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RA Digital - 10/2019

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514 Zivilrecht

514 Zivilrecht RA 10/2019 Problem: Pflichtverletzung des Mieters bei Schönheitsreparaturen Einordnung: Mietrecht BGH, Urteil vom 21.08.2019 VIII ZR 263/17 LEITSATZ DER REDAKTION Der Mieter kann eine Pflicht aus dem Mietvertrag i.S.d. § 241 II BGB verletzen, wenn er nicht geschuldete, aber begonnene Schönheitsreparaturen nicht zu Ende führt. Im Jahr 2018 stellten zwei Zivil-Senate des BGH klar, dass der Mieter, der eine Mietsache beschädigt zurückgibt, gem. §§ 280 I, 241 II BGB ohne vorherige Fristsetzung und erfolglosen Fristablauf i.S.d. § 281 I 1 BGB haftet, nämlich einmal der VIII. Senat mit dem Urteil vom 28.02.2018, VIII ZR 157/17 und ein anderes Mal der XII. Senat im Urteil vom 27.08.2018, XII ZR 79/17. Letzteres hatten wir in der September-Ausgabe der RA 2018 auf den Seiten 460-463 vorgestellt. Einen Monat später, im Oktober 2018, wurde diese neue Rechtsprechung in der ersten juristischen Pflichtfachprüfung in NRW und Hessen in der gemeinsam gestellten ZR I-Klausur geprüft. EINLEITUNG Gibt der Mieter die Mietwohnung an den Vermieter in beschädigtem Zustand zurück, kann dies gem. § 280 I, 241 II BGB zur Schadensersatzpflicht gegenüber dem Vermieter führen. Darauf, dass der Vermieter eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat, kommt es nicht an. Hierüber haben wir bereits in der RA 2018, 460 ff. berichtet. SACHVERHALT B war vom 01.03.2008 bis zum 30.09.2012 Mieter einer Doppelhaushälfte der K. Diese übergab B das Haus zu Mietbeginn unrenoviert. In der Folgezeit, in der die Parteien kurzzeitig eine Beziehung miteinander führten, erklärte K dem B, er könne in dem Haus „renovieren wie er es möchte”. B riss zur Renovierung alte Tapeten ab. Nachdem er erfahren hatte, dass K das Haus verkaufen wollte, stellte er die Arbeiten unvollendet ein. Neue Tapeten verklebte er nicht. Das Haus gab er am 02.10.2012 an K zurück. K meint, B habe mit dem Abreißen der Tapeten in den Fensterlaibungen der Küche und an Teilen der Flurwände, ohne die damit begonnene Renovierung der Wände zu Ende zu führen, den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache überschritten. Er sei K daher nach §§ 280 I, 241 II BGB zum Schadensersatz verpflichtet. B hätte begonnene Renovierungsarbeiten zu Ende führen oder den vorherigen Zustand wiederherstellen müssen. Ein eventueller Verkauf des Objekts durch K hätte nicht zwingend das Ende des Mietverhältnisses zur Folge gehabt (§ 566 BGB) und habe daher das Einstellen der Arbeiten durch B nicht gerechtfertigt. Eine vorherige Aufforderung zur Beseitigung des Schadens unter Fristsetzung sei nicht erforderlich gewesen. B verteidigt sich zutreffend, dass er eine rund 30 Jahre alte, nicht zum Überstreichen geeignete, aber vor seiner Besitzzeit mehrfach überstrichene Mustertapete abgerissen habe, die sich teilweise bereits gelöst hätte. Zu Recht? Jura Intensiv LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Schadensersatz gem. §§280 I, 241 II BGB I. Schuldverhältnis Ein solcher Anspruch setzt ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Dies liegt hier im zwischen K und B geschlossenen Mietvertrag. II. Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB Zur Begründung eines Anspruchs aus § 280 I, 241 II BGB muss der Schuldner eine Pflicht im Sinne des § 241 II BGB verletzt haben, die nicht von einer spezielleren Norm geregelt sein darf. Hier hat B Tapeten der K abgerissen ohne neue Tapeten auf die betroffenen Wände zu kleben. In diesem Zustand gab B der K das Objekt zurück. Gibt ein Mieter Räumlichkeiten in beschädigtem Zustand zurück, muss hinsichtlich der Pflichtverletzung eine Entscheidung zwischen zwei rechtlich denkbaren Deutungen getroffen werden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Zivilrecht 