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RA Digital - 10/2019

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522 Referendarteil:

522 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2019 Die Erhebung der Verjährungseinrede muss im Indikativ Präsens dargestellt werden. Relevante Prozessgeschichte II aufgrund beantragter Zahlung von Zinsen Rechtshängigkeit ab dem 15.01.2019 Ausführungen zum Entstehen des Anspruches entfallen. Diese sind für die Entscheidung unerheblich. Feststellung der Regelverjährungsfrist für Ansprüche aus der InsO gemäß § 146 I InsO Feststellung, dass die Verjährungsfrist ab dem 01.01.2016 begann und am 31.12.2018 endete. Verjährung trat ein um 00:00 Uhr am 01.01.2019 Feststellung, dass keine Hemmung der Verjährung aufgrund eines rechtzeitig eingelegten Rechtsbehelfs gemäß § 204 Nr. 1 BGB erfolgte. (Im Originalfall ohne rechtlichen Unterschied gemäß § 204 Nr. 14 BGB) Die Anhängigkeit vor dem 01.01.2019 hätte grds. gemäß § 167 ZPO (lesen!) ausgereicht. Der Eingangsstempel des Justizangestellten ist eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 418 I ZPO und damit ein gerichtsbekanntes Beweismittel zu Gunsten des Beklagten. Ein Gegenbeweis wurde nicht angetreten, einfaches Bestreiten reicht nicht. K vertritt die Ansicht, dass die Postlaufzeit von mehr als 2 Werktagen höhere Gewalt darstelle. Definition: Höhere Gewalt Palandt/Ellenberger, BGB, § 206 Rn 4 Abgrenzung zum Verschulden im Rahmen der Begründetheit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 233 I ZPO Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Die Klage ist dem Beklagten am 14.01.2019 zugestellt worden. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Rückzahlungsanspruch des K gemäß §§ 133 I, 143 InsO besteht nicht. B hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Anspruch ist mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt. [12] Die Verjährung des Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 146 Abs. 1 InsO). Die dreijährige Regelfrist des § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem der Rückgewähranspruch entstanden ist. Dieser Anspruch entstand mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Denn vorher kann der Anspruch nicht als ein Recht der Insolvenzmasse entstehen. Wegen des Eröffnungszeitpunkts ist auf den im Eröffnungsbeschluss bezeichneten Tag (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 oder Abs. 3 InsO) abzustellen. Das Insolvenzverfahren wurde im vorliegenden Fall am 01.12.2015 eröffnet, mithin ist der Anfechtungsanspruch im Jahr 2015 entstanden. Die Verjährung trat daher grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2018 ein. Die Verjährung ist nicht wirksam gemäß § 204 I Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO gehemmt worden. Die Klage ist am 03.01.2019 bei Gericht eingegangen [13] (…) weil der Antrag ausweislich des Posteingangsstempels der Justizbehörden (…) erst am 03.01.2019 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingegangen ist. [14] Der Eingangsstempel ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO und bescheinigt den Tag, an dem das Schriftstück bei Gericht eingegangen ist. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden (BGH, Beschluss vom 03. März 1983 - IX ZB 4/83 -, Rn. 5, juris). Der Antragsteller hat jedoch keinen geeigneten Gegenbeweis angeboten. Jura Intensiv Weiter ist die Verjährung nicht wirksam gemäß § 206 BGB gehemmt worden. Höhere Gewalt im Sinne der Vorschrift lag nicht vor. [16] Höhere Gewalt liegt vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht vorhergesehen und verhütet werden konnten (Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 206 BGB, Rn. 4). Anders als im Fall der Wiedereinsetzung wegen der Versäumung einer prozessualen Frist gemäß § 233 ZPO ist aber nicht nur darauf abzustellen, ob der Gläubiger ohne Verschulden