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RA Digital - 08/2021

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412 Referendarteil:

412 Referendarteil: Zivilrecht RA 08/2021 Aus §§ 6 f. IfSG kann kein „wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung“ im Sinne des § 307 I 1, II BGB entnommen werden. Siehe hierzu noch das Fazit. Meiner Meinung nach geht der Kunde einer Betriebsschließungsversicherung, die ausdrücklich auf §§ 6 f. IfSG verweist davon aus, dass die Erreger, aufgrund dessen behördlich sein Geschäft geschlossen werden kann, auch den Versicherungsfall auslösen mit Ausnahme der Erreger, welche in der Risikoausschlussklausel aufgenommen sind, sodass durchaus in Erwägung gezogen werden kann, ob der Vertragszweck hier gefährdet ist. RA 09/2020, S. 469 = LG Bochum, Urteil vom 15.07.2020, 4 O 215/20 RA 11/2020, S. 577 = LG München, Urteil vom 01.10.2020, 12 O 5895/20 streitgegenständlichen Klausel nicht berührt. Ebenso wenig kann ein solches Leitbild aus §§ 6, 7 IfSG abgeleitet werden. Diese Vorschriften beruhen nicht auf einem Ausfluss von Gerechtigkeitserwägungen. Es handelt sich vielmehr um eine Vorschrift des öffentlichen Rechts, die ausschließlich dem Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten dient. [43] Durch die streitgegenständliche Klausel (…) wird auch nicht die Erreichung des Vertragszwecks unzulässig gefährdet, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. (…). Die enumerative Aufzählung dem versicherten Risiko unterfallender Krankheiten und Krankheitserreger ist vielmehr eine von mehreren typischen Ausprägungen einer solchen Versicherung. [44] Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger stellt auch im Übrigen keine unangemessene Regelung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. (…). [45] Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Vertragsgestaltung die Eigeninteressen des Verwenders gegenüber den Interessen des Vertragspartners ohne rechtfertigenden Grund unverhältnismäßig stark zur Geltung bringt, ohne dass dies durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (vgl. (…)). [46] Im vorliegenden Fall übernahm die Beklagte in ihren Versicherungsbedingungen in einem erheblichen Umfang die in §§ 6, 7 IfSG in der Fassung vom 17. Juli 2017 aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger und machte eine hierdurch bedingte Betriebsschließung zum Gegenstand des Versicherungsschutzes. Dass die Interessen des Klägers hierdurch unverhältnismäßig eingeschränkt wurden und in keinem vernünftigen Verhältnis zur Gegenleistung des Klägers stehen (…) und ist auch (…) nicht ersichtlich. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 I 1 ZPO sowie auf § 709 ZPO. FAZIT Die Entscheidung verdeutlicht insbesondere im Hinblick auf die hier in der RA bereits behandelten Fälle, dass einzelne Wörter in Klauseln zu gegensätzlichen Auslegungsergebnissen führen können. Bezüglich der Ausführung des Senats, dass die §§ 6, 7 IfSG nicht auf einem Ausfluss von Gerechtigkeitserwägungen beruhen, bedarf dies dringend einer Klarstellung. Natürlich haben die §§ 6 f. IfSG einen Schutzzweck, welcher wiederum die gesetzlichen Grundgedanken der Normen darstellt. Dieser ist aber hoheitlich und daher nicht für eine zivilrechtliche AGB-Prüfung heranzuziehen. Die Formulierung des Senats ist lediglich ungünstig. Natürlich handelt es sich bei öffentlich-rechtlichen Normen ebenfalls um „Ausflüsse von Gerechtigkeitserwägungen“; dies gilt insbesondere aufgrund der unmittelbaren Grundrechtswirkung. Gemeint ist demgegenüber, dass die Normzwecke nicht auf einen zivilrechtlichen Interessensausgleich der Parteien abstellen. Das OLG hat in dieser Sache die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob auch das Thema bezüglich der Betriebsschließungsvereinbarungen höchstgerichtlich entschieden werden wird. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2021 Referendarteil: Zivilrecht 413 Problem: Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten Einordnung: RVG, ZPO I BGH, Urteil vom 22.06.2021 VI ZR 353/20 EINLEITUNG Es ist das übliche anwaltliche Vorgehen, dass im Rahmen eines Angriffsmandats der behauptete Anspruch außergerichtlich geltend gemacht und nach Ablauf einer Frist sodann versucht wird, diesen klageweise durchzusetzen. Aufgrund des Umstandes, dass zu den Kosten des Rechtsstreits, über die von Amts wegen entschieden wird, neben den Gerichtskosten grundsätzlich lediglich die Verfahrenskosten der Anwälte zählen, muss die vorgerichtliche (außergerichtliche) Geschäftsgebühr separat eingeklagt werden. In den meisten Fällen steht und fällt diese mit dem Hauptsacheantrag. Im vorliegenden Fall behauptet die Gegenseite aber, dass die Geschäftsgebühr überhaupt nicht entstanden sei. Die Entscheidung wird als erstinstanzliche Entscheidung dargestellt in Kombination mit einer übereinstimmenden Teilerledigung. TATBESTAND Im Juli 2013 erwarb der Kläger (K) von einem Autohaus für 21.000 € den Pkw VW Tiguan, FIN (…), bei welchem ein von der Beklagten (B) hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist. In den Fahrzeugen des streitigen Typs und auch im Fahrzeug der Klagepartei war eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1), ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine oder eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 13.11.2018 forderte K die B zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € auf unter Hinweis, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe. Jura Intensiv K vertritt die Rechtsauffassung, ihm stehe ein Freistellungsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegen B zu. K hat die Rechtsansicht vertreten, er habe aufgrund arglistiger Täuschung seitens der B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges gehabt. Ursprünglich hat K beantragt, die B zu verurteilten, an den K 21.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKWs (…) mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer (…) zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € freizustellen. B hat die Klageabweisung beantragt. LEITSATZ Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Bei der Originalentscheidung handelt es sich um eine Revision, welche lediglich den Nebenanspruch bezüglich der Geschäftsgebühr zum Gegenstand hatte. Um die Problematik hier isoliert in einer erstinstanzlichen Entscheidung zu präsentieren, haben wir uns für die Einbettung in einer Teilerledigung entschieden. Klassischer Tatbestand in Verfahren, welche den „Dieselskandal“ betreffen Aktueller streitiger Vortrag des K, wie gewohnt Prozessgeschichte: Der streitige Vortrag des K zum erledigten Teil. Konjunktiv Perfekt Ursprüngliche Anträge im Fließtext, keine Hervorhebung durch ein Einrücken Indikativ Perfekt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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