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RA Digital - 09/2017

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480 Öffentliches Recht

480 Öffentliches Recht RA 09/2017 erfüllen (§ 1 II IHKG) sowie Wirtschaftsverwaltungsaufgaben nachzukommen, z.B. Ausstellung von Bescheinigungen und die Prüfung von Sachkunde (§ 1 III, IV IHKG). „[94] […] Soweit die Beschwerdeführerinnen behaupten, ein Gesamtinteresse lasse sich gar nicht feststellen, da die Unternehmen keine homogene Gruppe seien, liegt dem ein Missverständnis zugrunde. Ziel ist nicht die Artikulation einer einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 IHKG verdeutlicht vielmehr, dass das Gesamtinteresse in diesem Sinne durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen ermittelt und weitergegeben werden muss. Speziell: Pflichtmitgliedschaft Das ist entscheidend. Geeignetheit = Zweckförderlichkeit Pflichtmitgliedschaft in Körperschaft des öff. Rechts verfolgt die Zwecke effektiver als freiwillige Mitgliedschaft in privater Vereinigung. Globalisierung ändert an Geeignetheit nichts [99] Die Aufgabenstellungen nach § 1 IHKG entsprechen danach der für wirtschaftliche Selbstverwaltung typischen Verbindung von Interessenvertretung, Förderung und Verwaltungsaufgaben, […] [100] Die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern nach § 1 IHKG verfolgen auch insoweit einen legitimen Zweck, als sie in der Form einer Körperschaft wahrgenommen werden, die gerade mit einer Pflichtmitgliedschaft einhergeht. Die Artikulation der Belange und Interessen der Wirtschaft vor Ort, um diese insbesondere gegenüber Politik und Verwaltung zu Gehör zu bringen, gelingt zumindest besser, wenn die Betriebe und Unternehmen diese Aufgabe selbst in autonomer Verantwortung wahrnehmen und alle als Mitglieder beteiligt sind. Nur eine Pflichtmitgliedschaft sichert, dass alle regional Betroffenen ihre Interessen einbringen und fachkundig vertreten werden. Auch mit Blick auf die übertragenen Aufgaben, Prüfungen abzunehmen und Bescheinigungen zu erteilen, sind Fachkunde und Erfahrung aller in der Region tätigen Gewerbetreibenden gefragt. […]“ Damit verfolgen die Pflichtmitgliedschaft in der IHK und die daraus resultierende Beitragspflicht legitime Zwecke. Jura Intensiv (2) Geeignetheit Geeignet sind die gesetzlichen Bestimmungen, wenn sie die verfolgten Zwecke zumindest fördern. „[102] Die Annahme des Gesetzgebers ist plausibel, dass private Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft nicht im gleichen Maße die Belange und Interessen aller in einer Region tätigen Gewerbetreibenden ermitteln und vertreten können wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen, […] . Wäre die Mitgliedschaft freiwillig, bestünde zudem ein Anreiz, als „Trittbrettfahrer“ von den Leistungen der Kammer zu profitieren, ohne selbst Beiträge zu zahlen. Die an die Pflichtmitgliedschaft gebundene Beitragspflicht trägt dazu bei, den Kammern die Erfüllung ihrer Aufgaben - vorbehaltlich der Angemessenheit ihrer Höhe und der ordnungsgemäßen Verwendung - zu ermöglichen. [103] Auch gegen die Organisation in Bezirken und damit auf der Ebene regionaler Selbstverwaltung zur Erfüllung der benannten Aufgaben bestehen hinsichtlich ihrer Eignung, die legitimen Ziele des Gesetzgebers Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2017 Öffentliches Recht 481 zu erreichen, keine durchgreifenden Bedenken. Dahinter steht die plausible Einschätzung, dass auch in einer vielfach europäisierten und globalisierten Wirtschaftspolitik Handlungsimpulse von der lokalen oder regionalen Ebene kommen können und sollen. Der Einwand, dass ausländische Gewerbetreibende nicht hinreichend als Mitglieder beteiligt würden und daher ein Gesamtinteresse fehle, greift nicht. Die Pflichtmitgliedschaft in § 2 Abs. 1 IHKG knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit an, sondern an die Niederlassung; entscheidend ist die örtliche Verankerung.“ Demnach sind die gesetzlichen Bestimmungen geeignet. (3) Erforderlichkeit Die umstrittenen Bestimmungen sind erforderlich, wenn es kein milderes Mittel gibt, das die aufgezeigten Ziele ebenso effektiv realisiert wie die vom Gesetzgeber gewählten Maßnahmen, wobei dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum zukommt. „[105] […] Dafür, dass der Kammer - den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers überschreitend - Aufgaben zugewiesen wurden, die unnötige Kosten nach sich ziehen, oder dass finanzielle Mittel auf andere Weise mit geringerer Eingriffswirkung gleichermaßen verlässlich von den Betroffenen erhoben werden könnten, ist nichts ersichtlich. Die Frage danach wurde vielmehr in der rechtspolitischen Diskussion ausdrücklich gestellt und verneint. […] Da die Industrie- und Handelskammer das Interesse der Mitglieder wahrnimmt und ihre wirtschaftliche Tätigkeit fördert, ist nicht ersichtlich, welches mildere Mittel zur Kostentragung als die in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG geregelte allgemeine, nach der Leistungsfähigkeit gestaffelte Beitragslast eingesetzt werden könnte, unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit in der Höhe, der rechtfertigungsbedürftigen Staffelung und der Verwendung. [106] Die […] Alternative einer freiwilligen Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern ist verfassungsrechtlich nicht die eindeutig weniger belastende Alternative zur geltenden Regelung. […] Der Wert der Arbeit der Kammern beruht insofern nicht nur auf der Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch auf der Vollständigkeit der Informationen, die den Kammern im Bereich der zu beurteilenden Verhältnisse zugänglich sind. Eine freiwillige Mitgliedschaft erreicht dies nicht. Die Zielsetzung der Wahrnehmung des Gesamtinteresses ist notwendig mit einer möglichst vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen verbunden, die „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen sind (§ 1 Abs. 1 IHKG). In der allgemeinen Mitgliedschaft zeigt sich der Unterschied zwischen selektiver Interessenvertretung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses. Eine freiwillige Organisation und die von den Beschwerdeführerinnen angeführte Aufgabenwahrnehmung der Interessenverbände verfolgen andere Ziele.“ Jura Intensiv Erforderlichkeit = kein gleich geeignetes, milderes Mittel Alternative: Freiwillige Mitgliedschaft? Nein, da dann keine vollständige Interessenvertretung möglich. Mithin sind die umstrittenen Bestimmungen erforderlich. (4) Angemessenheit Die Bestimmungen sind angemessen, wenn die mit ihnen verbundene Eingriffsintensität nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck steht. Zweck-Mittel-Relation © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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