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RA Digital - 08/2019

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438 Strafrecht

438 Strafrecht RA 08/2019 Vgl. zum „Entscheidungsvorbehalt“ BGH, Urteil vom 29.10.1997, 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347. Bestimmungshandlung ankommt, mit der er nach seiner Vorstellung dem Anzustiftenden die weiteren Schritte zur Tatbegehung überlässt. [9] b) An diesen Grundsätzen gemessen setzte der Angeklagte nach seiner maßgeblichen Sicht zu keinem Zeitpunkt dazu an, derart auf [den ‚S‘] einzuwirken, dass [dieser] anschließend die Nebenklägerin heimtückisch getötet [hätte]. In dieser Konstellation eines untauglichen und zugleich objektiv fehlgeschlagenen Versuchs hat sich das in § 30 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB vorausgesetzte Handlungsunrecht hier nicht realisiert. […] [11] bb) Dem verdeckten Ermittler gegenüber konkretisierte der Angeklagte im Verlaufe des 10. November 2017 […] den gewollten Heimtückemord zwar ausreichend: Auch aus Sicht des Angeklagten war der ‚S‘ in der Lage, vor dem Rolltor zur Eigentumswohnanlage auf die Ehefrau zu warten, das von ihr geführte Fahrzeug anhand des Kennzeichens zu identifizieren, ihr in die Tiefgarage nachzufolgen und sie dort hinterrücks zu erschießen. Indes stand auch nach Vorstellung des Angeklagten sowohl am 10. November 2017 als auch 11. November 2017 sein Anruf als der entscheidende Schritt zum Ansetzen zur Tatbestimmung noch aus: [12] (1) Am 10. November 2017 einigten sich der Angeklagte und der verdeckte Ermittler darauf, der Angeklagte müsse Ma‘s Darlehenszusage einholen und darüber den ‚S‘ telefonisch benachrichtigen. Nur dann würde der ‚S‘ zur Tatausführung schreiten. Erst ein solcher vom Angeklagten in zeitlicher Hinsicht nicht näher bestimmter Anruf war das vereinbarte ‚Startzeichen‘ zur Tatbegehung und in diesem Sinne ein stillschweigender ‚Entscheidungsvorbehalt‘. Damit, dass der ‚S‘ doch auf die Darlehenszusage verzichten und entgegen der Abrede ohne weiteren Anruf die Nebenklägerin ermorden würde, musste der Angeklagte nicht rechnen. Der Angeklagte hatte in diesem Sinne die Entscheidungsbefugnis über das Begehen der Tat noch nicht aus der Hand gegeben und den Ermittler zum Warten auf einen Anruf verpflichtet. Erst mit dem Beginn eines solchen Telefonats hätte der Angeklagte zum Bestimmen unmittelbar angesetzt. [13] (2) Eine solche Darlehenszusage spiegelte der Angeklagte zwar am folgenden Tag dem Ermittler wahrheitswidrig vor; aber auch dies führte nicht zum Bestimmungsversuch. Denn es war nach wie vor ein weiterer Anruf erforderlich. Aufgrund des überholenden Geschehensablaufs erkannte auch der Angeklagte, dass eine Tatbegehung durch den ‚S‘ noch nicht möglich war und es der entscheidenden Einwirkung auf diesen noch bedurfte. Da der Angeklagte nicht wusste, wo sich seine Frau aufhielt, legte er als ‚Startzeichen‘ einen weiteren Telefonanruf fest. Erst mit dem Beginn eines solchen weiteren in Aussicht gestellten Anrufs hätte der Angeklagte unmittelbar zum Bestimmungsversuch angesetzt. Das zunächst maßgebliche Abstellen auf die Darlehenszusage war […] ‚überholt‘. Der Angeklagte bestand aus seiner Sicht noch rechtzeitig vor einem Ansetzen zur Tatbestimmung auf einem Entscheidungsvorbehalt.“ Jura Intensiv A hat also weder durch sein Verhalten am 10.11. noch durch das am 11.11.2017 unmittelbar angesetzt. D. