398 Zivilrecht RA 08/2019 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Nachlieferung des begehrten Neufahrzeugs gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I 2. Alt. BGB Fraglich ist, ob K von B die Lieferung des begehrten fabrikneuen PKW im Wege der Nachlieferung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I 2. Alt. BGB verlangen kann. Sachmangel zur Zeit des Gefahrübergangs Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB Die Frage der Unmöglichkeit wurde in der vorigen Ausgabe der RA 2019 auf den Seiten 350 ff. so ausführlich behandelt, dass wir den Fall aus Platzgründen hier kürzen. Bitte lesen Sie die Ausführungen zur Unmöglichkeit, die auf diesen Fall vollständig übertragbar sind in der RA 2019, 349 ff.. Beachten Sie ferner die dortigen Ausführungen zur Einrede der Unverhältnismäßigkeit und zum venire contra factum proprium gem. § 242 BGB. Nach den kaufrechtlichen Sonderverjährungsregeln wäre der Anspruch verjährt. § 438 III BGB verweist nicht allein auf die Frist des § 195 BGB, sondern vollumfänglich auf die allgemeinen Verjährungsregeln, also auch auf § 199 I BGB. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, wann K Kenntnis vom Mangel erlangte. Immer beachten: Der Automobilhandel kennt unterschiedliche Vertriebswege. Einige Hersteller vermarkten durch Niederlassungen direkt, die meisten vertreiben ihre Autos jedoch über lizensierte Vertragshändler. So ist es bei den Marken des VW-Konzerns. I. Anspruch entstanden K schloss mit B den erforderlichen Kaufvertrag im September 2012. Es muss ein Sachmangel zur Zeit des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Mit der Übergabe am 21.01.2013 ging die Gefahr gem. § 446 S. 1 BGB auf K über. Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug aufgrund der nicht zugelassenen Steuerungssoftware zur Zulassung im Straßenverkehr ungeeignet und eignete sich folglich nicht für die gewöhnliche Verwendung. Also war es gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB zum maßgeblichen Zeitpunkt mangelhaft. Rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Ausschlussgründe der Mängelrechte lagen zur Zeit der Übergabe nicht vor. II. Anspruch gem. § 275 I BGB ausgeschlossen Das gelieferte Modell wird nicht mehr hergestellt und kann nicht mehr beschafft werden. Ob der Anspruch wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist, wäre unerheblich, wenn der Anspruch verjährt wäre. III. Verjährung des Anspruchs gem. §§ 214, 438 BGB 1. Erhebung der Einrede gem. § 214 BGB B hat am 07.05.2019 die Einrede der Verjährung ausdrücklich erhoben. 2. Eintritt der Verjährung durch Ablauf der Verjährungsfrist a) Verjährungseintritt gem. § 438 I Nr. 3, II BGB (Sonderverjährung) § 438 II BGB lässt die Verjährungsfrist mit der Übergabe beginnen. Diese erfolgte am 21.01.2013. Die Übergabe ist ein Ereignis gem. § 187 I BGB, weshalb der Lauf der Verjährungsfrist am 22.01.2103 um 00.00 Uhr begann. Gem. § 438 I Nr. 3 BGB beträgt die Länge der Frist 2 Jahre. Weil es sich um eine Jahres- und keine Tagesfrist handelt, gilt für ihren Ablauf § 188 II BGB. Danach wäre die Verjährungsfrist am 21.01.2015 um 24.00 Uhr abgelaufen. Die Klage wurde damit im Jahr 2017 nach Eintritt der Sonderverjährung erhoben. Jura Intensiv b) Verjährungseintritt gem. §§ 438 III, 195, 199 I BGB Abweichend von § 438 I und II BGB würde sich die Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 I BGB richten, wenn B gegenüber K den Mangel arglistig verschwiegen hätte. Bei Anwendung der allgemeinen Vorschriften richtet sich der Beginn des Laufs der Verjährung nach §§ 199 I, 187 I BGB. Unterstellt, ein arglistiges Verschweigen läge bei Vertragsschluss im Jahr 2012 vor, hätte K hiervon im Jahr 2015 Kenntnis erlangt. Damit wäre der Verjährungsbeginn das Ende des Jahres 2015, gem. § 187 I BGB begänne die Frist am 01.01.2016 zu laufen und wäre drei Jahre später, also am 31.12.2018 um 24.00 Uhr abgelaufen. Damit wäre die Klageerhebung im Jahr 2017 innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt. Es steht aber fest, dass B selbst keine Kenntnis von der Abschalteinrichtung hatte. [36] […] Arglistiges Verschweigen eines