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RA Digital - 09/2020

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

468 Referendarteil:

468 Referendarteil: Zivilrecht RA 09/2020 [16] (…) Dem Kläger war es also untersagt, ein anderes Arzneimittel als das verschriebene an den Beklagten abzugeben. Die Verschreibungen für den Beklagten beschränkten sich auch nicht auf die Angabe eines Wirkstoffes, sondern nannten das Produkt eines bestimmten Herstellers. Der Kläger war an die Medikamentenauswahl des behandelnden Arztes gebunden. (…). Letzter Einwand des Beklagten und wegen § 263 I StGB ein „Spiel mit dem Feuer“. Es lässt sich sicherlich über Vieles streiten. Die Behauptung, auf eine Verbindlichkeit hin gezahlt zu haben in dem Wissen, dass dies nicht erfolgte, hat Konsequenzen. Dies ist prozessual gemäß § 138 I ZPO unzulässig und begründet den Anfangsverdacht eines Betruges. Der Kaufpreisanspruch ist zudem nicht durch Erfüllung gemäß § 362 I BGB erloschen. [19] In Bezug auf den Quittungsstempel vom (…) wird durch diesen die Erfüllung schon deshalb nicht belegt, weil der Stempel nach dem eigenen, erst in der Berufungsverhandlung richtiggestellten, Sachvortrag des Beklagten bereits vor der von ihm behaupteten Barzahlung auf dem Rezept angebracht war. [20] Im Übrigen hat das Landgericht unter Anwendung zutreffender Beweislastgrundsätzen nachvollziehbar ausgeführt, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme dem Kläger der Gegenbeweis gelungen und nach den Angaben der Zeugin P. hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Quittungsstempel nach dem üblichen Vorgehen im Betrieb des Klägers unabhängig von geleisteten Zahlungen auf den Rezepten angebracht wurden. Bestätigt wird das Ergebnis dieser Beweiswürdigung durch die Erklärung des Beklagten (…), wonach das erste Rezept, dass er erhalten hatte, vor der angeblichen Zahlung bereits gestempelt war. Konkrete Umstände, die plausibel erscheinen lassen würden, warum dies bei den weiteren Rezepten anders gehandhabt worden sein sollte, bestehen nicht. Der Streitwert wird auf 12.177,86 € festgesetzt. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT Die Entscheidung eignet sich in mehrfacher Hinsicht für eine Klausur. Der Bearbeiter muss sich einen groben Überblick über das Apothekengesetz verschaffen, wobei hier §§ 11 f. ApoG ausschlaggebend sind. Vertieftes Wissen ist nicht erforderlich. Sie sollen lediglich die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse (Fall: Patient/Apotheker, Gesetz: Apotheker/Arzt) fehlerfrei differenzieren und erkennen, dass das Verbot das hiesige Vertragsverhältnis nicht betrifft. Die weiteren Probleme beziehen sich auf den Pflichtstoff. Zu erkennen galt, dass die Vertragsparteien (Apotheker/Patient) den behandelnden Arzt zur inhaltlichen Vertragsgestaltung bestimmen, was im Rahmen des § 317 BGB zulässig ist. Sodann galt es, Besonderheiten im Widerrufsrecht zu erkennen, hier insbesondere den Ausschluss des Widerrufsrechtes gemäß § 312g II Nr. 3 BGB, wenn Verträge zur Lieferung versiegelter Waren vorliegen, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Sind die Ampullen- Verschlüsse – wie in dieser Entscheidung – bereits durchstochen, liegt das Ergebnis auf der Hand. Merken Sie sich aber bitte, dass das Gericht bereits das Öffnen der Original-Verpackung für das „Entfernen der Versiegelung“ hat ausreichen lassen. Denkbar, wenn auch „exotisch“, wäre die Verwendung des Falles in einer Kautelarklausur. Neben der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Vertragstypes wäre noch auf die Anweisung an die Mitarbeiterin zu achten, Rezepte erst nach Zahlungseingang entsprechend zu quittieren. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2020 Referendarteil: Zivilrecht 469 Problem: Leistungsverfügung betreffend eine Betriebsschließungsversicherung Einordnung: ZPO I LG Bochum, Urteil vom 15.07.2020 4 O 215/20 EINLEITUNG Neben den in der RA bereits thematisierten Corona-Soforthilfen (06/20 S. 297) sind in diesem Zusammenhang auch streitige Versicherungsleistungen Gegenstand der aktuellen Rechtsprechung. Eine Betriebsschließungsversicherung sichert das Risiko ab, dass aufgrund behördlicher Maßnahmen, welche ihren Grund – beispielsweise – im InfektionsschutzG aufweisen, Betriebe zwangsweise geschlossen bleiben müssen. Der vorliegende Fall, ob behauptete Ansprüche auf Zahlung gegen den Versicherer mittels einer einstweiligen Leistungsverfügung durchgesetzt werden, beschäftigt sich mit typischerweise verwendeten AGB sowie der Frage, wie sich staatliche Soforthilfen auf die Begründetheit einer solchen begehrten Leistungsverfügung auswirken. TATBESTAND Die Verfügungsklägerin (K) betreibt als gaststättenrechtliche Konzessionsinhaberin ein Restaurant mit Biergarten unter dem Namen (…) in (…). Die Verfügungsbeklagte (B) ist Versicherer. Zwischen den Prozessparteien besteht gemäß Versicherungsschein-Nr. (…) für diesen gastronomischen Betrieb eine Betriebsschließungsversicherung. Vereinbart ist eine Haftzeit von maximal 6 Wochen bei einer Versicherungssumme von 250.000 €. Einbezogen sind die Allgemeinen Bedingungen für die verbundene Firmenversicherung (ABF FirmenPlus), Stand (…). In Teil B der ABF ist unter Ziff. 8.2 „Betriebsschließung“ u. a. Folgendes geregelt: „Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf Grund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger gemäß Ziffer 8.2.2. den versicherten Betrieb ganz oder teilweise schließt. Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines versicherten Betriebes werden einer Betriebsschließung gleichgestellt“. Weiter heißt es dort unter 8.2.2 auszugsweise: „Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten Krankheiten (Botulismus, Cholera, Diphtherie (…)) sowie Krankheitserreger (Adenoviren, Bacillus anthracis, Borrelia recurrentis, (…)).“ Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist in den Versicherungsbedingungen nicht namentlich genannt. Aufgrund der pandemischen Ausbreitung des Corona-Virus sind ab Mitte März 2020 auf entsprechende Weisungen des zuständigen Landesministeriums in Nordrhein-Westfalen zunächst durch die örtlich nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Städte und Gemeinden und dann einige Tage später direkt durch das Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hoheitliche Regelungen getroffen worden, nach denen u. a. der Betrieb von Restaurants und Gaststätten sowie von Kneipen und Cafés und anderer gastronomischer Einrichtungen untersagt wurde. Für das Stadtgebiet von (…) erließ der Bürgermeister unter dem Datum (…) und bekanntgemacht im Amtsblatt (…) eine Allgemeinverfügung, die u.a. folgende Regelung enthält, Jura Intensiv LEITSATZ Die Auslegung einer AGB-Klausel dahingehend, dass auch künftige, erst später in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger dem Versicherungsschutz unterfallen, kommt nicht in Betracht, wenn mit dem Wort „nur“ eine ausdrückliche Erklärung dahingehend erfolgt, dass ausschließlich die im Folgenden aufgeführten meldepflichtigen Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheitserreger solche im Sinne dieses Vertrages sind. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz können als Beschluss oder – im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – als Urteil ergehen. Dies ergibt sich aus §§ 935, 936, 922 I 1 ZPO. In Entscheidungen, die in Urteilsform ergehen, wird stets zwischen „Tatbestand“ und „Entscheidungsgründe“ getrennt. Ergeht die Entscheidung als Beschluss, wird zwischen Gründe zu I. und zu II. unterschieden. Ergeht die Entscheidung als Urteil, werden in einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Parteien Verfügungskläger und Verfügungsbeklagter genannt. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahme – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen. Die Formatierung in kursiv dient hier für Sie als Leseerleichterung. Sie „formatieren“ in Ihrer Klausur Ausführungen zum unstreitigen Tatbestand nicht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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