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RA Digital - 10/2019

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544 Referendarteil:

544 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 10/2019 Grenzen für Informationstätigkeit: Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, hieraus folgen die Gebote der Richtigkeit und Sachlichkeit BVerfG Beschluss vom 26.6.2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1438/91, juris Rn 59 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 23.4.2012, 13 B 127/12, juris Rn 16 Nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze folgt die Subsumtion des konkreten Sachverhalts. Hierzu ist eine präzise Arbeit am Sachverhalt erforderlich! 1. Kein Verstoß gegen das Gebot der Richtigkeit 2. Kein Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, juris Rn 61 Amtliche Äußerungen haben sich, auch wenn sie mangels Grundrechtseingriffs über die Aufgabenzuweisung hinaus keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Daraus leiten sich die Gebote der Richtigkeit und Sachlichkeit ab. Vorliegend ist ein Verstoß gegen die inhaltliche Richtigkeit nicht gegeben. Der erste Teil des Textes „Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen“ schildert die objektive Situation und gibt das tatsächliche Geschehen zutreffend wieder. Auch die weitere Information „um die Durchsuchung zu verhindern“ war aus Sicht der eingesetzten Beamten inhaltlich zutreffend. Der Beklagte musste und durfte berücksichtigen, dass das Fußballspiel als Risikospiel eingestuft war und ca. 400 sog. Problemfans der oberen Risikogruppen B (leicht erhöhtes Risiko) und ca. 120 Problemfans der Risikogruppe C (erhöhtes Risiko) der Gastmannschaft erwartet wurden. Zudem bestand die Gefahr des Einsatzes von Pyrotechnik durch Fans aus dem Gästelager. Dieser Hintergrund sowie die objektiven Gegebenheiten vor Ort ließen den Schluss auf das Vorliegen der benannten Absicht bei einigen Fans zu. [...] Die Polizei musste auch davon ausgehen, dass zumindest einige Fans die Capes dazu nutzen wollten, eine Durchsuchung zu behindern oder sogar zu verhindern. Die Regencapes waren undurchsichtig und ohne Öffnungsmöglichkeit, sodass Gegenstände wie z. B. pyrotechnische Mittel darunter leicht zu verbergen waren. [...] Es liegt auch kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor. Eine behördliche Information darf auch bei zutreffendem Inhalt in der Form weder unsachlich noch herabsetzend formuliert sein und muss mit angemessener Zurückhaltung erfolgen. Der Tweet enthält weder unsachliche Bestandteile oder Formulierungen, die die Fans diffamieren oder verächtlich machen sollen, noch suggestive Formulierungen, die darauf gerichtet sind, die Bürger hinsichtlich der Fans negativ zu beeinflussen. Bei objektiver Betrachtung kann das Wort „einige“ in diesem Zusammenhang nur die Bedeutung haben, dass von den auf dem Foto abgelichteten Personen nicht alle, sondern nur einige die genannte Absicht hatten. Gerade das Abstellen auf lediglich „einige Fans“ entspricht somit auch der gebotenen zurückhaltenden Formulierung. [...]“ Jura Intensiv FAZIT Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist examensrelevant, da über den Einstieg des Polizeirechts Fragestellungen des Verwaltungsprozessrechts (Statthaftigkeit der Feststellungsklage und berechtigtes Interesse bei Erledigung eines Rechtsverhältnisses), des allgemeinen Verwaltungsrechts (VA-Qualität eines Tweets) und des Verfassungsrechts (Ermächtigung für staatliche Informationstätigkeit; Grundrecht der Versammlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) erörtert werden. Die Entscheidung bietet somit die Möglichkeit, eine Vielzahl grundsätzlicher Probleme des öffentlichen Rechts abzufragen. Darüber hinaus ist die Veröffentlichung von Tweets und Fotos durch die Polizei in letzter Zeit des Öfteren Gegenstand von kritischen Auseinandersetzungen in Rechtsprechung, Schrifttum und Presse gewesen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 STRAFRECHT Strafrecht 545 