Mangels ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass der Verkäufer einen Mangel verschweigt, den er zumindest für möglich hält und dabei billigend in Kauf nimmt, dass Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 08/2019 Zivilrecht 399 der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Kenntnis den Vertrag jedenfalls nicht so abgeschlossen hätte. Hier kann von eigener Kenntnis eines solchen Mangels bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ohnehin nicht die Rede sein. [37] Soweit beim Hersteller des Fahrzeugs (VW AG) entsprechende Kenntnisse vorliegen sollten, können diese der Beklagten nicht nach § 166 BGB zugerechnet werden. Auch führen die für juristische Personen entwickelten Grundsätze hier nicht zu einer Wissenszurechnung; diese Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zu juristischen Personen. Letztere muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organe weiter zurechnen lassen, selbst wenn das „wissende“ Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat bzw. nichts davon gewusst hat. Die Herstellerin des Fahrzeugs, die VW AG und die Beklagte stehen sich jedoch als juristisch selbständige Personen gegenüber. Die Beklagte ist auch nicht als Handelsvertreterin der VW AG anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vorlieferant des Verkäufers im Übrigen nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seinen Kunden verkauft hat. Dementsprechend muss sich auch im Rahmen des § 123 BGB ein Automobilvertragshändler nicht das Wissen des Herstellers zurechnen lassen. [38] Die im klägerischen Schriftsatz vom 29.05.2019 angeführten Entscheidungen sind solche von Eingangsgerichten und Mindermeinung geblieben. Soweit in dem zitierten Hinweisbeschluss des LG Köln, 32 O 219/16, die Auffassung vertreten wird, die Gestaltung der Außendarstellung des Vertragshändlers führe dazu, „dass der unbefangene Kunde sie leicht für eine Niederlassung des Herstellers halten könnte“, letztlich sei „das gesamte äußere Erscheinungsbild eines Vertragshändlers durch die „Corporate Identity“ des Herstellers vorgegeben“, fehlt hierzu ein entsprechender Vortrag, jedoch spricht allein schon die Gestaltung der Rechnung vom 21.01.2013 (Anlage K 1) gegen ein derartiges Erscheinungsbild. Die Bezeichnung der Beklagten lautet, ohne dass hier ein Markenname zu entnehmen ist, auf „AVP A. GmbH & Co A. KG“, die Logos VW auf der Rechnung lassen auch nicht die Annahme entstehen, die Beklagte sei eine Werksniederlassung bzw. Konzerntochter der VW AG. Soweit die Klagepartei einen Beschluss des Senats vom 23.03.2017, 3 U 4316/16 zitiert, wonach der Verkäufer sich das Verhalten des Herstellers zurechnen lassen müsse, ist diese Passage in anderem Zusammenhang zu sehen, nämlich dahingehend, dass sich der Verkäufer insoweit das Verhalten des Herstellers zurechnen lassen muss, als er sich dessen Mithilfe zur Nacherfüllung zu Nutze macht. Auf die hier fragliche Thematik ist dies nicht übertragbar. Auch kann eine Wissenszurechnung nicht über eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB begründet werden. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm, Az.: 2 O 39/17, in seinem Beschluss vom 18.05.2017. Jura Intensiv Dies ist der entscheidende Aspekt des Falles: Kann dem Vertragshändler ein Wissen des Herstellers bzw. dessen Organen zugerechnet werden? Das OLG München verneint dies mit ausführlicher Begründung. BGH, Urteil vom 17.05.1995, VIII ZR 70/94, Rn 15 BGH NJW 2014, 2183, Tz. 31; OLG Celle, Beschluss vom 30.06. 2016, 7 W 26/16; OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2017, 2 U 39/17) Es ist kaum wahrscheinlich, dass der BGH, der bei der Ausdehnung seiner Rechtsscheinsgrundsätze äußerst zurückhaltend ist, einer solchen Rechtsauffassung zustimmen würde. Hier konnte der Käufer anhand der Rechnung erkennen, mit wem er es zu tun hatte und mit wem nicht. Damit ist mangels Arglist § 438 III BGB nicht anzuwenden und der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I 2. Alt. BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
RA 08/2019 Referendarteil: Strafrec
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