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RA Digital - 08/2021

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434 Referendarteil:

434 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 08/2021 Bei der Ermessensausübung darf sich die Behörde grds. nur von straßenbezogenen Erwägungen leiten lassen. Aufzählung der zulässigen Ermessenerwägungen bzgl. Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis (vgl. OVG Münster, Urteil vom 7.4.2017, 11 A 2068/14, juris Rn 54) Das Sondernutzungsrecht ist grds. wirtschafts- und wettbewerbsneutral. Dieser Punkt wird von den Behörden bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen nicht selten verkannt, mit der Folge, dass sich die Ermessenausübung als fehlerhaft darstellt. Vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 7.4.2017, 11 A 2068/14, juris Rn 56 ff. m.w.N. Generelle Ermessensausübung durch Erlass von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die eine Selbstbindung der Verwaltung mit sich bringen. Bei Erlass durch Ratsbeschluss wird hierbei nicht selten ein Bezug zum Kommunalrecht hergestellt, indem die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Ratsbeschlusses zu prüfen ist (vgl. hierzu auch sogleich die Ausführungen in der Kostenentscheidung). Subsumtion der konkreten Ermessensausübung. Weitere Formulierungsbeispiele zur Einleitung der Subsumtion: „Nach diesen Maßstäben…“, „Hiernach …“, „Unter Anwendung dieser Grundsätze …“ Strittig, ob Aufrechterhaltung der Ordnung an den Sammelstellen ein zulässiges Entscheidungskriterium ist (bejahend: VGH München, Urteil vom 19.7.1996, 8 B 95.730, juris Rn 14; VG Braunschweig, Urteile vom 26.11.2014, 6 A 322/13, juris Rn 20 ff.; verneinend: OVG Saarlouis, Urteil vom 3.2.2021, 1 A 198/20, juris Rn 46 ff.) Entsprechend dem Zweck des § 18 Abs. 2 StrWG NRW hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrunds und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbilds, d.h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße (Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbilds und Ähnliches). Ob die Sondernutzung durch einen Altkleidersammelcontainer eines gemeinnützigen oder gewerblichen Aufstellers geschieht, ist straßenrechtlich ohne Belang. Das Sondernutzungsrecht ist im Grundsatz wirtschafts- und wettbewerbsneutral. Straßenrechtlich zu beanstanden sind etwa rein subjektive oder geschäftsbezogene Merkmale. So fehlt auch dem im Marktrecht entwickelten Grundsatz „bekannt und bewährt“ der straßenrechtliche Bezug. Die Zuverlässigkeit ist grundsätzlich ebenfalls ein subjektives Merkmal, das einen straßenrechtlichen Bezug nicht aufweist. Etwas anderes kann im Einzelfall ausnahmsweise dann gelten, wenn die Behörde die Ablehnung der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis etwa auf den straßenbezogenen Gesichtspunkt stützt, die Sicherheit des Straßenverkehrs sei im Falle der Erteilung der Erlaubnis an den betreffenden Antragsteller mit Blick auf dessen Verhalten nicht gewährleistet. [...] Die Kommune darf ihr Ermessen zur Bewirkung einer gleichmäßigen Handhabung durch die Straßenbaubehörde auch generell ausüben, etwa durch den Erlass ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften (Ermessensrichtlinien). Hierdurch bewirkt sie eine Selbstbindung, die im Grundsatz von der gesetzlichen Ermessensermächtigung zugelassen wird. Die durch eine Verwaltungsvorschrift bewirkte Ermessensbindung der Behörde geht aber nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könnte. In atypischen Fällen, in denen die generelle Ermessensausübung die individuellen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls nicht (hinreichend) berücksichtigt, ist der Behörde ein Abweichen von den ermessenslenkenden Vorschriften möglich. Jura Intensiv Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen erweist es sich als ermessensfehlerhaft, Sondernutzungserlaubnisse für das Aufstellen von Altkleidersammelcontainern im gesamten Stadtgebiet der Beklagten lediglich an einen Erlaubnisnehmer je Kalenderjahr zu vergeben. Für die Entscheidung, diese Form der Sondernutzung „in eine Hand“ zu geben, fehlt es hier an einem sachlichen Bezug zur Straße. Ob ein straßenbezogener Grund, der eine derartige Einschränkung rechtfertigt, darin gesehen werden kann, dass die Wartung und Entsorgung von Wertstoffinseln bzw. Wertstoffsammelstellen „aus einer Hand“ einer (weiteren) Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs begegnet, indem die bei verschiedenen