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RA Digital - 09/2019

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456 Zivilrecht

456 Zivilrecht RA 09/2019 [30] Die zu ersetzenden Reparaturkosten belaufen sich unstreitig auf netto 8.898,88 EUR. Ebenso schuldet der Beklagte die notwendigen Kosten der Einholung eines Schadensgutachtens in Höhe von 897,26 EUR. Reparaturkosten sind gem. § 249 II 1 BGB ersatzfähig, Gutachterkosten sind Herstellungskosten i.S.d. § 249 BGB. Beide Positionen beruhen kausal auf der Pflichtverletzung. Hinweis für Referendare: Das LG Münster hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und das Urteil auf §§ 280 I, 241 II BGB gestützt. Ein Eingehen auf § 7 I StVG wäre in einem Urteil nicht nötig. Das Gericht hat dennoch zu § 7 I StVG ausgeführt, weil es am Ende darauf ankommt, welche Versicherung zahlt. Sie sollten das allerdings unterlassen, wenn sich nicht aus dem Vortrag der Parteien und dem Bearbeitervermerk etwas anderes ergibt. Kraftfahrzeuge mit Arbeitsfunktionen sind eine Besonderheit, welche besondere Anforderungen an den Zurechnungszusammenhang stellen. Die grundlegende BGH-Entscheidung hierzu: BGH, Urteil vom 24.03.2015, VI ZR 265/14 Fährt der Bauer mit dem Traktor und dem angehängten Schwader über die Landstraße zum Feld, und kommt es zum Auffahrunfall, würde nicht nur die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage stehen. Vielmehr hätte sich die Transportfunktion im Schaden realisiert. Hier verlor der Schwader seinen Arm nicht auf einer Verkehrsfläche. Es kommt hier auch nicht darauf an, ob es sich um eine private oder öffentliche Verkehrsfläche handelt, denn der Acker ist überhaupt keine Verkehrsfläche! Verliert der Schwader dort den Arm und wird die Heuballenpresse dort beschädigt, liegt kein haftungsrechtlicher Zusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs vor. Haftungsrechtlich steht nur die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage. V. Zwischenergebnis K kann von B Schadensersatz in Höhe von 9.796,14 € aus §§ 280 I, 241 II BGB verlangen. B. Anspruch des K gegen B aus § 7 I StVG Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 9.796,14 € aus § 7 I StVG hat. Dies würde allerdings voraussetzen, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Beschädigung der fremden Sache und dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers besteht. Das Merkmal „bei Betrieb“ ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Es genügt, wenn das Kraftfahrzeug den Schadensverlauf mitgeprägt hat. [17] (…) Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht. Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. [18] Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug kann jedoch zu bejahen sein, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet. (…) [19] Allerdings fällt das Risiko, das sich hier verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich des § 7 Abs. 1 StVG. Der Gesichtspunkt, dass eine Verbindung mit dem Betrieb als Kraftfahrzeug zu bejahen sei, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichte, kann nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeuges mit Arbeitsfunktion gesehen werden. Erforderlich ist stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Deshalb lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden, wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage steht. [20] Vorliegend ist eben dies der Fall, d.h. bei dem Einsatz des an einen Traktor angehängten Schwaders stand aus haftungsrechtlicher Perspektive nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage: Der Schaden trat Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2019 Zivilrecht 457 nicht auf einer Verkehrsfläche - sei sie öffentlich oder privat -, sondern auf einem zu dieser Zeit ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Feld auf und die Transportfunktion diente lediglich dem Bestellen der landwirtschaftlichen Fläche. Zudem entstand der Schaden an der Heuballenpresse erst nach Abschluss des mit dem Schwader durchgeführten Arbeitsvorgangs. Die notwendige Gesamtbetrachtung dieser Umstände ergibt, dass hier die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadenshergang nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs geprägt wurde. Folglich hat K gegen B keinen Anspruch aus § 7 I StVG. C. Anspruch des K gegen B aus § 823 I BGB Fraglich ist, ob K gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 9.796,14 € aus § 823 I BGB hat. Das Eigentum des K an der Heuballenpresse wurde kausal durch die unterlassene Prüfkontrolle des Schwaders auf abgebrochene Schwaderarme verletzt. Im Falle eines Unterlassens hängt eine Zurechenbarkeit des Kausalzusammenhanges von der schuldhaften Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ab. B hat als Beherrscher des Schwaders eine Pflicht zur Kontrolle, wenn andere Rechtsverkehrsteilnehmer den vom Schwader ausgehenden Gefahren ausgesetzt werden. Die für die Rücksichtspflichtverletzung getätigten Ausführungen gelten entsprechend für die Verkehrssicherungspflicht. Gleiches gilt für die Ersatzfähigkeit des Schadens und die Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden. K hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 9.796,14 € aus § 823 I BGB. ERGEBNIS K kann von B sowohl aus §§ 280 I, 241 II BGB als auch aus § 823 I BGB Schadensersatz in Höhe von 9.796,14 € verlangen Jura Intensiv FAZIT Die Anforderungen an Rücksichtspflichten gem. § 241 II BGB und deliktische Verkehrssicherungspflichten laufen oft gleich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Quelle der Verkehrssicherungspflicht der Grundsatz von Treu und Glauben ist, nach dem der, der eine Gefahrenquelle eröffnet, für die Gefahrenabwehr Verantwortung trägt. Niemand ist gehalten, jede denkbare Gefahr durch Vorsorgemaßnahmen abzuwehren. Es reicht aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Landwirtschaftliche Arbeitsgeräte können infolge richterlicher Rechtsfortbildung bei der Bewertung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs bei der Verwirklichung der Betriebsgefahr gem. § 7 I StVG in eine eigene Kategorie fallen. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug ist nur zu bejahen, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet. Auch in der Klausur sollte nach oben verwiesen werden, wenn es sachgerecht ist. Das Zeitlimit wird sich sonst kaum einhalten lassen. Wiederholungen stören Prüfer im Übrigen. Dies gilt umso mehr, wenn durch unnötige, redundante Ausführungen Zeit verschwendet wurde und andere Aspekte des Falles nicht bearbeitet werden konnten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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