen Einschreiten nicht die ursprünglich unter dem 02. Juli 2013 erteilte und sodann unter dem 01. Oktober 2013, dem 29. April 2014 sowie dem 02. Dezember 2015 modifizierte Baugenehmigung zur Errichtung einer Palisadenwand entlang nahezu der gesamten Grenze zum klägerischen Grundstück entgegen. Denn Gegenstand dieser Baugenehmigung ist nicht die vorliegend streitbefangene großflächige Gartenanlage, sondern einzig eine grenzständige Palisadenwand. Letztere ist jedoch weder Streitgegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens noch des angegriffenen Bescheides vom 10. Juni 2015 [...]. Verletzung Vorschriften nachbarschützender Der Kläger kann sich auch auf eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen und daraus einen Anspruch gegenüber der Baubehörde auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ableiten. [...] Der (für Klausuren typische) „exotische“ Aspekt des Falles: Verstoß gegen Abstandsflächenbaulast VGH Mannheim, Beschluss vom 9.12.1997, 5 S 2568/97, juris; Gädtke/ Temme u.a., BauO NRW, § 83 Rn 52 Auslegung der Baulast Baulast ist nicht bedingungsfeindlich. Die Bedingung darf aber Schutzzweck der Baulast nicht beeinträchtigen. Bedingung muss zudem ausreichend bestimmt sein Zulässigkeit der Bedingung? Nur Grenzbebauung von einigem Gewicht führt dazu, dass Abstandsfläche nicht erforderlich ist. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen die zulasten des Beigeladenengrundstücks eingetragene Abstandsflächenbaulast, die nachbarschützende Wirkung entfaltet. Auf einen Verstoß gegen eine durch Baulast übernommene Verpflichtung kann sich der Nachbar berufen, wenn sich der Inhalt der Baulast auf eine Regelung bezieht, die nachbarschützenden Charakter hat. Dies ist vorliegend der Fall, da es sich um eine Abstandsflächenbaulast handelt und den Vorschriften über die erforderliche Abstandsfläche nachbarschützende Wirkung zukommt. Die Baulast ist außerdem (nach wie vor) wirksam, obwohl sowohl die zugrundeliegende Verpflichtungserklärung als auch die Baulast selbst mit einer auflösenden Bedingung dahingehend versehen sind, dass die Verpflichtung im Falle der Grenzbebauung erlischt. Eine Baulast ist grundsätzlich nicht bedingungsfeindlich. Wird eine Baulast übernommen, um ein Genehmigungshindernis für ein konkretes Vorhaben in einem Baugenehmigungsverfahren auszuräumen, ist eine Bedingung allerdings nur zulässig, wenn dadurch der Schutzzweck der Baulast nicht beeinträchtigt wird. Dabei muss aus Gründen der Rechtssicherheit die Bedingung ausreichend bestimmt sein. Jura Intensiv Insofern bestehen keine Bedenken, wenn eine Baulast in dem von § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) BauO NRW geregelten Fall entfallen soll, in dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden darf, wenn gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ohne Grenzabstand gebaut wird. Dies ist vorliegend der Fall. Dem steht nicht entgegen, dass die Baulast im Fall „gegenseitiger Grenzbebauung“ entfallen soll, ohne dass dem Wortlaut der Baulasteintragung und der Verpflichtungserklärung nach an die Grenzbebauung weitere Anforderungen gestellt werden. Es ist zwar anerkannt, dass nicht jede Grenzbebauung die Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) BauO NRW erfüllt, sondern nur eine Bebauung von hinreichendem Gewicht, wobei der Bestand dauerhaft gewährleistet sein muss. Dennoch lässt sich dem Wortlaut der Bedingung mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, dass mit „gegenseitiger Grenzbebauung“ nur eine Bebauung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) BauO NRW gemeint ist. [...] Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 435 Vielmehr ergibt sich bei einer Abstandsflächenbaulast schon aus deren rechtlicher Funktion, dass sie nur im Falle einer solchen Grenzbebauung entfallen soll, die die Einhaltung von Abstandsflächen entbehrlich werden lässt, weil sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) BauO NRW erfüllt. Die Baulast ist vorliegend nicht durch den Eintritt der auflösenden Bedingung erloschen, denn bei der von den Beigeladenen errichteten Gartenanlage handelt es sich nicht um eine Grenzbebauung, die den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) BauO NRW genügt. Bei der Grenzbebauung muss es sich um eine hinreichend aussagekräftige und gewichtige Bebauung handeln, wofür beispielsweise eine Grenzgarage nicht ausreicht. Es muss sich vielmehr um ein Gebäude der Hauptnutzung oder um eine hinreichend gewichtige bauliche Nebenanlage handeln. Gemessen hieran weist eine bis an die Grenze reichende Gartenanlage - wie die Beigeladenen sie errichtet haben - nicht das für eine Grenzbebauung erforderlich Gewicht auf. Sie ist als fiktive bauliche Anlage, die vorliegend angrenzend an ein massives Gebäude der Hauptnutzung errichtet wurde, nicht geeignet, dem Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) zu genügen, einseitige Lücken in der offenen Bauweise zu vermeiden. Vielmehr ist sie - auch wenn es sich um eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage handelt - nicht hinreichender Ausdruck eines wechselseitigen Verzichts auf die Einhaltung der Abstandsflächen. Der Kläger ist - anders als die Beigeladenen meinen - nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften zu berufen. Zunächst ist ihm selbst kein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht (mehr) vorzuwerfen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind zwar grundsätzlich vor Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen), wobei die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen müssen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW). Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW dürfen sich die erforderlichen Abstandsflächen jedoch ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist, dass sie nur mit in der Abstandsfläche zulässigen baulichen Anlagen überbaut werden und auf die dem Grundstück erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Die Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW sind vorliegend durch Eintragung einer entsprechenden Abstandsflächenbaulast erfüllt. Jura Intensiv Der Kläger hat sein Abwehrrecht auch nicht verwirkt. Verwirkung stellt einen im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnden Vorgang der Rechtsvernichtung dar und bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Aus dem zwischen dem Bauherrn und seinen Grundstücksnachbarn bestehenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich das Erfordernis für den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln dazu beizutragen, dass wirtschaftlicher Schaden vom Bauherrn abgewendet oder möglichst gering gehalten wird. Vorliegend hat Vgl. insofern auch VGH Mannheim, Beschluss vom 9.12.1997, 5 S 2568/97 Eintritt der Bedingung? Nein, es liegt keine „echte“ Grenzbebauung vor OVG Münster, Urteil vom 13.12.1995, 7 A 159/94; Gädtke/Temme u.a., BauO NRW, § 6 Rn 166 Einleitung der Subsumtion Typische Formulierung, um Einwände der Beteiligten abzuarbeiten. Ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben regelmäßig daran gehindert, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen. Hier: Kein treuwidriges Handeln, da Kläger kein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht vorgeworfen werden kann. Weitere Möglichkeit eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben: Verwirkung. Voraussetzungen für die Verwirkung: Zeitmoment und Umstandsmoment. Schlagwort, das in einer Klausur fallen sollte: Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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