an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert war. Es müssen vielmehr weitere Voraussetzungen vorhanden sein, die über ein fehlendes Verschulden hinausgehen (Lakkis in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 206 BGB, Rn. 2). Der Gesetzgeber ist bei der Neufassung der Verjährungsregelungen im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ausdrücklich nicht dem Vorschlag Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Referendarteil: Zivilrecht 523 von Peters/Zimmermann (in BMJ [Hrsg], Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I, 1981, 252, 308) gefolgt, den Begriff der höheren Gewalt an § 233 Abs. 1 ZPO anzugleichen, weil die beiden Fallgruppen zu verschieden und eine Übertragung auf die Hemmung der Verjährung mit zu großen Unsicherheiten verbunden seien. Die Fälle des § 233 ZPO und die des früheren § 203 Abs. 2 BGB (jetzt § 206 BGB) sei nicht ohne weiteres vergleichbar, weil es bei § 233 ZPO darum gehe, ob ein Träger öffentlicher Gewalt einen Rechtsbehelf wegen Versäumung einer regelmäßig sehr kurzen Frist a limine zurückweise, bei der Frage der Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt dagegen darum, ob ein Schuldner einem Gläubiger deshalb, weil dieser eine regelmäßig viel längere Frist versäumt habe, eine an sich geschuldete Leistung verweigern könne. Bei § 233 ZPO verengte sich zudem in der großen Mehrzahl der Fälle die Frage dahin, weshalb eine bestimmte Erklärung in einem bereits anhängigen Verfahren nicht vor Ablauf einer Frist eingegangen sei, während die Bandbreite bei der Frage, warum ein Gläubiger durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert sei, erheblich größer sei (BT-Drs 14/6040, 118 f.). Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. Der Streitwert wird auf 53.801,46 € festgesetzt. FAZIT Die Entscheidung bietet sich als Grundlage für eine Assessorklausur aufgrund mehrerer Umstände an. Die Entscheidungsgründe verlangen eine korrekte Fristberechnung und Prüfung mehrerer Vorschriften zum Thema Verjährung. Außerdem fordert die Abgrenzung zwischen „ohne Verschulden“ i.S.d. § 233 ZPO und „aufgrund höherer Gewalt“ i.S.d. § 206 BGB eigenes Nachdenken. Der „Clou” der Entscheidung ist der Folgende: Die Thematik könnte in Form einer objektiven Klagehäufung geprüft werden, bei der einer der Ansprüche entsprechend diesem Fall aufgebaut ist. Will der Prüfer diesen Fall verwerten, wird er durch Vortrag der Parteien auf die Verjährungsproblematik deutlich hinweisen. Sodann müssen Sie im Rahmen des Austausches der Argumente erkennen, dass dort möglicherweise ein Grund genannt wird, der Ihnen in Bezug auf § 233 ZPO für eine Wiedereinsetzung als ausreichend bekannt ist, aber für § 206 BGB gerade nicht ausreicht. Jura Intensiv Genauso liegt es hier in dem Fall des OLG Frankfurt vor. Das Argument des K, er ginge davon aus, dass die Post am nächsten Tag zugestellt werde, reicht für § 233 ZPO aus. Höhere Gewalt stellt dies aber nicht dar. Das Gericht stellt klar, dass es bei § 206 ZPO nicht ausschließlich auf das Verschulden der Partei ankommt und begründet dies mit rechtssystematischen Erwägungen. Nichts anderes ergibt sich bereits aus dem Wortlaut beider Normen. § 233 ZPO stellt auf ein Verschulden ab, § 206 BGB auf höhere Gewalt. Die Partei muss folglich aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses zur Geltendmachung des Anspruches verhindert gewesen sein. Dies führt zwar denknotwendig ebenfalls zu einem fehlenden Verschulden, andersherum ist nicht jede Ursache für fehlendes Verschulden zugleich höhere Gewalt. Gemäß § 4 I 2. HS ZPO sind Zinsen unerheblich für die Ermittlung des Streitwertes. Gleiches gilt für die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Der Streitwert entspricht dem Hauptsache-Antrag. Statt vieler: BGH, Beschluss vom 12.09.2013, V ZB 187/12 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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