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. §§ 30 I, 211 StGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2019 Strafrecht 439 Problem: § 224 I Nr. 2 StGB beim Anfahren mit einem Auto Einordnung: Strafrecht BT III/Körperverletzungsdelikte BGH, Urteil vom 25.04.2019 4 StR 442/18 EINLEITUNG Der Angeklagte hatte als Autofahrer ein Paar angefahren, das ihm die Straße versperrte. Die Frau war dabei unter den Wagen geraten und gestorben. Der BGH macht in diesem Fall nicht nur Ausführungen zur Abgrenzung von Tötungseventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit, er geht auch detailliert auf die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung, § 224 I StGB, und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, § 315b I StGB, ein. SACHVERHALT Nach dem Ende eines Hoffests setzte sich der Angeklagte A um 0.25 Uhr ans Steuer seines Pkw, um nach Hause zu fahren. Seine Freunde M und H nahmen auf dem Beifahrersitz und im Fond Platz. A beabsichtigte, einen nahen Verkehrskreisel zu durchfahren, um sodann in der Gegenrichtung den Heimweg antreten zu können. T und ihr Verlobter K, die ebenfalls das Hoffest besucht hatten, standen am Eingang des Verkehrskreisels ein Stück weit in der Fahrbahn, um ein Taxi anhalten zu können. Als sich A mit seinem Pkw dem Pärchen näherte, bedeutete ihm K mit einer Armbewegung, dass er um ihn und T herumfahren solle, was A unter teilweiser Benutzung der Gegenfahrbahn auch möglich gewesen wäre. A verstand diese Geste dahingehend, dass er anhalten solle, und stoppte sein Fahrzeug. Als T und K stehen blieben, reagierte A gereizt und ließ sein Fahrzeug langsam vorrollen. Unmittelbar vor T und K stoppte er erneut ab. Dadurch wollte A die beiden dazu bewegen, zur Seite zu gehen. Beide blieben jedoch eng umschlungen mittig vor dem Fahrzeug stehen, während M und H den A aufforderten, sich zu beruhigen und „mit sowas“ aufzuhören. A fuhr nun mit normaler Startgeschwindigkeit an und erfasste das Paar. Dies hatte er vorausgesehen, wobei er davon ausging, dass sich beide als Folge des Zusammenstoßes mit dem Fahrzeug schwer verletzen könnten. Damit fand er sich ab. Ihm war auch bewusst, dass aus dem Zusammenstoß auch tödliche Folgen resultieren konnten, vertraute jedoch darauf, dass dies nicht geschehen würde. K wurde durch den Anstoß nach links abgewiesen und kam auf der Fahrbahn zu liegen, wobei er leichte Verletzungen erlitt. T wurde auf die Motorhaube aufgeladen und saß etwa mittig auf der Haube mit dem Rücken zur Frontscheibe. Sie versuchte, sich mit den Händen neben dem Körper abstützend auf dem Fahrzeug zu halten. A erkannte dies, fuhr gleichwohl in den Kreisel ein, wobei er auf eine Geschwindigkeit von 25 km/h beschleunigte. Nach einer Fahrstrecke von ca. 30 Metern konnte sich die laut schreiende T nicht mehr halten, rutschte von der Motorhaube herunter und kam vor dem Fahrzeug auf der Fahrbahn zu liegen. Sie gelangte sofort unter das fahrende Fahrzeug, das dadurch eine wippende Auf- und Abbewegung machte. Zwar bemerkte A diese Bewegung, ging aber davon aus, dass T nach rechts von der Motorhaube heruntergerutscht und ohne tödliche Verletzungen zu Boden gefallen war. Weil er die Wippbewegung wahrgenommen hatte, nahm Jura Intensiv LEITSÄTZE DER REDAKTION 1. Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und auf deren Ausbleiben vertraut, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des schädlichen Erfolges um des erstrebten Zieles willen billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet; dabei kann schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht angestrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigen. 2. Eine gefährliche Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs gem. § 224 I Nr. 2 StGB begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung beibringt; wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 I Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine körperliche Misshandlung ausgelöst worden ist. 3. Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 I Nr. 5 StGB liegt vor, wenn der Täter in einer Weise vorgeht, die nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben zu gefährden und er die Umstände kennt, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation ergibt. 4. Die Verursachung des Todes ist keine schwere Gesundheitsschädigung i.S.v. § 315 III Nr. 2 StGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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