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RA Digital - 10/2017

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526 Referendarteil:

526 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2017 LEITSÄTZE Allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, reicht nicht aus, um aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer zu begründen (Fortführung von Senat, Urteile vom 18. Januar 2005, VI ZR 73/04; 10. Januar 2006, VI ZR 43/05 und 8. Mai 2012, VI ZR 196/11). Im Falle einer quotenmäßigen Haftung des Schädigers sind diesem Rechtsverfolgungskosten nicht zuzurechnen, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte seinen Kaskoversicherer nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil in Anspruch nimmt. Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13 I 1, 14 I 1 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV-RVG Problem: Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten Einordnung: SchadensR, VerkehrsunfallR BGH, Urteil vom 11.07.2017 VI ZR 90/17 EINLEITUNG Vorprozessuale Anwaltskosten aus Schuldnerverzug werden im Zivilprozess meistens als Nebenforderung geltend gemacht. Im Assessorexamen kommt es vor allem darauf an, dass die Lösung diesbezüglich vollständig ist, dogmatische Detailkenntnisse werden selten benötigt. Dies gilt allerdings nicht für das Quotenvorrecht bei Verkehrsunfällen im Falle der Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung. Das folgende Urteil verknüpft die Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten wegen Inanspruchnahme des Kaskoversicherers mit den Fragestellungen zum Quotenvorrecht. TATBESTAND Der Kläger macht gegen die Beklagten verbleibende Anwaltskosten für die Regulierung eines Verkehrsunfalls geltend. Das Fahrzeug des Klägers und das von der Beklagten zu 1) gefahrene und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherte Fahrzeug des Beklagten zu 2) stießen am 14.12.2012 frontal zusammen. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, der Kläger verletzt. Er beauftragte seinen mit der Abwicklung des Schadensfalls betrauten vormaligen Prozessbevollmächtigten, auch die Ansprüche gegenüber seinem eigenen Kaskoversicherer geltend zu machen. Aufgrund beiderseitigen Verschuldens der Unfallparteien ist eine jeweils hälftige Haftung unstreitig. Der Bevollmächtigte zeigte dem Kaskoversicherer dies mit Schreiben vom 30.01.2014 an und fügte das Anspruchsschreiben an den gegnerischen Haftpflichtversicherer sowie ein Sachverständigengutachten bei. Mit Schreiben vom 12.06.2014 rechnete der Kaskoversicherer ab. Er zahlte für einen Fahrzeugschaden in Höhe von 8.510 € abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300 € und der bereits erfolgten Zahlung des gegnerischen Haftpflichtversicherers in Höhe von 4.255 € einen Betrag in Höhe von insgesamt 3.955 €. Der Kaskoversicherer regulierte mit Schreiben vom 31.7.2014 „den Vollkaskoschaden anteilig mit 4.871,46 €“ (dies entspricht 50 % des Schadens). Der Bevollmächtigte rechnete seine Tätigkeit gegenüber dem Kläger in Höhe von 492,54 € auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.871,46 € ab, wobei er eine Geschäftsgebühr von 1,3 ansetzte. Jura Intensiv Der Kläger beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 492,54 € zu zahlen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Referendarteil: Zivilrecht 527 ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Schadensanmeldung gegenüber dem Kaskoversicherer war nicht erforderlich, sodass diese Kosten nicht gem. § 249 I BGB von dem Kläger dem Grunde nach aus §§ 7 I, 18 I StVG, 823 I, 249 I BGB zustehenden Schadensersatzanspruch umfasst sind. „II.1.a) aa) Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen und adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten. Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Die für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer anfallenden Rechtsverfolgungskosten können daher ersatzfähig sein, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war.“ Es war dem Kläger selbst möglich, seinen Kaskoversicherer zur Leistung aufzufordern. So beschränkte sich das erste Schreiben des Bevollmächtigten darauf, dem Kaskoversicherer den Schadensfall unter Übersendung des Sachverständigengutachtens zu melden. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, warum der Kläger die ihm gegen seinen eigenen Kaskoversicherer zustehenden Ansprüche nicht ohne anwaltliche Hilfe hätte anmelden können. Ansatzpunkte für eine Leistungsverweigerung oder zögerliche oder fehlerhafte Regulierung des Kaskoversicherers bestanden nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, nicht aus, um die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Kaskoversicherer zu begründen. Denn es kommt bei der Beurteilung auf die konkrete anwaltliche Tätigkeit an, die hier lediglich in der Übersendung von Unterlagen bestanden hat. Jura Intensiv Auch soweit die Rechtsanwaltskosten für ein weiteres Tätigwerden gegenüber der Kaskoversicherung im weiteren Verlauf ersatzfähig wären, dies kann grundsätzlich auch bei verfrühter Inanspruchnahme des Anwalts der Fall sein, steht dem Kläger allerdings kein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Rechtsanwaltskosten zu, weil diese den Beklagten nicht zugerechnet werden können. „II.2. a) Macht der Geschädigte gegenüber seinem Versicherer eine Forderung geltend, die zwar nach den Versicherungsbedingungen begründet, vom Schädiger aber nicht zu ersetzen ist, ist zu prüfen, inwieweit die durch die Anmeldung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden können. Dabei gelten im Ergebnis die gleichen Grundsätze wie hinsichtlich der Höhe des Erstattungsanspruchs des Geschädigten wegen der durch die Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Schädiger entstandenen Anwaltskosten. Das Gesamtergebnis muss an den Anfang der Entscheidungsgründe gestellt werden. Zulässigkeitsprobleme sind hier nicht ersichtlich, weshalb die Zulässigkeit einfach festgestellt werden darf. BGH, Urteil vom 10.01.2006, VI ZR 43/05 Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe muss im konkreten Fall erforderlich und zweckmäßig gewesen sein, BGH, Urteile vom 18.01.2005, VI ZR 73/04, vom 10.01.2006, VI ZR 43/05 und vom 08.05.2012, VI ZR 196/11. Die Schadensmeldung beim eigenen Kaskoversicherer soll der Versicherte ohne anwaltliche Hilfe bewältigen, ebenso die Leistungsaufforderung. Allein ein potentielles Quotenvorrecht macht die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts gegenüber der eigenen Kaskoversicherung nicht erforderlich. In den Urteilsgründen, die hier aus Platzgründen nur auszugsweise präsentiert werden können, nahm der BGH detailliert Stellung, warum dem Kläger nicht bereits deswegen für ein weiteres Tätigwerden des Anwalts im weiteren Verlauf die Kosten abgesprochen werden können. Auf diese rechtlichen Ausführungen kommt es zur Lösung dieses Falles nicht an. Es handelt sich hierbei um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, BGH, Urteile vom 18.01.2005, VI ZR 73/04 und vom 10.01.2006, VI ZR 43/05. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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