Problem: Automaten-Schubser doch ein Räuber?! Einordnung: Gewahrsamsverhältnisse am Geldautomaten BGH, Beschluss vom 21.03.2019 3 StR 333/18 EINLEITUNG Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH steht der Beschluss des 2. Strafsenats (2 StR 154/17, RA 2018, 48) entgegen. Diesem lag folgender Sachverhalt zugrunde: „Automaten-Schubser-Fall“: Der Geschädigte hatte sich in eine Sparkassenfiliale begeben, um dort an einem Geldautomaten Geld abzuheben. Nachdem er seine Bankkarte in den Automaten eingeschoben und seine PIN eingegeben hatte, stieß ihn der Angeklagte weg, wählte einen Auszahlungsbetrag von 500,- € und entnahm das vom Geldautomaten ausgegebene Bargeld, um sich zu Unrecht zu bereichern. Der 2. Strafsenat hat eine räuberische Erpressung, nicht dagegen einen Raub angenommen. (Begründung: Randspalte unten) SACHVERHALT Die Angeklagten versuchten in Bankfilialen Geld von Kunden zu erbeuten, die dort an Automaten Geld abheben wollten. Zu diesem Zweck warteten die Angeklagten zunächst ab, bis ein Kunde seine Bankkarte in den Geldautomaten eingeführt und seine PIN eingegeben hatte. Sodann versuchten sie, den Kunden abzulenken, indem sie ihn ansprachen und ihm Prospekte oder Ähnliches vorhielten; dadurch wollten sie zugleich die Sicht des Kunden auf das Display bzw. die Eingabetastatur verdecken. Gleichzeitig versuchte einer der Angeklagten, von dem Kunden unbemerkt einen möglichst hohen Geldbetrag einzugeben und das anschließend ausgeworfene Geld aus dem Ausgabefach zu entnehmen. Durch die Ablenkung der Kunden und die Ausnutzung des Überraschungsmoments wollten die Angeklagten eine etwaige Gegenwehr der Opfer vermeiden; sie hatten grundsätzlich nicht vor, gewaltsam gegen diese vorzugehen. In zwei Fällen, an denen der Angeklagte M. Z. beteiligt war, zerrten die Täter das Opfer allerdings von dem Geldautomaten weg bzw. stießen es zur Seite, um den Geldbetrag einzugeben und das in dem Ausgabefach liegende Geld an sich zu nehmen. LÖSUNG Aus Platzgründen beschränkt sich die Darstellung aus die Ausführungen des 3. Senats zu den Merkmalen „fremd“ und „Wegnahme“, welche für § 242 StGB und § 249 StGB gleichermaßen gelten. I. Tatobjekt: fremde (bewegliche) Sache Jura Intensiv [7] Bei den im Ausgabefach des Geldautomaten zur Entnahme bereit liegenden Geldscheinen handelte es sich um für die Angeklagten fremde Sachen; sie standen im Eigentum des Geldinstituts. Dieses übereignete die Geldscheine durch deren Ausgabe nicht an die Angeklagten. LEITSÄTZE 1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Wer unberechtigt Geldscheine an sich nimmt, die im Ausgabefach eines Geldautomaten zur Entnahme bereit liegen, nachdem der Berechtigte den Auszahlungsvorgang durch Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, bricht den an den Geldscheinen bestehenden Gewahrsam des Geldinstituts. 2. Der Senat fragt bei dem 2. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Begründung des 2. BGH-Senats: Der Angeklagte habe die Geldscheine nicht weggenommen. Werde der Geldautomat technisch ordnungsgemäß bedient, werde das Geld tatsächlich mit dem Willen des Geldinstituts ausgegeben. Dessen Gewahrsam werde nicht gebrochen. Da der Geschädigte keinen Gewahrsam an den Geldscheinen begründet habe, habe auch dieser vom Angeklagten nicht gebrochen werden können. Mithin scheide ein Raub aus. Somit seien §§ 253, 255 StGB zu bejahen, da der Täter das Opfer genötigt habe, die Ansichnahme des Geldes zu dulden. Hingegen wäre nach h.L. bei §§ 253, 255 StGB zusätzlich eine Vermögensverfügung nötig gewesen. Diese liegt nach h.L. nur vor, wenn das Opfer einen notwendigen Mitwirkungsakt vornimmt. Da dieser fehlt, scheidet eine räuberische Erpressung nach h.L. aus. Nach der Entscheidung des 2. Senats war der „Automaten-Schubser“ also ein Fall, in dem es auf den Streit, ob § 253 StGB eine Verfügung verlangt, entscheidend ankam. Nach dem 5. Senat wäre dies nicht mehr der Fall! © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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