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RA Digital - 09/2016

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482 Öffentliches Recht

482 Öffentliches Recht RA 09/2016 Inhaltliche Prüfung der 3-Stufen-Theorie Vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 4, 26 Verbleibende Einnahmequellen der Makler „[82] […] Wiederum wird der Makler zwar auch, nicht aber ausschließlich im Interesse des zum Zuge gekommenen Wohnungssuchenden tätig. Vielmehr wird dem Vermieter nach dem Scheitern des ersten Vermittlungsversuchs hier ebenfalls die Chance einer Auswahl unter mehreren grundsätzlich geeigneten Mietinteressierten ermöglicht, wie es typischerweise dem Vermieterinteresse an der Einschaltung eines Maklers entspricht. Das auf Seiten der Mietvertragsparteien konkurrierende Interesse am Tätigwerden eines Vermittlers steht mithin in Fällen der Vorbefassung ebenfalls einer Provisionsverpflichtung der Wohnungssuchenden entgegen. Folge ist zwar das […] so bezeichnete „Verbrennen“ eines ihm bekannten Wohnungsangebots zu Lasten des Maklers, der dieses Objekt nach Scheitern einer Vermittlung anderen Interessenten nicht mehr provisionspflichtig anbieten kann. […] es steht dem Wohnungsvermittler hingegen auch hier frei, vor weiteren Tätigkeiten mit dem Vermieter einen Maklervertrag zu schließen und nach erfolgreicher Vermittlung von ihm die Provision zu fordern.“ Somit sind die Neuregelungen erforderlich, um den angestrebten Schutz zu erreichen. cc) Angemessenheit Angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Norm, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs steht. Mit Blick auf die Drei-Stufen-Theorie bedeutet dies, dass die Rechtfertigungsanforderungen steigen, je höher die Eingriffsstufe ist. Um - wie hier - einen Eingriff in Gestalt einer Berufsausübungsregel rechtfertigen zu können, genügt es, wenn für das verfolgte Ziel vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls sprechen. Allerdings ist auch bei Berufsausübungsregeln zu beachten, dass sich mit Steigerung der Eingriffsintensität die Rechtsfertigungsanforderungen erhöhen. Insbesondere bei einem weiten Verständnis der Ausschließlichkeitsregel führen die umstrittenen Vorschriften zu einem nicht unerheblichen Eingriff in die freie Berufsausübung der Wohnungsvermittler. Sie haben mit erheblich geringeren Provisionseinnahmen zu rechnen, wovon auch der Gesetzgeber ausgeht. Andererseits wird den Immobilienmaklern nicht vollständig ihre Geschäftsgrundlage genommen. Jura Intensiv „[86] […] Zudem sind Immobilienmakler nicht ausschließlich als Wohnungsvermittler tätig, sondern vermitteln in der Regel auch Mietverträge über gewerblich genutzte Räumlichkeiten und insbesondere Kaufverträge für Immobilien, die zu Wohn- oder zu gewerblichen Zwecken genutzt werden. Vielfach sind sie auch in der Immobilienverwaltung und anderen immobiliennahen Dienstleistungsbereichen tätig. Diese Tätigkeitsfelder und Einnahmequellen bleiben von den Änderungen im Wohnungsvermittlungsgesetz unberührt. [87] […] Dass Vermieter zukünftig gänzlich auf die Dienste von Wohnungsvermittlern verzichten, erscheint angesichts der Mühe, die mit der eigenen Suche nach Mietinteressierten verbunden ist, unwahrscheinlich. […]“ Inhaltsverzeichnis

RA 09/2016 Öffentliches Recht 483 Zudem stehen den Interessen der Wohnungsvermittler die berechtigten Interessen der zahlreichen Wohnungssuchenden gegenüber. Die Neuregelungen erleichtern es ihnen, geeigneten Wohnraum zu finden und sich so den räumlichen Mittelpunkt ihres persönlichen Lebenskreises zu schaffen. „[88] […] Dies und der Schutz vor Nachteilen aufgrund der Eigentumsverhältnisse und der Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt rechtfertigen es zudem, in die Abwägung auf Seiten der Wohnungssuchenden das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) einzubeziehen. Sozialstaatsprinzip [89] […] Der Gesetzgeber trägt einem sozialen Ungleichgewicht Rechnung, das durch den hohen Bedarf und das knappe Angebot an Mietwohnungen entsteht. Hierzu hat er mit der Belastung der Wohnungssuchenden durch Maklercourtage einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor aufgegriffen und eine Regelung geschaffen, die diese Kosten den Vermietern als denjenigen zuweist, in deren Interesse die Aufwendungen typischerweise entstehen. Seine Entscheidung, hierfür als Mittel eine Einschränkung der vertraglichen Möglichkeiten und damit der Berufsfreiheit der Wohnungsvermittler zu wählen, bewegt sich innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums und der politischen Verantwortung, die dem Gesetzgeber für die maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen verbleiben.“ Demnach bringen die umstrittenen Bestimmungen die widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich. Das Mietrechtsnovellierungsgesetz verletzt die betroffenen Immobilienmakler daher nicht in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG. FAZIT Die Entscheidung ist ein ganz „heißer“ Examenstipp. Einerseits geht es um ein Thema, das auch jenseits der juristischen Fachöffentlichkeit für Aufregung gesorgt hat. Andererseits werden im Zusammenhang mit einer Prüfung der Grundrechte Probleme aus dem Staatsorganisationsrecht erörtert. Das finden die Justizprüfungsämter erfahrungsgemäß sehr attraktiv. Darüber hinaus verlangt die Verhältnismäßigkeitsprüfung eine ganz genaue Auseinandersetzung mit den Zielen des Gesetzgebers und möglichen Alternativlösungen. Hier müssen Examenskandidaten in besonderem Maße ihre Argumentationsfähigkeit unter Beweis stellen. Studierende in Nordrhein-Westfalen sollten die Entscheidung besonders aufmerksam lesen, da Urteile und Beschlüsse des BVerfG in diesem Bundesland erfahrungsgemäß zeitnah Eingang in Klausuren des 1. Examens finden. Jura Intensiv Weiter gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum Vgl. z.B. NRW, 1. Examen, Termine Juni 2016 (2. Klausur), Januar 2015 (2. Klausur), Mai 2015 (2. Klausur), Juni 2015 (1. Klausur), Dezember 2015 (2. Klausur), August 2014 (1. Klausur), September 2014 (1. Klausur) Inhaltsverzeichnis

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