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RA Digital - 10/2017

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512 Zivilrecht

512 Zivilrecht RA 10/2017 Das Verlangen eines Transportkostenvorschusses führt nicht zu einem unwirksamen Nacherfüllungsverlangen des K. Grundsätzlich bejaht der BGH-Senat, dass dem Käufer aus § 439 II BGB in Verbindung mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG ein Anspruch aus § 439 II BGB auf Kostenerstattung zusteht. Diese Rechtsprechung knüpft an den „Gutachter-Fall“ an. Hier benutzt das Gericht § 439 II BGB zur Konkretisierung des Anspruchs aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB, um wegen der Nichtleistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall einen Vorschussanspruch zu gewähren. Diesen begründet es mit dem Unentgeltlichkeitsgebot. Schutz des Käufers vor drohenden finanziellen Belastungen durch Vorauslage der Transportkosten Diese Auffassung des Berufungsgericht sieht der BGH-Senat als fehlerhaft an. Es besteht die Gefahr, dass der Käufer von der Geltendmachung seines Nacherfüllungsrechts in unzulässiger Weise abgehalten wird. „II.2. b) Gegen diese Obliegenheit hat K indes nicht verstoßen. Denn sie war nicht gehalten, B das Fahrzeug an deren Geschäftssitz in Berlin zur Verfügung zu stellen, bevor der von ihr angeforderte Transportkostenvorschuss bei ihr eingegangen war. Ebenso war sie mit Ablauf der von ihr gesetzten (Nach-) Frist nicht mehr gehindert, die gerügten Mängel selbst beheben zu lassen und die dadurch entstandenen Kosten und Nachteile als Schadensersatz statt der Leistung geltend zu machen. II.2.b) aa) Nach § 439 II BGB hat ein Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Hierbei handelt es sich um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, welche die von Art. 3 III 1, IV der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erforderliche Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll. Dies begründet in Fällen, in denen - wie hier - eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeugs an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung des Fahrzeugs an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer. Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots vielmehr grds. schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen. Denn die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. Ein solcher Hinderungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass der Verbraucher mit entstehenden Transportkosten in Vorlage treten muss. II.2.b) bb) Den auch im Streitfall bestehenden Vorschussanspruch der K hat das Berufungsgericht gleichwohl verneint, weil es das Risiko, die aufzuwendenden Transportkosten ggf. nicht erstattet zu bekommen, dem von ihr zu tragenden gewöhnlichen Vertragsrisiko zugeordnet und K auf die Möglichkeit verwiesen hat, diesen Anspruch zunächst gerichtlich durchzusetzen. Außerdem hat es die Kosten als der Höhe nach tragbar angesehen und auch aus diesem Grunde eine Erheblichkeit der mit dem Kostenaufwand verbundenen Unannehmlichkeiten verneint. Diese Sichtweise begegnet indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. II.2.b) bb) (1) § 439 II BGB bringt mit seiner Kostentragungsregelung auch zum Ausdruck, dass dem Verkäufer in Fällen, in denen sich die vom Käufer erhobene Mängelrüge als berechtigt erweist, zugleich das mit der Klärung einer unklaren Mängelursache verbundene Kostenrisiko zugewiesen ist. An diesem Risiko hat der Käufer grds. keinen Anteil, insbesondere nicht in der Weise, dass er zunächst einmal mit den für die Mängelklärung anfallenden Aufwendungen in Vorlage treten müsste. Denn dies würde nicht nur mit dem über § 439 II BGB umgesetzten Unentgeltlichkeitsgebot aus Art. 3 III 1, IV der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kollidieren. Ein solches Erfordernis, die Kosten zunächst selbst vorzulegen, ist vielmehr bei Verbrauchsgüterkäufen auch grds. geeignet, den Käufer angesichts der damit einhergehenden Belastungen und Unsicherheiten über eine spätere Erstattung von einer (effektiven) Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Zivilrecht 513 II.2.b) bb) (2) [Deshalb können] die Unannehmlichkeiten und Erstattungsrisiken, die für die dazu nicht verpflichtete K mit einer gleichwohl zu erbringenden Vorleistung auf die Transportkosten verbunden gewesen wären, angesichts der gegenläufigen Schutzintentionen des europäischen Richtliniengebers gerade nicht dem gewöhnlichen Vertragsrisiko zugewiesen werden. Sie sollten K vielmehr genauso wie das Risiko erspart bleiben, einen Vorschussanspruch gerichtlich durchsetzen zu müssen.“ Folglich hat K durch ihre Bereitschaft, das Fahrzeug nach Zahlung eines dafür erforderlichen Transportkostenvorschusses zwecks Untersuchung und Nachbesserung der gerügten Mängel zum Geschäftsbetrieb der B in Berlin transportieren zu lassen, ein den Anforderungen des § 439 I BGB genügendes Nacherfüllungsverlangen erklärt. „II.2.b) cc) B wäre deshalb verpflichtet gewesen, K durch Zahlung des angeforderten Vorschusses den in Aussicht genommenen Transport zu ermöglichen. Dementsprechend hat mit dem Angebot der K, den Fahrzeugtransport in der vorgeschlagenen Weise zu organisieren, zugleich die bei dieser Gelegenheit noch einmal erneuerte und später verlängerte Frist zur Leistung der begehrten Nachbesserung für B zu laufen begonnen.“ K hat B damit eine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung gesetzt, die fruchtlos abgelaufen ist. IV. Verschulden B hat die Verletzung der Nacherfüllungspflicht auch gem. § 276 BGB zu vertreten, da sie vorsätzlich, zumindest aber, wenn man von einem Rechtsirrtum der B ausgeht, fahrlässig erfolgte. V. Schaden gem. §§ 249 ff. BGB Durch die selbst vorgenommene Reparatur des Fiat 500 in der Werkstatt eines Bekannten ist K ein Schaden i.H.v. 2.300 € entstanden. Dieser ist gem. § 249 I BGB ersatzfähig. Jura Intensiv B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 2.300 € gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 BGB. Käufer sollen nicht ihrem Geld hinterherlaufen müssen. Die Nacherfüllungsfrist war angemessen und ist erfolglos abgelaufen. Mit dem Fristablauf durfte sich K zur kostenpflichtigen Ersatzvornahme herausgefordert fühlen. FAZIT Der Verkäufer ist nach Ansicht des BGH gem. § 439 II BGB verpflichtet, dem Käufer durch Zahlung eines Vorschusses den Transport der mangelbehafteten Kaufsache zum Nacherfüllungsort zu ermöglichen. Verkäufer werden dadurch einem weiteren Kostenrisiko ausgesetzt, da der Anspruch auch bereits bei behaupteten Mängeln fällig ist. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass kein Mangel bestand, müssen sie die Transportkosten vom Käufer zurückverlangen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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