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RA Digital - 10/2019

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510

510 Zivilrecht RA 10/2019 Ob § 439 III BGB n.F. außerhalb einer bauvertraglichen Drittbeziehung als lex specialis in einem 2-Personen- Verhältnis dem Käufer den Anspruch gegen den Verkäufer auf Vornahme der Handlung nimmt, ist umstritten: Nein: Grunewald/Tassius/Langenbach, BB 2017, 1673 Ja: Höpfner/Fallmann, NJW 2017, 3745, 3748; Faust, ZfPW 2017, 250, 253; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 439 Rn 12 Zur Anspruchsgrundlage: K begehrt hier nicht mehr Nacherfüllung zuzüglich Schadensersatz neben der Leistung. Vielmehr begehrt er statt der Nacherfüllung eine Geldzahlung in Höhe der fiktiven Ersatzvornahmekosten. Grundvoraussetzung des § 437 BGB ist der Kaufvertrag. Anwendung findet § 437 BGB auch auf den Tausch gem. § 480 BGB oder im Falle eines Werklieferungsvertrages gem. § 650 BGB. Auch im Falle eines typengemischten Vertrages läge hier der Schwerpunkt auf dem Kauf. Ein selbständiges Beweisverfahren nach den §§ 485 ff. ZPO beantragt man, wenn zu besorgen ist, dass ein Beweismittel verloren geht oder dessen Benutzung erschwert wird. Aufgrund der Beweiskraft gem. § 493 ZPO stärkt es die Verhandlungsposition vor einer Klageerhebung, weil die Sachlage geklärt ist. Ein weiterer Vorteil liegt in der Hemmung der Verjährung gem. § 204 I Nr. 7 BGB (s.u.) gelte die kaufrechtliche Regelverjährungsfrist von zwei Jahren. Außerdem sei eine abstrakte Schadensberechnung entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht ausgeschlossen. Zu Recht? LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Zahlung von Aufwendungsersatz gem. § 439 III BGB in der Fassung vom 01.01.2018 Weil das Schuldverhältnis vor dem 01.01.2018 entstanden ist, findet § 439 III BGB in der Fassung vom 01.01.2018 gem. Art. 229, § 39 EGBGB keine Anwendung. B. Anspruch des K gegen B auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 19.048,82 € gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Alt. BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 19.048,82 € aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Alt. BGB haben. I. Kaufvertrag Die Parteien haben am 21.10.2013 einen Kaufvertrag über die Veräußerung von Parkettdielen mit dem dazugehörigen Klebstoff sowie weiterem Zubehör geschlossen. Am 20.12.2013 haben sie einen zweiten Kaufvertrag über die Lieferung eines weiteren Eimers des gleichen Klebstoffs zum Preis von 70,60 € brutto geschlossen. [15] Der Anwendung des kaufrechtlichen Sachmängelrechts steht nicht entgegen, dass dem Kläger zwei der insgesamt fünf Eimer Klebstoffs ohne Berechnung eines Einzelkaufpreises überlassen wurden. Es kann offen bleiben, ob insoweit eine Schenkung vorliegt. Denn in einem solchen Falle würde es sich um einen typengemischten Vertrag handeln, bei dem sich das anwendbare Recht nach den Interessen der Parteien bestimmt. Der Hauptzweck des Vertrags war für beide Parteien unzweifelhaft der Kauf/ Verkauf des Parketts nebst Zubehör. Der Kleber und das übrige Zubehör dienten der ordnungsgemäßen Verarbeitung des Parketts. Auch ihrem Wert nach überwiegen die entgeltlich überlassenen Kaufsachen bei Weitem. Sowohl die Hauptleistung als auch das Gebot der Sachnähe lassen es als interessengerecht erscheinen, den gesamten Vertrag einheitlich dem Kaufrecht zu unterstellen. Jura Intensiv II. Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs K macht einen Sachmangel geltend. Dieser muss zur Zeit des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Die Gefahr ging mit der Übergabe des Klebstoffs gem. § 446 S. 1 BGB über. [16] Die Kaufsache in Gestalt des veräußerten Klebstoffs war gem. §§ 434 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, 446 BGB bei Gefahrübergang mangelhaft. Sie war nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet. Dies steht zur Überzeugung der Kammer zweifelsfrei fest aufgrund des im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachtens des Sachverständigen B. vom 15.01.2018. Dieses Gutachten gilt gem. § 493 Absatz 1 ZPO als eine Erhebung von Beweisen durch das erkennende Gericht. Gründe, die einer Verwertung gem. § 493 Absatz 2 ZPO entgegenstehen, sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Zivilrecht 511 III. Kein Ausschluss der Mängelhaftung Rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Ausschlüsse der kaufrechtlichen Mängelhaftung sind nicht ersichtlich. IV. Pflichtverletzung i.S.d. § 281 I 1 2. Alt. BGB B hat seine Pflicht gem. § 281 I 1 2. Alt. BGB verletzt, wenn er eine ihm obliegende fällige, mögliche und durchsetzbare Pflicht zur Nacherfüllung bis zum Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist nicht wie geschuldet erbracht hat. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nacherfüllung lagen, wie geprüft wurde, vor. Der Verkäufer schuldet innerhalb der Nacherfüllung gem. § 439 I BGB im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 474 BGB bei Einbau einer mangelhaften Sache in eine andere, aufgrund der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung von Art. 3 Absatz 2 und 3 der Richtlinie 1999/44/EG die Ausbau- und Entsorgungskosten sowie die vollen Kosten des Neueinbaus. B war gem. § 14 BGB Unternehmer, K gem. § 13 Verbraucher, der Klebstoff eine bewegliche Sache, sodass ein Verbrauchsgüterkauf vorlag und der Anspruch auf Nacherfüllung diesen weiten Umfang hatte. Dieser Anspruch war auch fällig und durchsetzbar. [20] Der Kläger hat der Beklagten gem. § 281 Absatz 1 Satz 1 BGB erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. V. Vertretenmüssen B muss die Pflichtverletzung auch schuldhaft zu vertreten haben. Zu vertreten hat der Schuldner gem. § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. [21] Das notwendige Vertretenmüssen der Beklagten wird vermutet (§ 280 Absatz 1 Satz 2 BGB). Gründe, die dieser Vermutung entgegenstehen könnten, sind nicht vorgebracht worden. B hat sich weder für das Vorhandensein des Mangels entlastet noch für den erfolglosen Fristablauf. Damit steht fest, dass B die Pflichtverletzung zu vertreten hat. VI. Ersatzfähiger, kausaler Schaden Jura Intensiv 1. Verlangen gem. § 281 IV BGB K muss gem. § 281 IV BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangt haben. K hat die fiktiven Kosten Schadensersatz statt der Leistung verlangt und damit klar gestellt auf eine Nacherfüllung durch B zu verzichten. Mithin hat er gem. § 281 IV BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Das Gericht hat den Umfang des Anspruchs auf Nacherfüllung weder durch Auslegung ermittelt noch festgestellt. Es sieht offenbar die weite Rechtsfolge in Anlehnung an das Urteil des BGH vom 17.10. 2012, VIII ZR 226/11, diese wiederum (im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 16.06.2011, C-65/09, C-87/09) als so gesichert an, dass es auf Ausführungen hierzu verzichtet hat. Zumindest solche kurzen Ausführungen wie nebenstehend wären in einer Prüfung aber geboten. 2. Ersatzfähiger und kausaler Schaden Der geltend gemachte Schaden muss gem. §§ 249 ff. BGB ersatzfähig sein und muss auf der Pflichtverletzung beruhen. Fraglich ist, ob der Käufer fiktive Mängelbeseitigungskosten vor der Durchführung der Mängelbeseitigung als Schadensersatz verlangen darf. [24] Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der eine fiktive Schadensberechnung für die Mangelbeseitigung im Werkvertragsrecht nicht mehr zulässig sei, steht der Schadensberechnung anhand der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten im vorliegenden Fall nicht entgegen. BGH, Urteile vom 22.02.2018, VII ZR 46/17, und vom 06.12.2018, VII ZR 71/15 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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