Aufstellern andernfalls erforderliche konfliktträchtige Frage, welchem Abfallcontainer (Fremd-)Müllablagerungen „zuzuordnen“ sind, vermieden und damit die unverzügliche Entfernung des Abfalls Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2021 Referendarteil: Öffentliches Recht 435 ermöglicht wird, kann hier offen bleiben. Denn vorliegend zielt die Beklagte nicht darauf ab, Wertstoffinseln bzw. Wertstoffsammelstellen „in eine Hand“ zu geben, sondern die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an - von ihr vorgegebenen - Sammelstellen im Stadtgebiet, an denen teilweise andere Entsorger bereits Altglassammelcontainer aufstellen und teilweise ausschließlich einzelne Altkleidersammelcontainer aber keine sonstigen Sammelcontainer aufgestellt sind bzw. werden sollen, nur einem Erlaubnisnehmer zu ermöglichen. Damit geht die von der oben angeführten Rechtsprechung angenommene positive Auswirkung auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bereits nicht einher, weil in beiden Konstellationen eine konfliktträchtige Zuordnung von (Fremd-)Müllablagerungen zu Containern verschiedener Aufsteller gerade nicht vermieden wird bzw. vermieden werden muss. [...] Gegen die Begrenzung der Standorte und der Anzahl der dort maximal aufzustellenden Altkleidersammelcontainer, die nach den Erwägungen der Beklagten dem Schutz des Stadt- und Straßenbildes und der Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Verkehrsraums mit verkehrsfremden Gegenständen dienen soll, ist allerdings nichts zu erinnern. Diese weist einen nachvollziehbaren straßenrechtlichen Bezug auf [...]. Die einheitliche Kostenentscheidung zu den gesamten Kosten des Rechtsstreits einschließlich des in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtstreits beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Hinsichtlich des in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtstreits entspricht es der Billigkeit, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da diese bei einer streitigen Entscheidung im Verfahren unterlegen wäre. Die Versagung der von der Klägerin beantragten Sondernutzungserlaubnisse für das Kalenderjahr 2017 […] ist ermessensfehlerhaft gewesen; der Klägerin hat im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt der Erledigung der verfolgte Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags hinsichtlich des Kalenderjahres 2017 zugestanden. Die in dem angefochtenen Bescheid vom 31. Juli 2017 vorgenommene Ermessensausübung ist fehlerhaft gewesen. Für diese Ermessensausübung hätte es eines Ratsbeschlusses bedurft, der im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag der Klägerin nicht vorgelegen hat. Dieser Fehler hat auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids durchgeschlagen. Bei der Entscheidung einer Gemeinde, eine bestimmte Art der Sondernutzung […] in ihrem Gemeindegebiet generell stark einzuschränken, indem sowohl die konkreten Standorte und die Anzahl der Sondernutzungen wie auch die Anzahl der Erlaubnisnehmer festgelegt werden, handelt es sich wegen ihres grundlegenden Charakters um eine dem Rat vorbehaltene Entscheidung. Jura Intensiv Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ist der Rat der Gemeinde für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Abgesehen von den in § 41 Abs. 1 Satz 2 GO NRW enumerativ aufgezählten Fällen kann der Rat die Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten auf Ausschüsse oder den Bürgermeister übertragen […]. Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten im Namen des Rats als auf den Bürgermeister übertragen, soweit nicht der Rat sich Zulässige Ermessenserwägung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 13.5.2019, 11 A 2627/18, juris Rn 39) Einheitliche Kostenentscheidung bzgl. Teilerledigung und verbliebenem Sachantrag Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erledigten Teils auf § 161 II 1 VwGO und hinsichtlich des streitigen Teils auf § 154 I VwGO. Klägerin hatte Anspruch auf Neubescheidung, da die Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnis ermessensfehlerhaft erfolgte. Hier geht es um die kommunalrechtliche Problematik bzgl. der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Rat und Bürgermeister. Die Frage nach den Zuständigkeiten der unterschiedlichen Gemeindeorgane stellt sich in ähnlicher Weise auch in anderen Bundesländern. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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