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RA Digital - 08/2020

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396 Zivilrecht

396 Zivilrecht RA 08/2020 Problem: Schadensersatz nach Austausch einer Schließanlage wegen eines verlorenen Schlüssels Einordnung: Allgemeines Schuldrecht LG München I, Urteil vom 18.06.2020 31 S 12365/19 LEITSATZ 1. Bei Verlust eines Schlüssels ist der Mieter allenfalls nur dann verpflichtet, dem Vermieter die Kosten des Austauschs der gesamten Schließanlage zu erstatten, wenn aus objektiver Sicht unter den gegebenen Einzelfallumständen eine konkrete Missbrauchsgefahr besteht. Ein rein abstraktes Gefährdungspotential ist hierfür nicht ausreichend (Anschluss BGH, Urt. v. 5. März 2014 - VIII ZR 205/13). 2. Verletzt der Vermieter die Obliegenheit, den Mieter darauf hinzuweisen, dass eine Schließanlage nicht erweiterbar ist, trägt er im Schadensfall die Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass er keine erweiterbare Schließanlage gewählt hat, selbst (§§ 241 Abs. 2, 254 BGB). Alternativ hätte der Vermieter die Möglichkeit, das Wohnungsschloss auf Kosten des Schädigers durch einen nicht zur Schließanlage gehörenden Zylinder auszutauschen. EINLEITUNG Einen Schlüssel zu verlieren, ist keine schöne Erfahrung. Zum Gefühl der Unsicherheit und der Angst vor Einbrüchen gesellen sich die Kosten für die Neuanschaffungen von Schlüsseln und Schlosszylindern. Ob man allerdings für die Kosten einer ganzen Schließanlage aufkommen muss, beschäftigt das LG München in der vorliegenden Entscheidung. SACHVERHALT K ist Vermieter, B Mieter einer Wohnung. Im Jahr 2015 wurde die Schließanlage des Mehrparteien-Miethauses gegen eine neue Schließanlage ausgetauscht. Bei dieser handelte es sich um eine erweiterbare Schließanlage. Anfang 2018 teilte B dem Vermieter mit, dass er sämtliche vier Wohnungsschlüssel für die Wohnung verloren hat. K wechselte daraufhin die gesamte Schließanlage aus. Die Kosten hierfür betrugen 1.977,78 €. K forderte sodann von B diese Kosten erstattet und bot zugleich Ratenzahlung an. B erklärte, er könne und werde nicht bezahlen. Anschließend überwies B dann doch eine Rate in Höhe von 636,05 € an K. Kurz darauf erklärte der Rechtsanwalt des B namens des Mandanten die Anfechtung einer etwaigen Ratenzahlungsvereinbarung. K forderte B darauf schriftsätzlich zur Zahlung der restlichen Austauschkosten auf. B meint, er schulde allenfalls die Kosten der Ersatzschlüssel- und Ersatzschlossbeschaffung für die Hauseingangstüre und seiner Wohnungstüre. Diese seien – was zutrifft – bereits im gezahlten Betrag enthalten. Ferner sieht B ein erhebliches Mitverschulden des K darin, dass dieser ihn nicht vor dem Einbau der Zentralschlossanlage über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Fall des Schlüsselverlusts aufgeklärt hat. Mit einer verhältnismäßig preisgünstigen Schlüsselversicherung hätte der Mieter das finanzielle Risiko, die Kosten des Austauschs einer Schließanlage tragen zu müssen, ausschließen können. K ist hingegen der Meinung, es sei aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema allgemein bekannt, dass der Verlust von Schlüsseln und der damit einhergehende Austausch der Schließanlage hohe Kosten verursachen kann und fordert von B die Zahlung der restlichen Kosten. Zu Recht? Jura Intensiv LÖSUNG Ablehnung seitens B A. Anspruch K gegen B aus einem konstitutiven Anerkenntnis gem. § 781 BGB K könnte gegen B wegen der geleisteten Teilzahlung einen Anspruch aus einem konstitutiven Schuldanerkenntnis gem. § 781 BGB haben. Dagegen spricht zunächst, dass B im Gespräch mit K ausdrücklich die Zahlung abgelehnt hat. Fraglich ist aber, ob in seinem