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RA Digital - 08/2019

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400 Zivilrecht

400 Zivilrecht RA 08/2019 Problem: Anspruch auf Aufnahme von Lebensgefährten in die Mietwohnung Einordnung: Mietrecht AG Brandenburg, Urteil vom 06.06.2019 31 C 230/18 LEITSATZ Ein Mieter kann die Gestattung der Aufnahme seines nichtehelichen Lebenspartners in die Wohnung von dem Vermieter nur dann verlangen, wenn diese nichteheliche Lebensgemeinschaft erst nach Abschluss des Mietvertrags entstanden ist und somit nicht schon davor bestanden hat (§ 553 BGB). Dem Tatbestand des Urteils lässt sich nicht entnehmen, worin diese Verfestigung bestanden hat. C.C. wohnte nicht beim Kläger, teilte also nicht „Tisch und Bett“. Von gemeinsamen Konten ist ebenso wenig die Rede wie von gemeinsamen Kindern. Zwischen den Parteien besteht aber kein Streit über diesen Punkt. Der Kläger hat die neLG mit C.C. vorgetragen und die Beklagte hat sich diesen Vortrag des Klägers zu Eigen gemacht. Grund 1 für die Weigerung: Die Zeitspanne bis zum Vertragsende ist zu kurz. Grund 2 für die Weigerung: Die nichteheliche Lebensgemeinschaft bestand verfestigt bei Vertragsschluss. EINLEITUNG Verlangt der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis zur Aufnahme seines Partners aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 553 BGB, wird dieser Wunsch im 21. Jahrhundert regelmäßig ohne Schwierigkeiten erfüllt. Der vorliegende Fall weist aber eine Vielzahl an persönlichen Befindlichkeiten als Besonderheit auf. SACHVERHALT Die Beklagte (B) lebte mit dem Kläger (K) zusammen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Nachdem sie im Oktober 2016 ein Hausgrundstück mit 2 Wohnungen in Groß-Kreutz fanden, erwarb die Beklagte im März 2017 dieses Hausgrundstück, mit dem Ziel, dort gemeinsam mit dem Kläger und ihren Kindern zu leben. Die vom Kläger nunmehr bewohnte Wohnung wurde von beiden Prozessparteien gemeinsam renoviert, weshalb der Kläger dort einziehen konnte. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Prozessparteien wurde jedoch im August/Oktober 2017 beendet. Der Kläger führte dann nach seinen eigenen Angaben mindestens seit November 2017 mit einer anderen Frau eine neue verfestigte, nichteheliche Lebensgemeinschaft. Der Name dieser Frau weist eine häufig vorkommende Vornamen-Hausnamen-Kombination auf und wird im Folgenden C.C. genannt. Mit schriftlichem Mietvertrag vom 25.01.2018 mietete K dann von B die von ihm bereits bewohnte Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern und einem Bad mit Toilette, einer Küche, einer separaten Toilette, Abstellkammer, 2 Garagen und einem Pkw-Stellplatz mit einer Wohnfläche von 96 m². Unstreitig erklärte K gegenüber B bei Abschluss des Mietvertrages, dass „die Liaison mit Frau C.C. beendet sei“. Dieses Mietverhältnis begann am 01.02.2018 und ist bis zum 30.06.2020 befristet. Mit Schreiben vom 01.08.2018 kündigte K schriftlich den Mietvertrag zum 31. Oktober 2018. Diese wies die Kündigung unter Verweis auf den Zeitmietvertrag und die fehlenden Voraussetzungen zur Kündigung desselben zurück. Am 09.08.2018 erklärte der Kläger darauf gegenüber der Beklagten schriftlich, er werde den Vertrag erfüllen, wies aber darauf hin, dass seine nunmehrige Lebensgefährtin, Frau C.C. jetzt zu ihm ziehen würde und künftig auch im Mietobjekt wohnen werde. C.C. hatte zu diesem Zeitpunkt ihre eigene Wohnung bereits aufgegeben. Dem stimmte B nicht zu und gab als Begründung an, für sie läge eine Unzumutbarkeit vor. Eine dauerhafte Aufnahme der C.C., würde bereits aus rechtlichen Gründen ausscheiden, weil wegen des Zeitmietvertrages eine dauerhafte Aufnahme in die Wohnung ausscheiden würde. Ferner ginge sie davon aus, dass nach dem Vortrag des K eine verfestigte Lebensgemeinschaft zu dieser weiblichen Person bereits vor Abschluss des Mietvertrages bestanden habe. Gemäß § 553 BGB dürfe aber das Interesse des Mieters an der Aufnahme einer dritten Person erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden sei. Zudem würde auch in der vom Kläger