515 Man kann einerseits der Auffassung sein, dass der Mieter eine Leistungspflicht aus § 546 BGB verletzt hat. In diesem Falle hinge die Schadensersatzpflicht von den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB ab, genauer gesagt, vom erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung. Sähe man den Fall hier so, schiede eine Schadensersatzpflicht des B mangels Fristsetzung und Fristablauf aus. Man kann andererseits der Auffassung sein, dass der Mieter mit der Verletzung des Eigentums des Vermieters eine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 II BGB verletzt, welche ohne Fristsetzungserfordernis unmittelbar in eine Schadensersatzpflicht aus § 280 I BGB münden kann. Sähe man den Fall hier so, wäre eine Schadensersatzpflicht des B vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Voraussetzungen möglich. [13] Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Pflichtverletzung des Mieters darin liegen kann, dass er (ohne anschließend neue Tapeten anzubringen) in der Mietwohnung vorgefundene Tapeten ganz oder teilweise entfernt und dass er einen dadurch verursachten Schaden nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen hat. Hiergegen wendet sich auch die Revision nicht. [14] Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - mit Urteil vom 28. Februar 2018 (VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 9 ff.) entschieden hat, bedarf es - entgegen der Auffassung der Revision - für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Überschreitens des vertragsgemäßen Gebrauchs, wie er auch hier in Rede steht, einer vorherigen Fristsetzung nicht. [15] Der Senat hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei der den Mieter treffenden Verpflichtung, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Übertragung des Besitzes an der Wohnung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung (schuldrechtlich) eine Schadensersatzpflicht allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen begründet. Für diese rechtliche Einordnung ist es unerheblich, ob der Schadensersatzanspruch vor oder nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht wird. Jura Intensiv Hierfür spricht entscheidend die Konzeption des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform vom 01.01.2002. Nach dieser zielen die im BGB geregelten Leistungspflichten zumeist auf eine Veränderung der Güterlage des Gläubigers ab. Dementsprechend bildet der bei einer Nicht- oder Schlechterfüllung einer Leistungspflicht geschuldete Schadensersatz statt der Leistung das Surrogat der geschuldeten Leistung ab. Die in § 241 II BGB angesprochenen Schutzpflichten sollen hingegen nur die gegenwärtige Güterlage jedes am Schuldverhältnis Beteiligten vor vertragswidrigen Beeinträchtigungen bewahren sollen. Sie begleiten vertragliche Schuldverhältnisse ohne selbst leistungsbezogen zu sein. Schäden, die der Mieter am Mietobjekt beim Auszug hinterlässt, beruhen deshalb nur auf einer Überschreitung des in § 538 BGB geregelten vertragsmäßigen Gebrauchs und stehen außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms. Denkbar: Verletzung der aus § 546 BGB stammenden Leistungspflicht Denkbar: Verletzung der aus § 241 BGB stammenden Rücksichtnahmepflicht wegen Überschreitung des Gebrauchs Wegen Überschreitung des in § 538 BGB bezeichneten zulässigen Gebrauchs ist keine Fristsetzung nötig. Es handelt sich um die Verletzung einer nicht leistungsbezogenen Pflicht gem. § 241 II BGB. Hier nimmt der Senat Bezug auf sein eigenes Urteil vom 28.02.2018, VIII ZR 157/17, Rn 23. Diese Argumente entstammen dem Urteil des BGH vom 27.06.2018, XII ZR 79/17, welches in der RA 2018, 460 ff. vorgestellt wurde. Die Überschreitung des in § 538 BGB geregelten Gebrauchs steht außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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