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RA Digital - 08/2018

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402 Zivilrecht

402 Zivilrecht RA 08/2018 LÖSUNG A. K gegen B analog § 906 II 2 BGB i.V.m. § 909 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten analog § 906 II 2 BGB i.V.m. § 909 BGB haben. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch führt nicht zum begehrten Rechtsschutzziel und steht deshalb hier nicht im Fokus. Zum Aufbau und Inhalt des § 906 II 2 BGB analog können Sie die Entscheidungen in RA 2018, 169 oder RA 2017, 337 lesen. Das Landgericht prüft die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in der Rechtswidrigkeit. Dies ist in der Praxis und in der Lehre ebenso verbreitet, wie der vorzugswürdige Weg, sie vor der Kausalität zu prüfen. „[15] Es wird nicht verkannt, dass in Bezug auf den Kellersockel dem Grunde nach ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch des K gegen die B aus §§ 906 II 2 BGB analog i.V.m. § 909 BGB bestehen dürfte, da bei Vertiefungsschäden der beschriebenen Art nach gefestigter Rspr. regelmäßig ein finanzieller Ausgleich wegen eines faktischen Duldungszwangs zuzusprechen ist. [16] Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass K von B insoweit den Ersatz fiktiver Schadensbeseitigungskosten verlangen könnte. Rechtsfolge des § 906 II 2 BGB ist ein Anspruch auf Entschädigung. Der Ausgleichsanspruch ist einerseits als Aufopferungsanspruch, andererseits und vor allem zugleich als Billigkeitsentschädigung einzuordnen. Dabei ist kein voller Schadensersatz i.S.d. Ersatzes des hypothetischen Vermögenswerts zu ersetzen, sondern nur ein Ausgleich der Verminderung des Verkehrswerts geschuldet (gefestigte Rspr.). Eine Wertminderung seines Grundstücks bzw. seines Anwesens hat K jedoch nicht behauptet; insoweit fehlt es bereits an ausreichendem Vortrag, um überhaupt einen Ausgleichsanspruch der Höhe nach erkennen zu können. K steht daher gegen B kein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten analog § 906 II 2 BGB i.V.m. § 909 BGB zu. B. K gegen B gem. § 823 I BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB K könnte jedoch gegen B einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten gem. § 823 I BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB haben. I. Rechtsgutsverletzung Dies setzt zunächst voraus, dass B ein durch § 823 I BGB absolut geschütztes Rechtsgut des K verletzt hat. Vorliegend wurde die Fassade vom Anwesen des K erheblich beschädigt. Mithin liegt eine Eigentumsverletzung vor. Jura Intensiv II. Durch ein Verhalten der B Die Rechtsgutsverletzung müsste durch ein Verhalten der B eingetreten sein. B selbst hat das Eigentum des K nicht aktiv verletzt. Die Rechtsgutsverletzung ist vielmehr auf die Kollision mit dem Bauzaun zurückzuführen. Eine Verletzungshandlung der B könnte aber in der unterlassenen Sicherung des Bauzauns liegen. Diese müsste kausal für den Verletzungserfolg gewesen sein. Ein Unterlassen ist kausal i.S.d. Äquivalenztheorie, wenn die vorzunehmende Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Hätte B den Bauzaun ausreichend gesichert, wäre dieser während des Sturms nicht vom Grundstück des B geweht und die Kollision mit der Fassade des K vermieden worden. III. Rechtswidrigkeit Das Unterlassen ist jedoch nur dann rechtswidrig, wenn B gegen eine Rechtspflicht zum Handeln verstoßen hat. Dies ist der Fall, wenn sie eine Verkehrssicherungspflicht trifft, die sie verletzt hat. Inhalt dieser Pflicht ist, dass derjenige, der durch Übernahme einer Aufgabe oder vorangegangenes Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2018 Zivilrecht 403 Tun eine objektive Gefahrenlage schafft oder eine solche in dem von ihm beherrschten Gefahrenbereich andauern lässt, auch die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen muss. Allerdings braucht der Verkehrssicherungspflichtige nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Nur hinsichtlich der Gefahren, die so real sind, dass ein sachkundiger Urteilender mit der naheliegenden Möglichkeit der Verletzung anderer Rechtsgüter rechnen muss, besteht eine Verkehrssicherungspflicht. Durch das Aufstellen des Bauzauns hat B in ihrem Herrschaftsbereich, d.h. der Baustelle, eine Gefahrenquelle geschaffen. Damit bestand die Verkehrssicherungspflicht Vorkehrungen zu treffen, dass Dritte durch den Bauzaun nicht verletzt werden können. B hat den Bauzaun nach Feierabend nicht ausreichend gesichert. Aufgrund der vom Wetterdienst angekündigten Sturmwarnung hätte er die Gefahr erkennen können, dass der Zaun bei starken Windböen umstürzen und Schäden verursachen könnte. Ihr Unterlassen war daher rechtswidrig. IV. Verschulden B müsste weiterhin schuldhaft gehandelt, d.h. die Sicherung des Zauns vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen haben. In Betracht kommt hier nur Fahrlässigkeit. Diese wird in § 276 II BGB definiert. Es handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Unabhängig von der konkreten Wetterlage ist ein Bauzaun stets so zu sichern, dass Verletzungen Dritter vermieden werden. Dies gilt umso mehr, als vom Wetterdienst eine Warnung vor starken Windböen verbreitet wurde. Dass ein Bauzaun dabei umstürzen kann, ist vorhersehbar und durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen bis zu einem gewissen Grad vermeidbar. Indem B diese Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat, hat sie fahrlässig i.S.v. § 276 II BGB gehandelt. V. Rechtsfolge Weiter muss K ein kausaler und ersatzfähiger Schaden gem. §§ 249 ff. BGB entstanden sein. Jura Intensiv „[16] Nach Auffassung des entscheidenden Richters sind die von der Klägerseite in diesem Zusammenhang geltend gemachten fiktiven Schadensbeseitigungskosten nicht als erstattungsfähiger Schaden im Sinne von §§ 249 ff. BGB anzusehen. [17] Der Eigentümer, der tatsächlich keine Aufwendungen zur Schadensbeseitigung tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven) Aufwendungen. Sein Vermögen ist im Vergleich zur Situation vor dem Schadenseintritt nicht um einen Betrag in Höhe der fiktiven Aufwendungen vermindert. Erst wenn der Geschädigte den Schaden tatsächlich beseitigen lässt und die Kosten hierfür begleicht, entsteht ihm ein Vermögensschaden i.H.d. tatsächlich aufgewandten Kosten. Die Erstattungsfähigkeit fiktiver Schadensbeseitigungskosten kann hier nicht damit begründet werden, dass der eigentliche Eigentumsschaden hier der Vermögensschaden in Höhe dieser Kosten sei. Der Schaden des Geschädigten besteht zunächst allein in der Substanzverletzung seines Eigentums im Vergleich zur Situation vor der Beschädigung. Dies bedeutet jedoch gerade nicht in jedem Fall, dass ein entsprechender Vermögensschaden besteht. Eine Schadensbemessung nach fiktiven Schadensbeseitigungskosten bildet die Substanzverletzung auch bei wertender Betrachtung nicht immer zutreffend ab. Entscheidende Begrenzung des Umfangs einer Verkehrssicherungspflicht Verkehrssicherungspflichtig wird, wer eine Gefahrenquelle eröffnet. Fahrlässigkeit Fiktive Schadensbeseitigungskosten stellen nach Ansicht des LG Darmstadts auch im Rahmen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs keinen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB dar. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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