unmittelbar nach dem Gespräch liegenden Verhalten, nämlich der Teilzahlung, eine konkludent Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2020 Zivilrecht 397 erklärte Willenserklärung liegt, die ein objektiver Dritter, vom Empfängerhorizont aus betrachtet, gem. §§ 133, 157 BGB als Anerkenntnis i.S.d. § 781 BGB werten musste. [24] Die rein tatsächliche Teilzahlung des Beklagten beinhaltet ihren Umständen nach weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB. Der Beklagte hatte die Zahlung der Gesamtforderung zuvor ausdrücklich abgelehnt. Ein objektiver Erklärungsempfänger kann dem Umstand, dass der Beklagte dann doch einen Teil eines geforderten Betrags bezahlt hat, nicht entnehmen, dass der Beklagte sich zur Zahlung eines weitergehenden Betrags verpflichten will. Zudem ist die nach § 781 S. 1 BGB für ein Anerkenntnis erforderliche Schriftform ist nicht eingehalten. Folglich besteht kein Anspruch aus einem Anerkenntnis zwischen K und B gem. § 781 BGB. B. Anspruch aus Vergleichsvertrag gem. § 779 BGB Fraglich ist, ob zwischen B und K ein Vergleichsvertrag über eine Zahlung besteht, der B zur Zahlung verpflichten könnte. Dafür könnte zum einen sprechen, dass K eine Ratenzahlung angeboten hat, die ein Nachgeben i. S. d. § 779 BGB darstellen kann. Dafür könnte zum anderen sprechen, dass B eine Teilzahlung an K geleistet hat. [25] Auch ein außergerichtlicher Vergleich dahingehend, den vom Kläger geforderten Betrag ratenweise zu bezahlen, ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Das Angebot des Klägers, einen Ratenzahlungsvergleich abzuschließen, ist mit Ablehnung des Ratenzahlungsangebots durch den Beklagten erloschen (§ 146 BGB). Die Teilzahlung des Beklagten beinhaltet auch keine Erklärung, zur Zahlung eines weitergehenden Betrags bereit zu sein. Folglich besteht kein Anspruch aus einem Vergleich gem. § 779 BGB. Jura Intensiv C. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 241 II BGB Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Restbetrags aus einem Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 I, 241 II BGB hat. Das Gericht sieht aufgrund des Vorverhaltens des B kein Anerkenntnis in der Teilzahlung. Weil B kein Kaufmann ist, gilt § 350 HGB nicht zu seinen Lasten. Das Gericht sieht aufgrund der sofort erklärten Ablehnung des Ratenzahlungsangebotes ein Erlöschen desselben gem. § 146 BGB. I. Schuldverhältnis Das von § 280 I BGB geforderte Schuldverhältnis besteht aufgrund des Mietvertrages zwischen K und B. II. Pflichtverletzung § 241 BGB verpflichtet die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen. Indem B die Schlüssel verloren hat, liegt eine Eigentumsverletzung vor. Die Pflicht zur Rückgabe müsste eine bloße Obhutspflicht gem. § 241 II BGB sein. Wäre sie eine leistungsbezogene Pflicht i.S.d. § 281 I 1 BGB, hätte K dem B eine Frist zur Rückgewähr setzen müssen. Gegen die Annahme einer leistungsbezogenen Pflicht spricht, dass Leistungspflichten auf die Veränderung der Rechtslage zielen. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn einem Mieter mit wirksamer Klausel eine Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auferlegt wurde. Die nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten, Wichtig: Die Pflichtverletzung ist strikt vom eingetretenen Schaden zu trennen. Die Schlüssel sind verloren, das Eigentum verletzt. Ob dies zum geltend gemachten Schadensersatz führt, ist eine Frage der Schadenshöhe. Lies zur Abgrenzung zwischen leistungsbezogener und nicht leistungsbezogener Pflichten bei der Rückgabe der Mietsache: BGH RA 2019, 514. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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