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RA Digital - 09/2021

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466 Referendarteil:

466 Referendarteil: Zivilrecht RA 09/2021 Typische Klausel gemäß § 356 IV 1 BGB Vermeiden Sie auch hier Rechtsausführungen. Falsch: „K kündigte den Vertrag.“ Richtig: „K erklärte die Kündigung des Vertrages.“ Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Urteilsstil ((…), denn (…)) Das Gericht führt in der Originalentscheidung nur aus, dass eine Kündigungserklärung vorliegt. Aus dem Tatbestand der Ausgangsinstanz ergibt sich jedoch, dass die Anwälte der K zudem den Widerruf erklärt haben. EuGH, Urteil vom 08.10.2020, C-641/19 (EU/PE Digital GmbH) BGH, Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10 m.w.N. BGH, Urteil vom 22. 07.1998, VIII ZR 220/97 So auch der Vertragsinhalt: „Auf der Grundlage dieses Abgleichs stellt die B spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsabschluss 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammen (Hauptleistung).“ Urteilsstil ((…), denn (…)) Mir ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Partnervermittlung vollständig erfüllt ist.“ K zahlte das geschuldete Honorar, B übermittelte ihr am selben Tag drei Kontakte, an die sich K wandte, die jedoch nicht erfolgreich waren. K erklärte die Kündigung und den Widerruf des Vertrages daraufhin mit am 05.06.2018 der B zugegangenen Schreiben und verlangte vergeblich Rückzahlung des geleisteten Honorars in Höhe von anteilig 11 Monaten. K beantragt, B zu verurteilen, an die K eine Summe in Höhe von 7.635,83 € zu zahlen. B beantragt, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Der K steht der Anspruch auf Rückzahlung von Vergütung in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 355 III 1, 357d i.V.m. § 312g I BGB zu. Die Parteien haben einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 I 1 BGB i.V.m. § 310 III BGB außerhalb von Geschäftsräumen i.S.d. § 312b I 1 Nr. 1 BGB geschlossen. Das Widerrufsrecht der K war nicht gemäß § 356 IV 1 und 2 BGB ausgeschlossen. Die B hatte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung der K ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht. [19] Was ein vollständiges Erbringen der Leistung im Sinne des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB erfordert, ist nach den Maßgaben des Art. 16 Buchst. a der RL 2011/83/EU (…) (im Folgenden: VR-RL) zu bestimmen, da das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB und seine Rechtsfolgen auf dieser Richtlinie beruhen. [21] Der Umfang der Pflichten, deren Erfüllung zum Erlöschen des Widerrufsrechts führen kann, bestimmt sich nach dem Gegenstand des Vertrags; es müssen alle jene Plichten erfüllt sein, die für die Erbringung der Hauptleistung erforderlich sind. (…). [22] Hauptleistungspflichten sind bei einem gegenseitigen Vertrag die den Vertrag prägenden, sein „Wesen“ charakterisierenden Leistungspflichten. Welche Pflichten als von wesentlicher Bedeutung anzusehen sind, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses (BGH (…)). Entscheidend ist, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte (…). Maßgeblich ist also der Wille der Vertragspartner, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BGH (…)). Jura Intensiv Nach diesen Maßstäben kann ein vollständiges Erbringen der Leistung der B nicht angenommen werden, weil die Erstellung des Partnerdepots nicht alleinige Hauptleistungspflicht der B aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Partnervermittlungsvertrag ist. Für Kunden der B ist allein die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte die B zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht, denn der K wurden zu diesem Zeitpunkt lediglich drei Kontakte vorgeschlagen. Die Klausel, wonach auf die Ausarbeitung des Partnerdepots (Hauptleistung) 90% des Honorars entfallen, ändert hieran nichts. Sie ist nicht wirksamer Bestandteil des Vertrages geworden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2021 Referendarteil: Zivilrecht 467 [24] (…). Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie widerspricht dem wesentlichen Grundgedanken des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB. [25] Zwar findet eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB unter anderem hinsichtlich solcher Abreden nicht statt, die Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten unmittelbar regeln (BGH (…)). Jedoch kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht der Vertragsgegenstand verändert werden; der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH (…)). Vielmehr ist durch Auslegung der individuellen Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln, welche Pflichten das Wesen des Vertrags charakterisieren und damit Hauptleistungspflichten sind. Die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist insofern keine Abrede über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, sondern der Versuch, den vereinbarten Leistungsumfang einseitig durch eine (Um-)Definierung von Haupt- und Nebenleistungspflichten abzuändern und dadurch - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - in unzulässiger Weise (§ 361 Abs. 2 BGB beziehungsweise § 306a BGB) das ihren Kunden gesetzlich zustehende Widerrufsrecht sowie das Recht der Kunden zur Kündigung (§ 627 BGB) zu entwerten; hierzu sollte im Zusammenwirken mit der Bestimmung eines 90-prozentigen Vergütungsanteils für diese „Hauptleistungspflicht“ die Möglichkeit beschränkt werden, nach der Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern (vgl. auch Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 23). Der B steht ein Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 1/12 der Vergütung zu, § 357 VIII BGB. Die Voraussetzungen liegen vor. Zur Berechnung gilt, dass [30] (…) grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen (ist). Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; nur unter dieser Voraussetzung kann der Verbraucher sachgerecht entscheiden, ob er von dem Unternehmer verlangen soll, mit der Ausführung der Dienstleistung während der Widerrufsfrist zu beginnen. Jura Intensiv § 307 II Nr. 1 BGB – Regelbeispiel einer unwirksamen Klausel aufgrund einseitiger unangemessener Benachteiligung gegenüber dem Vertragspartner des Verwenders BGH, Urteil vom 08.10.2009, III ZR 93/09 AGB können nicht den Vertragsgegenstand abändern. BGH, Urteil vom 22.11.2012, VII ZR 222/12 Auslegung der Erklärungen der Parteien, was das Wesen des Vertrages und damit auch die Hauptleistungspflichten sind Die Erklärung, dass 90% der Vergütung für die Ausarbeitung des Partnerdepots anfällt, somit auch 90 % der Hauptleistung der B damit erbracht worden sein soll, kann daher nicht per AGB vereinbart werden. Diese AGB stellt vielmehr einen Versuch dar, das Widerrufsrecht bzw. Kündigungsrecht faktisch zu entwerten. Diesen Gedankengang müssen Sie aus dieser Entscheidung „mitnehmen“. Wäre die Vergütung zum Zeitpunkt des Widerrufs / der Kündigung in Höhe von 90 % entstanden, wären vom Unternehmer – vereinfacht ausgedrückt – nur 10 % der bezahlten Vergütung an den Verbraucher zurückzuzahlen, § 357 VIII 1 BGB, bzw. 628 I 1 BGB. Grundsatz: Zeitanteilige Berechnung des aufrechenbaren Anspruches auf Wertersatz im Fall des § 357 VIII BGB Eine solche Abrede liegt hier nicht vor. [33] (…). Die Parteien haben keine Leistungspflicht der Beklagten vereinbart, die vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden sollte. Soweit die Beklagte auf die Vereinbarung eines Vergütungsanteils von 90% für die Erstellung des Partnerdepots verweist, fehlt es bereits daran, dass dieser nicht gesondert gezahlt werden sollte. Unerheblich ist ferner, ob § 628 BGB einschlägig ist. Selbst für den Fall, dass neben dem Widerruf des Vertrags dieser wirksam gemäß § 627 BGB gekündigt worden sei, ergibt sich hieraus kein höherer Wertersatzanspruch der B. … und auch nicht wirksam in den Vertrag eingebunden worden ist, § 307 II Nr. 2 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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