Aufrufe
vor 3 Jahren

RA Digital - 09/2020

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

Editorial

Editorial RA 09/2020 rechtswissenschaftlichen Bedeutung weit über Thüringen hinaus, weil sich die Ausführungen des VerfGH in weiten Teilen auf die Bundesebene und die anderen Bundesländer übertragen lassen. Eine der zentralen Aussagen des Urteils ist, dass der Wahlrechtsgrundsatz der Freiheit der Wahl nicht nur den Wahlvorgang selbst, sondern auch das Aufstellen der Wahllisten erfasst. Das letzte Wort ist mit der Entscheidung des VerfGH im Übrigen noch nicht gesprochen, da hiergegen bereits Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erhoben wurde. Steckt hinter diesen juristischen Auseinandersetzungen nicht eigentlich eine semantische Auseinandersetzung, ein Krieg um Worte und ihre Bedeutung? Was manche für Gleichberechtigung halten, nämlich gleiche Chancen am Start, genügt anderen nicht. Diese sehen Gleichberechtigung erreicht, wenn Gleichheit im Ergebnis herrscht, z.B. mit gleicher Aufteilung der Abgeordnetenmandate nach Geschlechtern. Ob diesen Zustand das Wort „Gleichberechtigung“ noch erfasst oder ob nicht vielmehr das Wort „Gleichstellung“ diese politische Vorstellung besser beschreibt, darüber lässt sich trefflich streiten. Solche Ideen rufen aber nicht zuletzt deshalb Kritik hervor, weil sie auf eine Vertretung im Parlament hinauslaufen, die man aus dem Ständestaat kennt. Demokratie heißt nach derzeitiger Auffassung noch, dass sich eine reine Frauenpartei oder eine reine Männerpartei zur Wahl stellen dürfte. Es entscheidet immer noch der Wähler über den Erfolg dieses Unterfangens. Wenn aber festgelegt wird, wer sich zur Wahl stellen darf und wer nicht – ist das dann noch unsere Demokratie oder etwas Neues? Eher von praktischer Bedeutung in Corona-Zeiten ist das frische Urteil des AG Frankfurt am Main zur Stornierungsgebühr bei Pauschalreiseverträgen. Möglicherweise erhalten Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf Seite 463 eine Anregung zu einem drängenden praktischen Problem. Für beide juristische Prüfungen sehr examensrelevant ist die Grundsatzentscheidung des VII. Zivilsenates des BGH zur Fälligkeit des Werklohnanspruchs auf Seite 454. Das Urteil eignet sich hervorragend als Vorlage für eine Examensaufgabe. Rechtsanwalt Oliver Soltner Franchisenehmer von Jura Intensiv Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, Mannheim und Marburg IMPRESSUM Herausgeberin: Chefredaktion: Redakteure: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, Duisburger Straße 95, 46535 Dinslaken, Tel.: 02064/8275757 Internet: verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: info@verlag.jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Rechtsanwalt Oliver Soltner & Rechtsanwalt Dr. Dominik Jan Sauer, LL.M. (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter info@verlag.jura-intensiv.de erhältlich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2020 ZIVILRECHT Zivilrecht 449 Problem: Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit Einordnung: Schuldrecht AT LG Hagen, Urteil vom 17.07.2020 7 S 68/19 (leicht abgewandelt) EINLEITUNG Das LG Hagen entscheidet einen Fall aus dem Recht der Unmöglichkeit, trifft eine wichtige Klarstellung zur Unterscheidung von Stück- und Gattungsschuld und erörtert eine umstrittene Rechtsfrage zur Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 BGB. SACHVERHALT Die B verkauft Landmaschinen und Traktoren. Am 22.08.2013 verkaufte B an K einen neu hergestellten Traktor „Mahindra 404“ zu einem Preis in Höhe von 6.999 €. Das auf dem Hof des B stehende Neufahrzeug hatte der Kläger ausgewählt. B hatte es zu einem Einkaufspreis von 5.125 € netto erworben. Der Traktor hatte keine Zulassung für den Straßenverkehr. B konnte keine Papiere vorlegen. Zur Abholung, vereinbart für den 30.09.2013, kam es nie. K leistete bei Vertragsschluss eine Anzahlung von 100,00 € und erbrachte in der Folgezeit mehrere Teilzahlungen, die sich zusammen mit der Anzahlung auf 6.905 € summierten. Mit Schreiben vom 28.11.2014 forderte B von K Standgebühren in Höhe von 50,00 € pro Monat. Ferner forderte sie K zur Abholung des Traktors auf. Am 26.02.2015 mahnte B die Zahlung des Restkaufpreises an, damit ein Abholtermin vereinbart werden könne. Am 30.03.2015 stellte B ihre Gegenforderungen für den Fall einer Rückabwicklung des Vertrages zusammen und verlangte u.a. einen Wertverlust-Ersatz von 400,00 € netto für 18 Monate. Nach Mahnung seitens B forderte ihr Rechtsanwalt unter dem 04.11.2015 schriftlich die Restkaufpreiszahlung sowie die Abholung. Am 27.12.2016 teilte B dem K telefonisch mit, dass der Traktor zu einem Verkaufspreis von 4.205,88 € anderweitig verkauft worden sei. Am 04.01.2017 erhob B erstmals die Einrede der Verjährung. Mit Schreiben vom 17.10.2017 verlangte K unter Fristsetzung Auskunft über durch den im Rahmen des Zweitverkaufs erzielten Kaufpreis. Unter dem 01.12.2017 berief sich B erneut auf Verjährung und wies sämtliche Ansprüche zurück. K verlangt am 28.12.2018 Schadensersatz statt der Leistung in Höhe der gezahlten 6.905 €. B erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 3.074,20 €, die sich aus 1.750 € Standgebühren (50,- € pro Monat), 777,70 € Wertverlust sowie 546,50 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zusammensetzen. B ist zudem der Meinung, K stünde kein Anspruch zu, weil Entkonkretisierung eingetreten sei. B meint, der Gesetzgeber habe mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) am 01.01.2002 die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschuld aufgegeben. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSATZ 1. Abweichend von den Grundsätzen zur Bestimmung des Umfangs der Beschaffungspflicht des Verkäufers bei der Nachlieferung im Rahmen des § 439 Abs. 1 BGB behält die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschuld im Anwendungsbereich des allgemeinen Schuldrechts maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Frage nach dem Eintritt der Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB. 2. Ein Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB verjährt ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung unabhängig vom Schicksal des ursprünglichen Leistungsanspruches nach Maßgabe der §§ 195, 199 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats