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RA Digital - 08/2018

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426 Öffentliches Recht

426 Öffentliches Recht RA 08/2018 Definition „Steuer“ Nichtsteuerliche Abgaben sind insbes. Beiträge und Gebühren. Definition „Gebühren“ Abgrenzung Beitrag •• Gebühr Ganz wichtig: Beiträge verlangen keine tatsächliche Nutzung, sondern nur eine Nutzungsmöglichkeit! Gegenleistung grenzt Beitrag von Steuer ab Subsumtion: Rundfunkbeitrag ist keine Steuer, sondern nichtsteuerliche Abgabe in Gestalt eines Beitrags. Unerheblich: Anzahl der Zahlungspflichtigen Zum Aufbau: Es wäre alternativ auch möglich, die Prüfung direkt mit Art. 3 I GG zu beginnen, um dann i.R.d. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. [53] Das Grundgesetz kennt keine Legaldefinition der Steuer. Das Bundesverfassungsgericht geht allerdings seit jeher davon aus, dass das Grundgesetz für den Begriff „Steuer“ an die Definition in § 3 Abs. 1 AO anknüpft. […] Kennzeichnend für eine Steuer ist somit, dass sie ohne individuelle Gegenleistung und unabhängig von einem bestimmten Zweck („voraussetzungslos“) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben wird. […] [54] Beiträge und Gebühren werden demgegenüber als Vorzugslasten bezeichnet und fallen […] in die Kategorie der nichtsteuerlichen Abgaben. […] [55] Als Gebühren werden öffentlich-rechtliche Geldleistungen bezeichnet, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden. Beiträge unterscheiden sich von Gebühren dadurch, dass sie bereits für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben werden. […] Der Gedanke der Gegenleistung […] ist der den Beitrag […] bestimmende Gesichtspunkt. Hierdurch unterscheidet sich der Beitrag notwendig von der Steuer. [59] Der Rundfunkbeitrag wird für die Möglichkeit erhoben, das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen, und dient gemäß § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. […] [60] […] Auch wenn Rundfunk von fast allen Personen empfangen werden kann und die Abgabe deshalb von einer Vielzahl von Abgabepflichtigen entrichtet werden muss, verliert sie nicht den Charakter einer Sonderlast und eines Beitrags und wird damit nicht zur Steuer. Denn sie wird für die jeweils individualisierbare Möglichkeit des Rundfunkempfangs durch die einzelne Person erhoben; in Ausnutzung dieser Möglichkeit individualisiert sich der konkrete Empfang bei jedem einzelnen Nutzer.“ Jura Intensiv Demnach handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine nichtsteuerliche Abgabe, sodass sich die Gesetzgebungskompetenz nach der geregelten Sachmaterie richtet. Da der Rundfunk gem. Art. 70 I GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, ist die Rundfunkbeitragspflicht formell verfassungsmäßig. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Materiell-rechtlich ist zunächst die Vereinbarkeit der Rundfunkbeitragspflicht mit Art. 3 I GG fraglich. 1. Verstoß gegen Art. 3 I GG Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2018 Öffentliches Recht 427 a) Kein Rundfunkempfangsgerät oder kein Nutzungswille Art. 3 I GG könnte dadurch verletzt sein, dass auch der Wohnungsinhaber den Rundfunkbeitrag entrichten muss, der gar kein Rundfunkempfangsgerät besitzt oder auf den Rundfunkempfang bewusst verzichtet. Hierin kann man eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem erblicken, die aber durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein könnte. „[77] Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt im Rahmen der dualen Rundfunkordnung die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der Rundfunkberichterstattung zu. Er hat die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann. […] Auch wegen des erheblichen Konzentrationsdrucks im privatwirtschaftlichen Rundfunk und der damit verbundenen Risiken einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung sind daher Vorkehrungen zum Schutz der publizistischen Vielfalt geboten. [79] […] wird durch die Entwicklung der Kommunikationstechnologie und insbesondere die Informationsverbreitung über das Internet weiterhin nicht infrage gestellt. Allein der Umstand eines verbreiterten Angebots privaten Rundfunks und einer Anbietervielfalt führt für sich noch nicht zu Qualität und Vielfalt im Rundfunk. Die Digitalisierung der Medien und insbesondere die Netz- und Plattformökonomie des Internet einschließlich der sozialen Netzwerke begünstigen - im Gegenteil - Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten. […] Hinzu kommt die Gefahr, dass - auch mit Hilfe von Algorithmen - Inhalte gezielt auf Interessen und Neigungen der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden, was wiederum zur Verstärkung gleichgerichteter Meinungen führt. Solche Angebote sind nicht auf Meinungsvielfalt gerichtet, sondern werden durch einseitige Interessen oder die wirtschaftliche Rationalität eines Geschäftsmodells bestimmt, nämlich die Verweildauer der Nutzer auf den Seiten möglichst zu maximieren und dadurch den Werbewert der Plattform für die Kunden zu erhöhen. […] Jura Intensiv [80] Dies alles führt zu schwieriger werdender Trennbarkeit zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich Glaubwürdigkeit von Quellen und Wertungen. Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, […]. [81] In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil. […] Beitragspflicht für Personen, die den Rundfunk gar nicht nutzen Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Anbietervielfalt bedeutet nicht automatisch Qualitätssteigerung Monopolgefahren im Internet Sog. Echokammern Gefahr von Fake News Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Informationen prüfen, erklären und einordnen Zentraler Rechtfertigungsgrund © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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