benannten weiblichen Person ein wichtiger Grund vorliegen, um eine solche Genehmigung zu versagen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2019 Zivilrecht 401 Aufgrund der Affäre des Klägers zu Frau C.C. und der nunmehrigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit ihr habe sie sich anhaltend in psychologische Betreuung begeben müssen. Den Mietvertrag habe sie 2018 nur abgeschlossen, weil der Kläger glaubhaft versichert habe, die Affäre mit C.C. sei beendet und ein Auftauchen der Frau nicht zu erwarten. Auch beabsichtige sie, in die andere Wohnung auf demselben Grundstück einzuziehen. Damit würde aber die Situation entstehen, dass C.C. ihre Nachbarin werden würde. K verlangt von B die Zustimmung zur Aufnahme der C.C. in die Mietwohnung. Zu Recht? Grund 3 für die Weigerung: Schon das Wissen um C.C. brachte B zum Seelenklempner. Was, wenn C.C. nun ihre Nachbarin ist und sie deren Anblick täglich ertragen muss? Springt sie dann in den Rietzer See und lässt die unmündigen Kinder hilflos zurück? LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Zustimmung zur Aufnahme der C.C. in die Mietwohnung gem. § 553 BGB Fraglich ist, ob K von B die Zustimmung der Aufnahme der C.C. in die Mietwohnung gem. § 553 BGB verlangen kann. I. Mietverhältnis Ein Mietverhältnis besteht zwischen K und B seit Januar 2018. Fraglich ist, ob es durch Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet wurde. Zunächst erklärte K schriftlich am 01.08.2018 die Kündigung des Mietvertrages. Bestünde zwischen K und B ein unbefristetes Mietverhältnis, wäre die Kündigung gem. §§ 542, 568, 573c BGB wirksam. Jedoch besteht unstreitig ein Zeitmietvertrag gem. § 575 BGB, weshalb § 542 BGB keine Anwendung findet. K hat weder eine außerordentliche Kündigung gem. § 543 BGB erklärt, noch stand ihm ein außerordentlicher Kündigungsgrund zu. Somit ging die Kündigung ins Leere. Würde man in der Kündigungserklärung ein Angebot auf Aufhebung des Mietvertrages erkennen, hätte B dies nicht angenommen, weil sie die Kündigung als ungültig zurückgewiesen hat und damit kein Interesse an einer Aufhebung bekundet hat. Das Mietverhältnis ist auch nicht durch den Zeitablauf zum 30.06.2020 beendet worden. Damit besteht das Mietverhältnis fort. Jura Intensiv II. Berechtigtes Interesse an der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten K muss ein berechtigtes Interesse dargelegt haben, einen Teil des Gebrauchs, bzw. Mitgebrauchs einem Dritten zu überlassen. Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist Dritter. [64] (…) hat der Kläger dargelegt, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft zwischen ihm und einer „Frau (..)…“ faktisch seit November 2017 besteht; so jedenfalls in dem Schriftsatz der Klägerseite vom 01.02.2019 ausgeführt. Auch in der Klageschrift hat der Kläger keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit einer „Frau (..)“ eine feste Lebensbeziehung führt. Die Mitteilung weiterer Einzelheiten oblag dem Kläger insofern nicht. Die Offenlegung von Einzelheiten, die die Intimsphäre berühren, ist nämlich nicht veranlasst. [65] Vor dem Hintergrund der gerade in der jüngsten Vergangenheit gewandelten sozialen Anschauungen über nichteheliche Lebensgemeinschaften und der darauf beruhenden Wertentscheidungen des Mietrechtsreformgesetzes ist der - nicht näher zu begründende, weil auf höchst persönlichen Motiven beruhende - Wunsch eines Mieters, eine solche Gemeinschaft zu bilden oder fortzusetzen, in aller Regel für die Darlegung Ein sorgfältiger Bearbeiter legt Erklärungen stets aus und überprüft, ob sie über den Wortlaut hinaus eine andere Bedeutung haben können. Keine Dritten i.S.d. § 553 I 1 BGB sind auf Artikel 6 I GG nahe Familienangehörige, also Ehepartner, Lebenspartner nach LPartG, Kinder sowie die Eltern des Mieters. Bei solchen muss der Mieter den Vermieter nicht um Erlaubnis fragen, sondern ihn nur – u.a. wegen der Betriebskosten – informieren. BGH, Urteil vom 05.11.2003, VIII ZR © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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