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RA Digital - 08/2019

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422 Öffentliches Recht

422 Öffentliches Recht RA 08/2019 1. Einwand: Infrastrukturabgabe leitet Systemwechsel ein 2. Einwand: Steuerentlastung ist geboten, weil deutsche Kfz-Halter die Straßeninfrastruktur bisher alleine finanziert haben 1. Gegenargument: Kein Beleg dafür, dass Kfz-Steuer bisher in einer Höhe der Straßeninfrastruktur zugute kam, die dem Betrag der zukünftigen Infrastrukturabgabe entspricht 2. Gegenargument: Infrastrukturabgabe leitet Systemwechsel nur für ausländische Kfz-Halter ein Möglicherweise lässt sich dieser rechtlichen Bewertung jedoch entgegenhalten, dass Deutschland mit den umstrittenen Regelungen bzgl. der Finanzierung der Straßeninfrastruktur von einem System der Steuerfinanzierung zu einem auf das „Benutzerprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ gestützten Finanzierungssystem übergehen möchte. Ferner haben die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen schon vor Einführung der Infrastrukturabgabe über die Kraftfahrzeugsteuer zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur beigetragen, sodass der Ausgleichmechanismus evtl. geboten ist, um eine unverhältnismäßige steuerliche Belastung zu vermeiden. „[67] […] Jedoch hat die Bundesrepublik Deutschland abgesehen davon, dass sie selbst ganz allgemein betont, dass die Infrastrukturen des Bundes aus Steuermitteln finanziert würden, keine näheren Angaben zum Umfang dieses Beitrags gemacht und somit in keiner Weise dargetan, dass der diesen Fahrzeughaltern gewährte Ausgleich in Form einer Steuerentlastung bei der genannten Steuer in Höhe eines Betrags, der mindestens dem der Infrastrukturabgabe entspricht, diesen Beitrag nicht übersteigt und somit angemessen ist. [68] Im Übrigen ist, was die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen anbelangt, festzustellen, dass die Infrastrukturabgabe so ausgestaltet ist, dass sie in keiner Weise davon abhängt, dass diese die Bundesstraßen tatsächlich nutzen. Somit schuldet zum einen ein solcher Fahrzeughalter diese Abgabe auch dann, wenn er diese Straßen niemals benutzt. Zum anderen unterliegt der Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs automatisch der Jahresabgabe und hat somit keine Möglichkeit, eine Vignette für einen kürzeren Zeitraum zu wählen, wenn eine solche der Häufigkeit, mit der er diese Straßen nutzt, besser entspräche. Diese Gesichtspunkte in Verbindung mit dem Umstand, dass diesen Fahrzeughaltern im Übrigen eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe eines Betrags zugutekommt, der mindestens dem der entrichteten Infrastrukturabgabe entspricht, zeigen, dass der Übergang zu einem Finanzierungssystem, das auf das „Benutzerprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ gestützt ist, in Wirklichkeit ausschließlich die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen betrifft, während für die Halter von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen weiterhin das Steuerfinanzierungsprinzip gilt.“ Jura Intensiv Somit liegt eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit i.S.v. Art. 18 I AEUV vor. IV. Rechtfertigung der Diskriminierung Voraussetzungen für Rechtfertigung: Diskriminierung beruht auf objektiven Erwägungen und ist verhältnismäßig „[73] […] schließlich kann eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2019 Öffentliches Recht 423 [74] In diesem Zusammenhang beruft sich die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen auf Erwägungen im Zusammenhang mit dem Umweltschutz, mit dem Lastenausgleich zwischen deutschen Nutzern und ausländischen Nutzern zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems und mit der Änderung des Systems der Finanzierung der Infrastrukturen. Mögliche Rechtfertigungsgründe [75] Was zunächst Umwelterwägungen anbelangt, so stellt der Umweltschutz zwar […] ein legitimes Ziel dar, um eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu rechtfertigen, jedoch legt die Bundesrepublik Deutschland nicht dar, inwiefern die Einführung einer Infrastrukturabgabe, die de facto nur die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen trifft, geeignet sein soll, dieses Ziel zu gewährleisten. [76] Was sodann das Ziel des Übergangs von einem System der Finanzierung der Infrastrukturen aus Steuermitteln zu einer Finanzierung durch die Nutzer betrifft, geht, selbst unter der Annahme, dass dieses Ziel eine Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, aus den Rn. 64 bis 69 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen gleichwohl nicht zur Erreichung des genannten Ziels geeignet wäre. [77] Schließlich kann auch dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland bezüglich des Erfordernisses, die Kohärenz des Steuersystems durch eine gerechte Verteilung der Lasten, die die Infrastrukturabgabe bedeute, zu gewährleisten, nicht gefolgt werden. Wie in Rn. 69 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, führt die Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen nämlich de facto dazu, dass die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen von dieser Abgabe befreit werden und damit die Last, die diese Abgabe bedeutet, ausschließlich auf die Halter und Fahrer von Fahrzeugen beschränkt wird, die nicht in diesem Mitgliedstaat zugelassen sind.“ Jura Intensiv Demnach scheidet eine Rechtfertigung der Diskriminierung aus, sodass die Infrastrukturabgabe gegen Art. 18 I AEUV verstößt. Aber: Da faktisch nur ausländische Kfz-Halter belastet werden, fehlt es an der Geeignetheit der Maßnahme FAZIT Entscheidend für die europarechtliche Bewertung der sog. Autobahnmaut ist das Zusammenwirken der Infrastrukturabgabe und der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer. Erst dieses Zusammenwirken sorgt für die mittelbare Diskriminierung ausländischer Kfz-Halter. Der EuGH hat im Übrigen auch einen Verstoß gegen Art. 34 und Art. 56, 57 AEUV festgestellt. Die Warenverkehrsfreiheit wird dadurch verletzt, dass die Infrastrukturabgabe die Transportkosten und damit die Preise für Waren erhöht, die mit im Ausland zugelassenen Fahrzeugen transportiert werden, wodurch der Zugang zum deutschen Markt erschwert wird. Aus dem gleichen Grund (Erhöhung der Kosten) ist auch die Dienstleistungsfreiheit in ihrer aktiven wie passiven Ausgestaltung verletzt. Die Entscheidung sollte zum Anlass genommen werden, insbesondere den Prüfungsaufbau des Art. 18 I AEUV zu wiederholen und die Abgrenzung unmittelbare •• mittelbare Diskriminierung einzuüben. Weiterhin verletzt: Warenverkehrsund Dienstleistungsfreiheit © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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